Daten aus 50 Millionen Facebook-Nutzerprofilen soll die Firma Cambridge Analytica analysiert haben. Während die Nutzer sich fragen, wie sicher ihre persönlichen Daten noch bei Facebook sind, und die Aktie des Konzerns kräftig an Börsenwert verliert, geht es im neuesten Skandal auch um eine noch viel brisantere Frage: War die Manipulation der Wähler über Facebook der entscheidende Faktor bei der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten? Hat Cambridge Analytica es wirklich geschafft, Wähler zu manipulieren? Und wie manipulierbar sind wir in unseren politischen Ansichten? Erstaunlich wenig, glaubt der Philosoph Philipp Hübl. Unsere Ansichten seien viel stabiler, als viele gern behaupten.
Alexander Nix, der
kürzlich gefeuerte Chef der Datenanalysefirma Cambridge Analytica,
prahlte vor einem Undercover-Reporter damit, dass er den US-Wahlkampf 2016
entschieden habe. Seine Firma habe unentschiedene Wähler so gezielt
manipuliert, dass sie für Donald Trump gestimmt hätten. Damit macht Nix nicht
nur Werbung für sein digitales Werbe-Instrument. Er greift ein Menschenbild
auf, das auch Psychologen und Neurowissenschaftler in den letzten Jahrzehnten
verbreitet haben: die These vom manipulierbaren Individuum, das nicht aufgrund
bewusster Entscheidungen handelt, sondern von unbewussten Neigungen gesteuert
ist. Vom Selbstwahn ist die Rede und von der Konstruktion des Ich. Auch der Hype um das Neuromarketing und die Behauptung,
die Neurowissenschaft habe die Willensfreiheit widerlegt, gehören dazu.
Eine vermeintlich einfache Erklärung für erschreckende Ereignisse
Das
Begründungsmuster ist dankbar. Es bietet einfache Erklärungen für überraschende
und erschreckende Ereignisse wie die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten.
Letztlich verschiebt es so die Verantwortung: Nicht die Kampagne der Demokraten
scheiterte, nicht die Anhänger der Republikaner in den USA sahen bewusst über
Trumps sexistische und rassistische Äußerungen hinweg. Nein, am Ende war es
eine große Täuschung, der die Wähler aufsaßen. Aber stimmt das? Bisher ist überhaupt nicht belegt, ob Cambridge Analytica wirklich Einfluss auf
die Wahl nehmen konnte. Die Wissenschaft hinter der Manipulation ist weit
weniger eindeutig als angenommen. Und Teile der Argumentation der Firma
widersprechen sich gar selbst.
Doch zunächst zu dem, was passiert ist: Alles
begann mit einer Studie, die mit Wahlkampfbeeinflussung nichts zu tun hatte.
Die Cambridge-Psychologen Michal Kosinski und David Stillwell untersuchten
58.000 Facebook-User mit einer App, die gleichzeitig ein Persönlichkeitstest
ist und Informationen über die Facebook-Likes abfragt (PNAS: Kosinski, Stillwell et al., 2013, .pdf). Damit erstellten die Forscher ein Datenprofil der Teilnehmer und stießen
auf teils kuriose Korrelationen: Wer zum Beispiel spiralförmige Pommes (curly
fries) mag, ist eher intelligent, wer Harley-Davidson likt, eher nicht. Wer
sich als Mann für Kosmetikprodukte interessiert, ist eher homosexuell, wer der
Rapformation Wu-Tang Clan folgt, eher heterosexuell. Einige dieser Vorhersagen sind
wenig überraschend, andere hingegen schon: Was hat die Pommes-frites-Form schon
mit logischem Denken zu tun?
Konservative sind verlässlich, Liberale offen gegenüber Neuem
Auch das Wahlverhalten konnten die Forscher anhand von Likes vorhersehen. Solche Korrelationen basieren auf gut gesicherten Vorarbeiten über fünf Persönlichkeitsmerkmale, die beim Menschen über das ganze Leben hinweg relativ konstant stark oder schwach ausgebildet sind: Offenheit, Verlässlichkeit, Extrovertiertheit, Verträglichkeit und emotionale Instabilität, den englischen Anfangsbuchstaben nach auch Ocean-Merkmale genannt. Studien zeigen, dass Persönlichkeitsmerkmale und Wahlverhalten korrelieren. So verglich die amerikanische Sozialpsychologin Dana Carney zwei politische Typen Mensch, den konservativ-rechten Typ (conservatives) und den progressiven (liberals) (Political Psychology: Carney et al., 2008). Dabei zeigt sich etwas, was schon der Philosoph Theodor W. Adorno vermutet hat: Ein hoher Wert bei "Offenheit" ist ein guter Indikator für die politische Orientierung. Menschen, die der Welt gegenüber offen sind, wollen neue Speisen, Menschen und Länder kennenlernen. Wer offen oder neophil ist, wählt eher progressiv, also linksliberal. Bei Konservativen findet man diese Neophilie hingegen selten. Sie sind eher risikoscheu und bleiben, wie der Name schon sagt, lieber bei dem, was sie schon kennen (Psychological Bulletin: Jost et al., 2003). Konservative punkteten dafür eher bei der Dimension "Verlässlichkeit". Wer verlässlich ist, gilt als systematisch, ordentlich und überlegt.
