Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Nigerias lebt in extremer Armut, die Mehrzahl der öffentlichen Schulen befindet sich in einem katastrophalen Zustand. Trotzdem wird Nigeria künftig einen Personalausweis bekommen, der weltweit einmalig ist. Es ist ein Ausweis, der gleichzeitig Kreditkarte sein soll.
Die Regierung Nigerias und das US-Kreditkartenunternehmen Mastercard haben sich auf das Projekt geeinigt. In den nächsten drei Monaten sollen in einer Pilotphase 13 Millionen Ausweise ausgegeben werden. Geht es nach Mastercard, sollen künftig alle Bürger Nigerias einen vom Unternehmen gesponserten Ausweis mit sich führen. Beim mit geschätzten 167 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Land Afrikas wäre es trotz der weit verbreiteten Armut ein vielversprechendes Geschäft.
"Das Projekt wird den öffentlichen und privaten Sektor zusammenführen", sagte Nigerias Finanzministerin Ngozi Okonjo-Iweala bei der Präsentation auf dem Weltwirtschaftsforum in Südafrika. Sie erhoffe sich durch die neuen Personalausweise gleiche Bürgerrechte für alle Nigerianer, effektiveres Regieren und ein Eindämmen der Korruption.
Ausgestattet mit einem Mikrochip, soll der Ausweis sowohl demografische als auch biometrische Daten der Besitzer speichern. Außerdem wird jede Karte mit einem Bankkonto verbunden sein, das von Nigerias Access Bank, einem Partner von Mastercard, bereitgestellt wird.
Zentrale Datenbank
Die personenbezogenen Daten der neuen National Identity Smart Card wie Fingerabdrücke, Gesichtsmerkmale und eine digitale Signatur werden in einer zentralen Datenbank gespeichert. Daten über die Nutzung der Kreditkartenfunktion sollen nicht enthalten sein. Verwaltet wird die Datenbank von der Regierung. Finanzministerin Okonjo-Iweala erklärte bei der Präsentation, die Daten könnten von verschiedenen Regierungsabteilungen genutzt werden – laut der offiziellen Beschreibung auch ohne Zustimmung der Nutzer.
Für einen Teil der Bevölkerung bringt das System Vorteile. Viele Menschen in den ländlichen Regionen Nigerias haben kein Bankkonto. "Ich bin selbst vor Kurzem in Nigeria gewesen, und sobald man aus den größeren Städten rausfährt, sieht man kaum noch Banken", erklärt Carlo Koos vom Institut für Afrika-Studien in Hamburg. Das könnte sich durch den neuen Personalausweis ändern, da jeder Nutzer automatisch ein Bankkonto zugewiesen bekommt. "Bank the unbanked", heißt es bei Mastercard. Allerdings braucht man, um eine Kreditkarte einsetzen zu können, Geld auf dem Konto. Und das haben sehr viele Nigerianer eben nicht.
"Mastercard benutzt Nigeria als Versuchskaninchen", sagt Kenneth Ugbechie. Der Journalist hat seine Regierung aufgefordert, das Projekt abzubrechen. "Ich sehe nicht, wie eine Kreditkarte unserer Wirtschaft helfen soll, wenn wir nicht mal das Schreckgespenst der Korruption in den Griff bekommen."
Kommentare
Lächerlich
Als Quasi-Insider wage ich dieses drastische Urteil auszusprechen. Bei der großen Armut, die in Nigeria herrscht, bei der mangelnden Infrastruktur und Akzeptanzmöglichkeiten, kann man einfach zu keinem anderen Schluss kommen.
Die Nigerianer, die man als wohlhabend oder reich bezeichnen kann, haben schon längst Kreditkarten, brauchen also über diesen Umweg gar keine. Und die anderen...wo und vor allem unter welchem finanziellen Rahmen sollen die bitteschön damit bezahlen gehen?
Fakt ist, dass das Alltagsgeschäft in Nigeria nahezu komplett ohne Kreditkarte abläuft, weil es kaum Geschäfte gibt, die solche als Zahlungsmöglichkeit anbieten. Die, die diese Möglichkeit anbieten, werden von einfachen Nigerianer gar nicht frequentiert: teure Hotels, teure Boutiqen etc.
