Das Prinzip Youtube ist erfolgreich, das Portal wächst und wächst. Doch das Netz kann viel mehr als wackelige Filmchen verbreiten, um sich berieseln zu lassen. Wenn das ZDF am Mittwochabend um 23.20 Uhr den Datenschutzkrimi Wer rettet Dina Foxx? ausstrahlt, sollen die Zuschauer ein kleines Stück Netzgeschichte erleben: Gesendet werden nur 50 Minuten der Low-Budget-Produktion, danach kann jeder mithelfen, im Internet den Mord aufzuklären. Zur Verfügung stehen dazu 300 Minuten Videos, Chatrooms und Drittplattformen.
Bislang beschränkte sich Interaktion in öffentlich-rechtlichen Programmen vor allem auf Telefon- oder Onlinevotings. Der SWR traute sich zumindest an ein trimediales Projekt namens Alpha 0.7, das Fernsehen, Radio und Internet verschmolz. Die dort erzählte Geschichte über futuristische Szenarien im Cyberspace war der von Dina Foxx ähnlich – interaktiv aber war sie nicht.
Das soll nun anders sein, eine gemeinsame Schnitzeljagd ist die Idee des ZDF-Krimis. "Der Film ist das Experiment", sagt Milena Bonse aus der ZDF-Zentralredaktion Neue Medien. Derartige Formate verlangen die Initiative des Zuschauers, und eigentlich sind sie auch für eine Zielgruppe konzipiert, die jünger ist als die, die das ZDF hat. Das Experiment aber beweist: Interaktives Web-TV findet seinen Weg in die klassischen Medien.
Der Wunsch nach Interaktivität ist so alt wie das Bewegtbild selbst. Auch Internet-TV als solches gibt es in Deutschland schon mindestens seit 2005. Damals gründeten zwei ehemalige Privatfernsehproduzenten die Seite Ehrensenf.de. Die täglichen Nachrichtenvideos über Fundstücke im Netz wurden bald von Spiegel Online übernommen, 2009 landeten sie kurz im Pay-TV. Auch der von Mario Sixtus initiierte, vom Handelsblatt finanzierte und mit dem Grimme-Online-Preis 2007 ausgezeichnete Podcast Elektrischer Reporter fand aus dem Netz ins Fernsehen. Es war das erste originäre Internetformat, das diesen Weg ging.
Was Ehrensenf sowie den unzähligen Video-on-Demand-Angeboten von Streaming-Diensten wie Hulu, Vevo oder Netflix jedoch bis heute fehlt, ist die Mitbestimmung der User. Noch immer bleiben sie ungefragt, werden sie zu Zuschauern degradiert. Bislang dürfen sie lediglich entscheiden, wann sie etwas sehen wollen und hinterher angeben, ob es ihnen denn gefiel. Das Was oder das Wie können sie nicht beeinflussen.
Dabei sind aus den Konsumenten längst Prosumenten geworden, die ihre Inhalte selbst herstellen und veröffentlichen. Doch auch dabei gibt es ein Dilemma. Die Menge der Inhalte ist so enorm, dass sie sich nicht wie ein Fernsehsender anschauen lassen. Youtube beispielsweise versucht, seinen Millionen Usern anhand von Algorithmen und Keywords eine Mischung aus Konzertmitschnitten, TV-Fundstücken und Katzencontent anzubieten. Das aber wirkt immer noch zufällig und vergleichsweise willkürlich.
Kommentare
GIGA TV
Ich bin überrascht, wie in jedem Beitrag zur Netzkultur insbesonders in Bezug auf Medien das Projekt GIGA vergessen - ja, gar ignoriert wird.
Das soll keine Kritik an diesem Artikel sein. Es enttäuscht aber, wenn man immer wieder ähnlichen Zeilen wie jene liest: "Fernsehen wandert ins Netz, und das Netz wandert ins Fernsehen. Doch es fehlt die Verbindung beider Ideen, echter Austausch mit dem Nutzer.", und man nirgends auch nur das Stichwort "GIGA" liest.
GIGA ist heutzutage nur noch ein verblasster Schatten dessen, was es einmal war. Und dennoch kann man Kernelemente des damaligen Projekts, in denen es um 'Community' und 'aktive Teilnahme' handelt, auf der immernoch betriebenen Homepage nachlesen.
"GIGA.DE ist die einzigartige Mischung aus Gaming, Lifestyle und Community. Neben redaktionellen Content zu den Bereichen Games, Fun, Technik/Gadgets und Kino/DVD, haben User die Möglichkeit sich aktiv an der Webseite und deren Inhalt zu beteiligen und eigene News, Artikel, Reviews und Videos einzuschicken. Ergänzend dazu gibt es ein tägliches Live-on-Tape Video in dem die Highlights der Webseite und aktuelle Themen der Community thematisiert werden."
Das ehemalige Format wurde bereits 1998 ins Leben gerufen. Mit 13 Jahren im rasanten Internet ist GIGA somit schon wahrlich ein alter Dino. Und war - wie es scheint - seiner Zeit voraus. Man sollte dem mit einer angemessenen Aufmerksamkeit begegnen.
Mit freundlichen Grüßen
banause
Wenn schon Interaktiv, dann ...
... wäre es evtl. eine Idee, den Film selbst von den Zuschauern steuern zu lassen. Alternative Enden sind gedreht, der Film spaltet mehrfach in seiner Handlung auf, und während der Erstaustrahlung gibt es ein Internet-Portal, in dem die Zuschauer den weiteren Fortgang bestimmen. Während eines Zeitfensters - der Film läuft weiter, am besten wird eine Entscheidung gerade ausdiskutiert - kann aus Entscheidungsmöglichkeiten der Hauptperson gewählt werden. Vielleicht dann die Werbepause (auch wenn ich so was hasse, aber die Idee muss jetzt mal gesponnen werden). So hat man "Macht" über die Hauptperson und wird tiefer in die Geschichte hinein gezogen.
Einen Tag nach der Ausstrahlung kann man dann im Netz alle Varianten des Film/der Folge ansehen, so dass nichts umsonst gedreht wurde, und der Zuschauer weiter bei der Stange bleibt.
Bin mal gespannt, ob diese Idee mal umgesetzt wird.
Das gibt es schon lange
Die Idee ist nicht neu und gibt es schon lange. Es nennt sich "Computerspiel". Vielleicht haben Sie davon schon mal gehört? Funktioniert aber leider trotzdem nicht so wie man sich das vorstellt weil eine Geschichte meiner Meinung nach nicht spannender wird, wenn man den Spieler die Äste des Geschichtenbaumes aussuchen lässt und das Spielerlebnis einfach nur auf "Knöpfchendrücken" reduziert wird. Das sieht man schön am Beispiel Heavy Rain: http://www.marctv.de/blog...
Heavy Rain
Interaktives Fernsehen sollte so sein wie das Game Heavy Rain. 18 verschiedene Enden hat das spiel und der Spieler trifft die richtungsgebenden Entscheidungen.
Eine perfektere Vorlage gibt es nicht.