Ilona A. hat keinen Computer und keinen WLAN-Router, sie hat auch keine anderen "internetfähigen Gerätschaften" in ihrer Wohnung. Trotzdem sollte die pflegebedürftige Berliner Rentnerin 651,80 Euro zahlen, weil unter ihrer IP-Adresse ein illegal kopierter Film in einer Tauschbörse angeboten worden war.
Die erste Instanz hatte die Forderung der Epix Media AG noch bestätigt, doch jetzt stoppte ein Berufungsgericht diesen Irrsinn. Das Landgericht München I wies die Klage gegen sie ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, aber es ist eindeutig: Die Rentnerin muss keine Abmahnung und keine Gerichtskosten bezahlen, die Forderungen zur Haftung seien überspannt gewesen, urteilte das Landgericht.
Was wie eine Posse klingt, hat einen ernsten Hintergrund, der wohl noch oft Gerichte beschäftigen wird: Wie weit geht die Haftung, wenn man einen Internetanschluss hat? Wer muss was beweisen, wenn ihm Filesharing vorgeworfen wird?
Wer einen Netzanschluss hat, ist verdächtig
Denn einen Anschluss besaß die Frau durchaus. In ihrer Wohnung stand einst auch ein Computer, der ihrem früheren Freund gehörte. Doch hatte sie nach der Trennung den Rechner an ihre Tochter verkauft – ein halbes Jahr bevor die ihr vorgeworfene Urheberrechtsverletzung begangen wurde.
Der Filmfirma genügte das nicht als Begründung. Wer einen Anschluss hat, der ist dafür verantwortlich, lautete ihre Argumentation. Dabei sei es egal, ob derjenige einen Computer hat oder nicht. Immerhin könne die Frau beim Verkauf des Rechners ja auch das Passwort für den Anschluss weitergegeben haben.
Die erste Instanz war dieser Argumentation noch gefolgt. Die Frau sagte vor Gericht, sie schlafe zur fraglichen Zeit immer und einen Computer hätte sie eben auch nicht. Das Gericht interessierte sich nicht für die Realität, auch nicht für die Beteuerung von Zeugen, die Frau könne, selbst wenn die Technik vorhanden gewesen wäre, weder einen Computer bedienen noch eine Website öffnen. Es war auch egal, dass gewalthaltige Filme über prügelnde Jugendliche vielleicht nicht unbedingt das sind, was Rentnerinnen gern sehen.
Um Logik ging es nicht, sondern um die sogenannte Störerhaftung. Damit offenbart der Fall Probleme, die Kritiker des Abmahnwesens schon lange bemängeln.
Da ist zuerst einmal die IP-Adresse. Eine private Firma hatte im Auftrag der Filmfirma das Netz durchforstet. Ihre Software namens FileWatch beobachtete die Tauschbörse eDonkey und stieß dabei am 4. Januar 2010 um 9.10 Uhr auf eine IP-Adresse. Unter der war der Film Kategorie C – deutsche Hooligans zum Download angeboten worden. Diesen Film gibt es auch ganz legal als Stream im Netz, aber das nur nebenbei. Bei der anschließenden Nachfrage teilte der Provider mit, dass diese IP-Adresse zu dieser Zeit zum Anschluss von Ilona A. gehört habe.
Kommentare
IP Adresse
kann auch gefälscht werden...
Ja, und nicht nur die...
...sondern auch die MAC Adresse.
andere Frage
Wäre es auch meine Schuld, wenn jemand mit 90%iger Wahrscheinlichkeit von meinem Grundstück aus einen Stein auf ein Auto geworfen hätte (in meiner Abwesenheit)?
Im Zweifel für den Angeklagten
Dieses Prinzip darf auch hier nicht angetastet werden. Umso mehr, also niemand jemals sein Wifi gänzlich sichern kann!
"Im Zweifel für den Angeklagten..."
... ist kein Prinzip aus der deutschen Justiz. Es stammt von den Römern.
In Deutschland kommt es nur darauf an, was das Gericht glaubt. Es muss nicht erwiesen sein. Justiz scheint in Deutschland eine Religion zu sein.
Haftung und so weiter
das ist ja bei GEZ ähnlich, nur weil man einen Computer hat, der "theoretisch" die ÖR empfangen könnte, sollte man diese Gebühr zahlen.
Das ist ein ähnlicher Unfug. Genau wie diese hohen Abmahnungskosten, Profit für Medienkonzerne/Verlage wie für Rechtsverdreher.
Ein interessanter Vergleich
aber ich denke - mit Verlaub - das ist nicht ganz vergleichbar. Bei der GEZ handelt es sich um eine Gebühr die schon fast den Charakter einer Steuer hat (auch bei der Einkommensteuer profitieren einige mehr von der damit finanzierten Leistung als andere) - während es in der Story hier um eine Strafe ging.