Vor allem liegt diese Aktion vornehmlich wohl nur in der Korruption begründet und hat definitiv nur einen Grund, nur einen Sinn: Schmiergeld. Schmiergeld, das sich die verantwortlichen Politiker in die eigenen Taschen stecken.
Die Erwähnung ...
...das hier die "Entscheidungsträger" profitiert haben, erübricht sich. Es geschieht dort ohnehin nichts ohne.
Die Frage die sich für mich stellt ist vielmehr wieso überhaupt sich MasterCard davon einen finanziellen Nutzen verspricht. Da es in Nigeria zwar viele Menschen gibt, aber die meisten doch kaum Geld sehe ich nicht viel Nutzen. Und wenn dort die Regierung wechselt, kann sein das die ganzen Karten nur noch weiterer Plastikmüll sind.
Kreditkarte&Ausweis
Also ich denke nicht dass es Aufgabe des Personalausweises oder einer Kreditkartenfirma ist "den Armen zu helfen" - von daher finde ich den Vorwurf ungerechtfertigt.
Auch die Aussage dass es keine Demokratische Entscheidung gewesen sei, weil das Volk nicht gefragt wurde ist in einer repräsentativen Demokratie Unsinn - es ist ja gerade das Merkmal einer regierung dass sie für Ihre Wähler Entscheidungen trifft - das ist sogar ihr Job.
Ich finde es eher bedenklich dass sich die Regierung mit einer zentralen hoheitspolitischen Aufgabe zu 100% in Abhängikeit eines Internationalen Konzerns begibt. Riesige Datenbanken werden, so sie erst mal da sind, auch genutzt - mal schauen was die sich damit einfallen lassen. Es entsteht ja dadurch auch ein Monopolähnlicher Marktvorsprung dieser einen Bank.
Ich denke man wird in ein paar Jahren sehen müssen was dabei herauskommt, vielleicht hat das Ganze ja auch ungeahnt positive Auswirkungen auf die lokalen Klein- und Mittelständischen Betriebe.
Eine Sache lässt sich aber absehen. Genau wie Indien ( http://www.zeit.de/digita... ) will nun Nigeria alle Bürger komplett Digital erfassen. Ich denke dass dies alles große Testläufe sind, die auch im sog. "Westen" kommen werden. Hier gibt es halt eine aktive Zivilgesellschaft die sich dagegen wehren kann, daher macht man das zuerst in ärmeren Ländern.
mit allem Respekt
ich empfehle Ihnen keine Reise nach Nigeria - obwohl eine solche bildet.
aber doch den Besuch der website des Auswärtigen Amtes (ein bißchen hysterisch, aber die Lust, deutsche Geiseln auszulösen oder gar Leichen heimzubringen ist verständlicherweise gering)
vor allem aber
http://allafrica.com/nige...
Lächerlich
Einer Regierung, die ihren Bürger kein fließendes Wasser, keine Stromversorgung, kaum Straßen, die man so nennen kann, nicht einmal rudimentärste öffentliche Ordnung und Sicherheit, bieten kann, die stolz sein darf das zweitschlechteste Land zu sein, in dem ein Kind geboren werden kann, sind die Menschen völligst egal. Vielleicht bekommen ja die Witwen der in Nassarawa vor Pfingsten abgeschlachten Polizisten ihre Hilfsgelder so überwiesen.
Gut, es gibt auch etliche, die mehr als genug Geld ihren Mitbürgern herausgesaugt haben. Die wollen natürlich beim Shoppen in Lagos, London, New York, Paris nicht zu viel Plastik herumschleppen - da will Mastercard ran.
Schade, dass man nie erfahren wird, wieviel Landschaftspflege Mastercard betrieb. Das Schweizer Konto der Finanzministerin wird einen warmen Regen abbekommen haben.
Und jede Bezahlung...
...generiert einen Anteil für den US-Konzern Mastercard. Hat Mastercard für die Ausweise bezahlt? Wenn ja, welchen Anteil? Das würde mich wirklich mal interessieren.