Der Ausschuss Industrie, Forschung und Energie (ITRE) des Europäischen Parlaments entscheidet über den Entwurf zur Netzneutralität. Bislang kannte das Internet kaum Hierarchien. Jeder Dienst und jede Website bekommt die gleiche Bandbreite. Jedes Datenpaket ist also gleich viel wert. Doch das Prinzip könnte mit der heutigen Abstimmung der Abgeordneten geschwächt werden, darauf deuten die bisherigen Kompromissvorschläge hin.
Konkret geht es um den Entwurf über einen gemeinsamen Markt in der elektronischen Kommunikation. Der soll im April dieses Jahres dem EU-Parlament vorgelegt werden und den Telekom-Binnenmarkt in Europa novellieren.
Üblicherweise erarbeiten die Fraktionen in den Ausschüssen einen gemeinsamen Kompromissentwurf. In diesem Fall aber konnten sich die Mitglieder des Industrie-Ausschusses im Vorfeld nicht einigen. Es gibt mehrere Kompromissvorschläge. Welcher angenommen wird, ist ungewiss. Es wird wohl zu einer Kampfabstimmung kommen.
Der ursprüngliche Vorschlag des Entwurfs kam von Neelie Kroes, der EU-Kommissarin für die Digitale Agenda. Dieser war stark umstritten, es gab zahlreiche Änderungsanträge. Die Debatte zog sich über mehrere Monate. Vergangenen Donnerstag hat die Berichterstatterin Pilar del Castillo Vera von der Europäischen Volkspartei (EPP) ihre Kompromissvorschläge durchgesetzt und die Diskussionen im Ausschuss damit abgewürgt. Die Sozialdemokratin Catherine Trautmann wird in der heutigen Abstimmung dennoch ihrerseits einen Kompromissentwurf zur Abstimmung einbringen. Auf der Website von Save the Internet sind beide Kompromissvorschläge gegenübergestellt.
Der Entwurf hat erhebliche Unschärfen
Besonders problematisch an dem Ursprungsentwurf sind schwammige Begriffe und Formulierungen. Unter anderem ist mehrfach die Rede von Specialised Services. Das Problem: Was genau der Text damit meint, ist nirgends beschrieben oder definiert. Diese Ungenauigkeiten könnten die Netzneutralität am Ende gefährden.
In der Regel versteht man unter Specialised Services Angebote wie die Streamingdienste Netflix und YouTube. Also datenaufwändige Angebote, die zeitweise bis zur Hälfte des gesamten Datenstroms im Internet ausmachen. Bereits in den vorangestellten Rezitals des Entwurfs ist davon die Rede, dass Provider spezielle Verträge mit diesen Services abschließen können. Auch in den Kompromissvorschlägen del Castillos finden sich ähnliche Umschreibungen, die das nicht ausschließen, etwa im Artikel 2.15.
Viele befürchten, dass das die Netzneutralität untergräbt. Denn wird etwa der Service von YouTube begünstigt, ist für andere Dienste weniger Bandbreite da. Vor allem kleine Seiten, innovative Angebote, Blogs und Start-ups würden darunter leiden. Sie werden sich die teuren Breitbandpakete kaum leisten können. Der Abstand zu den großen Konzernen wie Google und Facebook würde damit immer größer. Am Ende dieser Entwicklung könnte eine Zweiklassengesellschaft im Netz stehen.
Kommentare
Netzneutralität, Beispiel Telekom
Prinzipiell bin ich ein Freund der Netzneutralität und bin dagegen, dass Dritte Anbieter von den Providern unterschiedlich behandelt werden. Jedoch würde ich eine Ausnahme bei den eigenen Diensten der Provider akzeptieren.
Als Beispiel sei hier die Telekom mit ihrem Produkt Entertain aufgeführt. Wenn die Telekom bei einem Volumenvertrag ihr IPTV bei der Berechnung rausnimmt, dann ist das in Ordnung, weil es Kernbestandteil des Vertrags ist und IPTV ja eigentlich nicht zum klassischen Surfen oder Streamen zählt.
Wenn allerdings Youtube dafür bezahlen kann, dass es beispielsweise gegenüber vimeo bevorzugt behandelt wird, dann ist das absolut nicht in Ordnung aus den oben genannten Gründen.
