Markus Reiter ist Kommunikationstrainer, Journalist und Medienberater. Der Diplom-Politologe war stellvertretender Chefredakteur von Reader's Digest Deutschland und von 2000 bis 2002 Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung .
ZEIT ONLINE: Wer ist denn Ihrer Meinung nach Dumm 3.0?
Markus Reiter: Im Netz lässt sich schwierig herausfinden, wer dumm ist und wer nicht. Das ist ja genau das Problem. In der alten Welt der Medien gab es Gatekeeper, also zum Beispiel Journalisten, die versuchten, das Gute und das weniger Gute, das Richtige und das Falsche zu trennen. Und wenn es diese Institutionen eines Tages nicht mehr gibt, dann müssen Sie all das selber machen. Und vor dieser unglaublichen Menge an Informationen werden viele kapitulieren.
ZEIT ONLINE : Aber findet im Netz nicht vielmehr eine unglaubliche Demokratisierung statt?
Reiter: Ich glaube, dass das eine Täuschung ist. Letztlich werden sich im Netz jene soziodemografischen Eliten behaupten, die sich auch in der alten Welt behauptet haben. Also die Zahl der mit Relevanz bloggenden Münchner Taxifahrer mit Migrationshintergrund oder der bloggenden Kriegerwitwen ist beschränkt. Wenn Sie sich anschauen, wer im Netz relevante Kultur oder Information produziert, dann sind das Leute, die entweder in den alten Medien bereits Erfolg hatten, oder die in den alten Medien Erfolg gehabt hätten, wenn es das Internet nicht gegeben hätte.
ZEIT ONLINE: Was ist denn mit YouTube, wo in der Minute 24 Stunden Videomaterial hochgeladen werden, größtenteils kleine, selbst produzierten Filmaufnahmen. Ist es nicht toll, dass das alles dort auch sein Publikum findet?
Reiter: Wenn Sie sich im Netz zum Affen machen wollen, haben Sie immer ein Publikum. Aber das ist ja nichts, was eine gesellschaftliche Relevanz bekäme. Wenn Sie so wollen: Sie haben Brot und Spiele. Und im Moment hat die gesellschaftliche Elite den Vorteil, dass sie die Spiele noch nicht einmal selber bieten muss, sondern dass die Leute sie selbst veranstalten.
ZEIT ONLINE: Wo ist das Problem?
Reiter: Ich wende mich im Wesentlichen gegen die Heilserwartung, die Internetapologeten oder selbst ernannte Evangelisten an das Internet stellen. Also gegen den Glauben, dass das Internet emanzipatorisch wirke und dass jetzt neue Möglichkeiten der Demokratisierung bestünden. Es ist hier schlicht ein Machtkampf im Gange zwischen den Eliten der alten Medien und denjenigen, die an die Fleischtöpfe wollen.
Kommentare
Wirklich langweilig
Das die Menschen sich nicht ändern ist allbekannt, doch worauf er hinauswill ist mehr als langweilig und auch wenn ein körnchen Warheit drinn ist, sind es immer noch Gedanken Relikte aus der frühen Vorzeit :)
"Wenn Sie sich zum Affen machen wollen..."
ihr und jetzt mein kommentar paßt wunderbar unter diesen interessanten artikel.
Ja, und?
Der Mann hat zwar recht, wenn er harsch zwischen Qualität und Quantität trennt (v.A. im letzten Absatz), doch lässt er eines aus den Augen: Das ist immer so. Die Bild-Zeitung, die möglichst viele Menschen zu erreichen versucht ist auch als "altes" Medium nicht sonderlich vertrauenswürdig. Gleichmachung, Veralgemeinerung bis hin zu Informationsverfälschung ist immer ein Phänomen der Masse. Das ist natürlich und erstreckt sich von schlechter Berichterstattung über "Unterschichtenfernsehen" bis hin zu Twitter quer durch alles, was der Mensch an Kommunikation aufbietet (man denke an die Universalweisheit: Viele Köche verderben den Brei).
Also Schwamm drüber und ab auf Youtube...
Heilsversprechen sind dumm und überflüssig
Reiter hat schon recht wenn er sagt, dass sich die Menschen nicht ändern. Bisher ist noch fast jede technische Entwicklung mit den abstrusesten Heilsversprechen begleitet worden, die sich durch die Bank nicht erfüllt haben. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass das beim Internet anders sein wird.
Die Dampfmaschine, die Eisenbahn, das Auto, der elektrische Strom, das Telefon, der Computer, die Raumfahrt, die Entwicklungen in der Medizin usw. haben tiefgreifende Veränderungen in der Gesellschaft bewirkt, viele davon zum Guten. Aber Verbrechen, Krankheit und Tod sind uns trotzdem geblieben und werden auch die Segnungen des Internets überdauern.
Das Internet ist ein großartiges Ding, das vielen Leuten viele neue Möglichkeiten für alles Mögliche gibt (soziale Netzwerke, Blogs, Download von Daten statt Kauf im Laden, Unterhaltung, Kundenkontakt). Aber der Mensch wird davon nicht weniger egoistisch, grausam und dumm als er schon immer war. Das Internet ist ein Werkzeug, mit dem man viele tolle Sachen tun kann und das ich nicht missen möchte. Man kann es aber - wie alles andere auch - für Verbrechen missbrauchen. Darum sollte man vorsichtig damit umgehen und nicht alles glauben, was die Leute einem so einzureden versuchen.
Dummheit
Der Mann ist ein schönes Beispiel dafür, dass es auf Papier so viel Schwachsinn gibt, wie in Blogs.
Er erkennt ja selbst, dass ähnliche soziale Gruppen im Internet publizieren, wie es offline der Fall ist. Es gibt also auch im Internet entsprechende soziale Strukturen und damit Quellen unterschiedlicher Relevanz und Glaubwürdigkeit. Das publizieren ist billiger geworden und hat eine potentiell höhere Reichweite bei gleichem Aufwand. Das wird die Gesellschaft ändern, wie der Buchdruck sie auch geändert hat, aber es wird eben auch nicht zum Verschwinden gesellschaftlicher und damit publizistischer Strukturen führen.
Das "soziale Netzwerke"-Argument ist ohnehin Schwachsinn, soziale Netzwerke dienen im Wesentlichen der Kommunikation. Informationsbeschaffung ist davon erstmal unabhängig. Natürlich tauschen die Leute auch relevante Information untereinander aus, aber das war ja nun auch schon immer so.