"Auch wenn viele es immer noch nicht wahrgenommen haben oder vielleicht auch nicht wahrnehmen wollen: Computerspiele sind heute fester Bestandteil der Jugendkultur." Mit dieser Feststellung eröffnet Christoph Klimmt, Juniorprofessor für Publizistik von der Universität Mainz , seine Keynote bei dem am Donnerstag im Rahmen der Gamescom veranstalteten Kongress.
In seinen Vortrag erklärt Klimmt nicht nur, wie es der Industrie gelungen ist, die Spiele im Mainstream der Jugendkultur zu verankern. Ihn beschäftigt auch die Frage, welche gesellschaftlichen Folgen es hat, wenn Spiele nicht nur eine verbreitete Freizeitbeschäftigung sind, sondern als Kulturtechnik peu à peu auch in andere Bereiche des Alltags abstrahlen – oder "diffundieren", wie das in der Forschersprache heißt. Ist eine "spielende Gesellschaft" möglicherweise weniger bereit, sich mit ernsten, mühsamen Fragen auseinander zu setzen? Führt der Eindruck, man könne "Wirkung jederzeit auf Knopfdruck erzielen" dazu, dass die Gesellschaft intoleranter und insgesamt immer hedonistischer wird?
Bei seiner Beschreibung des Phänomens kann man dem Publizistikforscher zunächst einmal zustimmen: In den vergangen Jahren hat sich die gesellschaftliche Meinung über Gamer grundsätzlich gewandelt. "Assoziierte man mit dem Computerspieler vor zehn, fünfzehn Jahren noch einen technisch versierten Typen mit Glasbausteinen als Brillengläsern, sind Games heute Teil das Mainstreams wie Popmusik oder Fußball", sagt Klimmt. Er würde nicht mehr mit Begriffen wie "uncool" oder "nerdig" assoziiert, sondern sei sozial akzeptiert.
Das habe zwei Gründe. Da seien zum einen die Prägeeffekte: "Meine Generation ist mit dem Medium aufgewachsen und hat es sozusagen in höhere Lebensalter mitgeschleift", sagt der 1976 geborene Akademiker. Die aktuelle Generation sei ganz selbstverständlich mit Spielen groß geworden. Zum anderen habe die Industrie die Verflechtung der Spiele mit den bereits etablierten Medien systematisch vorangetrieben. Inzwischen sind nicht nur Spiele üblich, die auf Filmvorbildern basieren. Inzwischen verläuft die Medienkonvergenz auch umgekehrt, Hollywood bedient sich an Spielevorbildern, um daraus Filmplots zu entwickeln.
Schaut man sich das Publikum auf der Gamescom an, so zeigt sich allerdings auch: Frauen sind immer noch eine Minderheit. Sie kommen entweder in Begleitung ihres Freundes oder stehen als Messe-Hostessen in engen Röckchen an den Ständen, um sich von den Jungsgrüppchen bestaunen oder fotografieren zu lassen. Computerspiele sind im Gegensatz zur Film- oder Musikkultur immer noch eine eher männlich dominierte Kultur.
Laut der JIM-Erhebung des medienpädagogischen Forschungsverbands ist der Anteil der regelmäßigen Computerspieler in der Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen seit 2000 insgesamt von 39 auf 44 Prozent gestiegen. Das ist zwar kein besonders starker Anstieg. Allerdings begann das breite Wachstum vermutlich schon früher. Es sei zudem zu berücksichtigen, sagt Klimmt, dass die Wissenschaftler heute sehr viel genauer fragen müssten als noch vor zehn Jahren. Ein simples "Spielen Sie Computerspiele?", reicht nicht mehr aus. Denn inzwischen gibt es Dutzende Möglichkeiten, digital zu spielen: am PC, mit der Konsole, im Internet, allein, mit anderen, online oder offline.
Was nun die spielenden Frauen betrifft, so scheint es mit der gesellschaftlichen Anerkennung in der Tat noch nicht so weit her, wie Klimmt glauben machen will: Einer amerikanischen Studie zufolge fürchten Frauen, die sich offen als Spielerinnen bekennen, gesellschaftliche Stigmatisierung. Mehr als zwei Drittel der Befragten glauben demnach, dass lediglich eine bis fünf Stunden Videospielen pro Woche bei einer Frau sozial akzeptiert werden. Nur 26 Prozent der Befragten betrachten mehr als sechs Stunden als vertretbar. 16 Prozent gaben an, ihre Spielgewohnheiten zumindest manchmal zu verbergen, weil sie fehlende Akzeptanz fürchteten.
Die Verankerung des Spielens in der Kultur verlaufe in zwei Richtungen, glaubt Klimmt: Zum einen sei das Phänomen des "entgrenzten Gamings" zu beobachten: Ob Skater, Geigerinnen oder Reitsportfanatikerinnen, nahezu jede Szene findet heute einen spielerischen Zugang zu den Themen, die ihr wichtig ist. Ein Beispiel dafür ist das Spiel FIFA , dass an die männliche Kultur "Fußballspiel" anknüpft und dessen Verkaufszahlen regelmäßig rekordverdächtig ausfallen. Oder Guitar Hero , das musikkulturelle Themen aufgreift. Schließlich auch Serious Games wie Dafur is Dying , das sich mit der Menschenrechtslage im Sudan befasst. Denn auch um soziale Fragen gruppieren sich selbstverständlich Jugendliche.