Im Zweifel für die Netzneutralität!
Naja.
Naja, ganz so leicht ist es ja nun nicht.
Die Telekom würde Youtube dann sicherlich nicht einfach nur von einer Drosselung ausnehmen, sondern sie würde Youtube doch höchstwahrscheinlich werbewirksam zu einem Teil ihres Entertain-Pakets machen. Ich wüsste aber nicht, was daran jetzt besser sein sollte. Praktisch macht es nämlich keinen Unterschied, ob ein Dienst einfach so bevorzugt wird, oder ob die Telekom noch ihr magenta Logo danebensetzt. Die Netzneutralität wäre so oder so dahin.
Vorwärts in die Steinzeit
>>Der US-Provider Verizon hatte gegen das Prinzip der Netzneutralität geklagt. Die gleichberechtigte Behandlung aller Datenpakete verstoße unter anderem gegen die freie Meinungsäußerung.<<
Allein das sollte genügen, um klarzumachen, was Großkonzerne von Netzneutralität halten. Wenn also alle Daten gleichwertig sind, ist das ein Verstoß gegen die freie Meinungsäußerung?
Heißt doch übersetzt nichts anderes, als daß derjenige, der am lautesten schreit, sich am Ende durchsetzt. Wer also am meisten Geld auf den Tisch legt, kriegt die Bandbreite, alle anderen gucken in die Röhre...oder die Glasfaser, von mir aus.
Super, ich kenne die Idee eines Datennetzes, in dem Konzerndaten immer mit "Drei-Sterne-Priorität" befördert werden, aus einem SF-Roman.
Der ist von 1975 ;-)
Das ist doch schon Realität
Zitat: „Heißt doch übersetzt nichts anderes, als daß derjenige, der am lautesten schreit, sich am Ende durchsetzt. Wer also am meisten Geld auf den Tisch legt, kriegt die Bandbreite, alle anderen gucken in die Röhre...oder die Glasfaser, von mir aus.“
Bei uns wurden damals Glasfaserkabel von Kabel Deutschland verlegt und Telekom und andere Anbieter bieten die höchste Geschwindigkeit an.
Mit laut schreien hat das wenig zu tun.
Wie sieht es auf dem platten Land aus? Hohe Kosten für die Verlegung neuer Kabel und wenig Nutzer, selbst wenn alle Angeschlossen das Angebot nutzen würden.
Neutralität auf Autobahn
Datenautobahnen sind eine quasi-öffentliche Infrastruktur und sollten diskriminierungsfrei sein.
Wer gegen Netzneutralität ist, der sollte auch dafür sein, dass man sich auf einer Bundesautobahn gegen Gebühr von jedem Tempolimit freikaufen kann.
Sollen doch die C-Parteien ihre alten Spruch "Freie Fahrt für Freie Bürger" einfach mal aufs Netz übertragen!
Es kann kein Menschenrecht sein
unbegrenzt Unmengen von Daten schnell aus dem Netz zu beziehen.
Wer das möchte muss halt dafür bezahlen.
Also war das Angebot der Telekom sehr fair. Ab einer bestimmten Datenmenge wird gedrosselt oder man bezahlt mehr.
Wer laufend Filme von einem bestimmten Anbieter sehen will, der bezahlt entweder mehr an die Telekom oder den Filmeanbieter, der wiederum die Telekom bezahlt. Insofern würde die Telekom das Geld an sich selber bezahlen.
Mit diesem Geld können die Netze weiter ausgebaut werden.
Das ist meine Meinung dazu, weil ich Sendungen werbefreier Nachrichtensender sehe. Diese haben keinen Vorteil davon, dass ich ihre Sendungen sehe. Die Datenmenge ist überschaubar.
Eine Verletzung einer Netzneutralität sehe ich bei einer Drosselung ab einem bestimmten Dateivolumen nicht.
Abwürgen
ist und bleibt abwürgen, bis zum ersticken.
Würde ich jeden Tag mehrere Filme anschauen, hätte ich vielleicht mein Kontingent schon nach 14 Tagen ausgeschöpt.
Und was mache ich an den restlichen Tagen des Monats?
Fernsehen?