Wie politische Neigungen mit Persönlichkeitsmerkmalen und diese wiederum mit Likes korrelieren, zeigen Kosinski und Stillwell mit einem Beispiel: Wer die Marke Hello Kitty mag, hat einen hohen Wert bei Offenheit und einen niedrigen bei Verlässlichkeit und wählt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Demokraten.
Kommentare
"Bis heute ist überhaupt nicht bewiesen, wie groß der Einfluss dieser Kampagne war. "
Ich dachte bisher, dass alleine der Versuch schon strafbar ist. Das man neuerdings den Erfolg nachweisen muss damit eine strafbare Handlung vorliegt muss an mir vorbei gegangen sein.
Im Artikel geht es nicht um die Strafbarkeit, sondern um Zweifel am Erfolg der Kampagne von Cambridge Analytics.
Ist wie beim Bankraub: schon der Versuch ist strafbar....
Schon irritierend, wenn jetzt von allen Seiten die "Analysen" kommen, dass eine Wahlmanipulation nicht so einfach ist. Nicht, dass ich den Ergebnissen der "Analysen" nicht glaube. Ich denk, dass es unbestritten ist, dass eine Wahlmanipulation nicht derartig einfach ist.
Aber man möge nur mal vergleichen, wie die "Berichterstattung" zu Putin dem Tausendsassa erfolgte und dann die wirkliche Berichterstattung zu einem extrem umfangreichen Datenmissbrauch durch eine "freundliche" und "demokratische" Firma.
Ich denke, jedem Leser wird klar, dass das eine Propaganda war und das andere eine einfache Berichterstattung zu einem wirklichen Vorfall.
"Nicht, dass ich den Ergebnissen der "Analysen" nicht glaube."
Fragen wir uns doch einfach mal, warum es Werbung gibt, und warum die derart teuer sein darf? Antwort: Sie funktioniert.
Und 'Werbung' auf dem Vehikel von Falschaussagen, funktioniert noch besser.
"Die sagt nämlich, dass sowohl Persönlichkeitsmerkmale als auch das Wahlverhalten relativ konstant sind. "
Aber um diese Menschen geht es doch nicht mal. Es ging nie darum einen Republikaner zu einem Demokraten zu machen oder einen Demokraten zu einem Republikaner. Es ging darum die Unentschlossenen zu packen, die Wechselwähler.
Hierzu mal einen Artikel aus dem Guardian.
https://www.theguardian.c...
Stickers
More than half (57%) of voters currently plan to vote the same way as they did in 2015. However what is more interesting is the differences between the parties when it comes to Stickers, Switchers and Undecideds.
Only about half of people who chose Labour, Ukip or the Liberal Democrats in 2015 plan on sticking with that party this time, while the rest have either moved party or are still undecided at this stage.
Und hier noch einen bezüglich "undecided voters"
http://fivethirtyeight.co...
so ist es ..... es geht immer darum...wer geht diemal wählen, und wer bleibt zuhause. ( asym. démob. )
deshalb sind die wählerbewegungen incl. der nichtwähler immer interessanter als die Wahlergebnisse.
In diesem Zusammenhang sollte man nicht vergessen, dass in einigen Staaten die Präsidentenwahl durch Unterschiede von nur einigen tausend Stimmen entschieden wurde. Ohne dass ich das überprüft habe, dürfte das erst recht für die Ergebnisse für die Wahl zum Senat gelten. Während ich große Wählrrbewegungen durch die gezielte Ausnutzung von Datenanalysen für nicht sehr wahrscheinlich halte, könnte ich mir kleine Veränderungen schon vorstellen. Ein Einfluß auf das Ergebnis wäre somit möglich.
"Dabei zeigt sich etwas, was schon der Philosoph Theodor W. Adorno vermutet hat: Ein hoher Wert bei "Offenheit" ist ein guter Indikator für die politische Orientierung. Menschen, die der Welt gegenüber offen sind, wollen neue Speisen, Menschen und Länder kennenlernen. Wer offen oder neophil ist, wählt eher progressiv, also linksliberal. Bei Konservativen findet man diese Neophilie hingegen selten. Sie sind eher risikoscheu und bleiben, wie der Name schon sagt, lieber bei dem, was sie schon kennen (Psychological Bulletin: Jost et al., 2003). Konservative punkteten dafür eher bei der Dimension "Verlässlichkeit". Wer verlässlich ist, gilt als systematisch, ordentlich und überlegt."
Ich hätte Adorno so ein schlichtes Denken gar nicht zugetraut. Konservative mögen nicht reisen? Wie dumm ist das denn? Wer ordentlich und überlegt ist, mag keine exotischen Speisen? Diese völlig unbegründeten, willkürlichen Behauptungen sind erschütternd in ihrer Primitivität.