Kommentare
Der geringe Frauenanteil ist logisch,
da die Spiele ja ursprünglich als Zeitvertreib für Nerds entstanden und auch heute noch programmiert werden müssen. Wie da die Quoten standen und stehen ist bekannt, ensprechend waren die Spiele für Männer konstruiert. Die Emanzipation in diesem Bereich wird der Markt regeln, dafür braucht er nur etwas Zeit.
Die Frage nach der hedonistischen Entwicklung finde ich sehr interessant, danke für den Artikel.
Einige Aspekte, die weiterhin berücksichtigt werden können
Ich selbst bin auch ein Gamer und das seitdem ich ca 12 Jahre alt war. Das Faszinierenste an Games ist die Interaktivität, die ein intensiveres Erleben ermöglicht. Manche Spiele haben Storylines, die 90% der Hollywoodfilme in die Tasche stecken. Das Wunderbare dabei ist, dass man selbst Einfluss nimmt und die gesamte Entwicklung des Charakters miterlebt und mit prägt. Mir persönlich geht es so, dass ich mich in der Handlung verliere und völlig abschalten kann. Die Gefahr des Suchtverhaltens ist dabei nicht zu leugnen, denn wer würde bei einem guten Film bei der Hälfte abbrechen wollen??
Ein anderer Aspekt ist die Weiterentwicklung der E-Sports-Szene. Ich finde es zwar irgendwie befremdlich, aber auch spannend zu sehen, dass Menschen mit Gaming ihr Leben bestreiten können (siehe USA aber va. Südkorea) Gamer werden wie Popstars behandelt und kriegen ähnlich viel Geld. Viele professionelle Gamer ziehen deshalb in diese Länder um mit ihrem Talent und ihrer Vorliebe Geld zu verdienen. Dabei steht meistens nur noch die Liebe zum Spiel und der sportliche Wettkampf im Vordergrund. Diese Entwicklung sickert vermehrt auch in unseren Kulturkreis, wenn auch nur langsam.
Die Hedonismusüberlegung finde ich etwas überzogen, da Menschen einfach vergnügungssüchtig sind und immer waren. Für manche sind es Sex, Sport, Musik, Literatur, Glücksspiel, ... Wenn sich die Spieleindustrie noch weitere Genres & Konzepte erschließt, wird es bald für jeden Menschen eine passende Spielewelt geben.
~ 1023
Obwohl dieser Artikel und wahrscheinlich auch Klimmts Vortrag, so weit man ihn aus dem Text hier erahnen kann, eine der besseren Auseinandersetzungen mit dem Phänomen ist, bleibt der Eindruck einer Beschreibung von außen, inklusive einer Bewertung im Vergleich mit einem auferlegten Soll-Zustand als Wunsch. Letztlich werden nur Aspekte aufgeführt, die von innerhalb evident sind: Sie haben einfach die Aufmerksamkeitsschwelle der nicht Beteiligten überschritten.
Das ist immer noch zu wenig. Dies sieht man besonders beim Verdacht, das Spielen könnte zu einer Verstärkung hedonistischer Lebensbetrachtungen führen. "Da ist was dran", bescheinigt Klimmt im Artikel - und man kann nur hoffen, er hatte im Vortrag mehr zu sagen. Da ist nicht nur etwas dran, sondern es ist Teil des Erfolgsrezeptes vieler Spiele und in gewisser Weise des Spielens überhaupt. Es ist allerdings nicht der einzige Faktor für den Erfolg, so dass eine differenziertere Betrachtung notwendig wäre. Trotzdem lässt sich bereits hier die Fragerichtung umkehren. Dazu muss es gar kommen, da die Spiele als Produkte ja nicht mit einem Erziehungsziel, sondern mit der Absicht kommerziellen Erfolgs erstellt werden. Dann wären Spiele nur die Reaktion auf einen gesellschaftlichen Wandel, ihr Erfolg ergibt sich als passendes Werkzeug für eine Wunschbefriedigung. Das "Spiele sollten auch..." wird dann zu einer naiven, funktionsuntüchtigen Idee, die auch noch an den falschen Ursachen ansetzt.
Witzig
Wenn es um Fußball geht holt man sich Fußballer, oder Trainer zum Gespräch. Wenn es um Literatur geht, dann Schriftsteller.
Wenn es um Probleme in der 3ten Welt geht, dann Helfer, die dort tätig sind.
Wenn es um PC Gamer(Players)geht, dann treten immer irgendwelche selbsternannten Intellektuellen an die Front und wollen anderen Schlaumeiern die Welt erklären.
Ein Wüstenfuchs erklärt dem anderen, wie der Eisbär im kalten Wasser schwimmt.
Deutschland hat einen verklemmten Umgang, mit Spielen auf dem Bildschrim. Schämt Euch Landsleute. :-)
Wir Gamer sind überall! :-) Wir sind über 30, 40, oder älter. Wir bereisen die ganze Republik und Europa, um unsere Freunde, die wir virtuell kennengelernt haben, zu treffen. Wir setzen Trends, bewegen eine viel Millarden-industrie.
Jeder Sport, der von ein paar Tausend betrieben wird, bekommt in Deutschland, seine Sendezeit im ARD/ZDF. Gamer sind Millionen, die größte Freizeitgemeinschaft der Welt.
Habt Ihr Euch heute schon mit einem Japaner unterhalten?^^
Wenn die Zeit mal wieder einen Artikel über Player schreiben will, nehmt Euch einen Gamer zu Hand. Keinen
noch geschlechtslosen kleinen Freak, sondern einen Mitmenschen aus eurer Umgebung. :-)
Greetz vom Herren Lang, gaming since 1985