Die EU-Kommission hat am Dienstag ihren neuen Entwurf zur ePrivacy-Verordnung vorgelegt. Damit reagiert die Kommission vor allem auf Überarbeitungsbedarf, der sich aus der neuen Datenschutzgrundverordnung ergibt, die ab 2018 in Kraft tritt. Betroffen sind der Datenschutz bei Chat- und Voice-over-IP-Anwendungen und die Regeln für Cookies und Werbung.
Aktivisten sehen in dem derzeitigen Entwurf einige Fortschritte im Vergleich zu einer früheren Fassung des Dokuments, aus der Wirtschaft kommt hingegen Kritik und die Warnung vor zu weitgehender Regulierung. Die ePrivacy-Richtlinie soll künftig durch eine direkt anwendbare Verordnung ersetzt werden. Europäisches Parlament und Mitgliedsstaaten werden die Regeln nun beraten und verabschieden.
Umgang mit Cookies soll einfacher werden
Die EU-Kommission will unter anderem den Umgang mit Cookies vereinfachen. Derzeit müssen Website-Betreiber bei der Verwendung von Cookies entsprechende Warnmeldungen anzeigen, die die Nutzer per Klick bestätigen oder ignorieren. Künftig soll für Cookies, "die keine Gefährdung der Privatsphäre darstellen", keine explizite Zustimmung der Nutzer mehr notwendig sein, andere Regeln rund um Cookies sollen "gestrafft" werden. Auch Cookies, die rein der Erhebung der Nutzerzahlen einer Website dienen, sollen nicht mehr zustimmungspflichtig sein. Cookies von Drittanbietern wie etwa Werbenetzwerken hingegen sollen vom Browser künftig standardmäßig geblockt und nur nach Einwilligung vom Nutzer aktiviert werden.
Mit der Verordnung soll auch der Versand von Spam gänzlich untersagt werden, wenn der Nutzer nicht in den Empfang eingewilligt hat. Das gilt für verschiedene Kommunikationsformen wie E-Mail, SMS und "im Prinzip auch" für Telefonanrufe, wie die Kommission schreibt. Die Mitgliedsstaaten sollen regeln können, dass Nutzer die Möglichkeit bekommen, sich auf einer Sperrliste gegen unerwünschte Werbeanrufe einzutragen. Außerdem muss grundsätzlich die Rufnummernanzeige aktiviert werden, durch eine spezielle Vorwahl soll außerdem von vornherein ersichtlich sein, dass es sich bei dem Anruf um Telefonmarketing handelt.
Die Reform des Datenschutzrechts wird komplett
Auch der Anwendungsbereich der Regeln soll ausgeweitet werden, künftig fallen auch moderne Kommunikationsdienste wie WhatsApp, Skype und andere Voice-over-IP-Dienste unter die gleichen Regeln wie klassische Telekommunikationsanbieter. Der Grüne Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht begrüßt die Regeln im Prinzip. Er sagte: "Mit diesen Vorschlägen macht die Europäische Kommission die Reform des Datenschutzrechts komplett. Es war ein längst überfälliger Schritt ins digitale Zeitalter, die Datenschutzregeln für elektronische Kommunikation auch auf Dienste wie Skype oder WhatsApp anzuwenden."
Im Detail sieht er aber Nachbesserungsbedarf, denn "Anbieter
elektronischer Kommunikation sollen in Zukunft die Daten der Nutzer
verfolgen und für kommerzielle Zwecke nutzen dürfen, solange die
Betroffenen dies nicht ausdrücklich verbieten." Damit bleibe die Erfassung des Surf-Verhaltens oder der App-Nutzung nach Zustimmung erlaubt.
Neue Rechtsunsicherheiten?
Die Organisation European Digital Rights sieht noch Nachbesserungsbedarf. Immerhin habe die Kommission "den extremsten Wünschen aus einigen Bereichen der Industrie" widerstanden, der heutige Text sei deutlich besser als ein geleaktes Dokument aus dem vergangenen Herbst. Um das Vertrauen in digitale Kommunikation wirklich zu verbessern, sei aber noch viel zu tun, sagte Joe McNamee, Geschäftsführer der Organisation, im Gespräch mit Golem.de. Eine detaillierte Analyse des Entwurfes soll demnächst folgen. Tatsächlich hatte eine Allianz von Tech-Firmen die weitgehende Abschaffung der ePrivacy-Verordnung gefordert, diese sei nicht mehr notwendig.
Auch der IT-Industrieverband Bitkom begrüßt den Entwurf grundsätzlich, einheitliche Regelungen für die Wirtschaft seien sinnvoll. Problematisch seien aber "Parallelregeln" zur bestehenden Datenschutz-Grundverordnung. "Die kürzlich beschlossene Datenschutz-Grundverordnung (DSGV) etabliert bereits ein flächendeckend hohes Datenschutzniveau", sagte Susanne Dehmel, die bei Bitkom den Bereich Datenschutz und Sicherheit verantwortet.
In der Neufassung der ePrivacy-Verordnung würden "nun für viele digitale Dienste davon abweichende Regeln vorgeschlagen". Das sei "aus Sicht der Digitalwirtschaft nicht notwendig und führt zu neuen Rechtsunsicherheiten".
Insbesondere im Bereich der Einwilligung in die Datenverarbeitung gebe
es abweichende Regelungen, in einigen Bereichen würde diese Einwilligung
"eine Datenverarbeitung in vielen Fällen komplizierter oder nahezu unmöglich" machen.
Drastischer drückt es der Vizepräsident des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW), Thomas Duhr aus, er bezieht sich dabei auf die notwendige explizite Zustimmung der Nutzer zum Einsatz von Drittanbieter-Cookies: "Diese Verordnung stellt etablierte und von den Verbrauchern akzeptierte Geschäftsmodelle infrage und negiert fundamentale Prinzipien der Digitalen Wirtschaft. Das Internet, wie wir es heute kennen, wird es damit nicht mehr geben."
Kommentare
Mit Addons wie "Cookie Whitelist" hat man die Kekse gut im Griff. Wäre aber schön, wenn diese nervigen "Wir nutzen Cookies"-Hinweise wieder verschwinden.
Die Cookieliste ist voll und bei den allermeisten erkenne ich absolut keinen Nutzen.
Dann gibt es noch ein paar die insgeheim die Zugriffe mitzählen und nach einem knappen Dutzend auf ein Bezahlangebot locken wollen. Erst recht kein Nutzen.
Mit der Definition von Spam macht man es sich zu einfah. Einfach mal allen Bekannten Weihnachtsgrüße zu schicken ist dann ohne professionelle Software nicht mehr möglich und die muß sich im Gegenzug erst mal bezahlt machen.
Ein Bedarf besteht auch bei vernünftigen Software AGBs. Und jetzt kommen sie nicht das geht nicht. In Wohnungs-Mietverträgen tobt sich der Gesetzgeber auch zu Gunsten des zahlenden Kunden aus.
Cookies sind das das geringste Problem. Wieso sind Browser erlaubt, die es Webseiten ermöglichen den Browserverlauf zuzugreifen. Warum sind Tracker erlaubt.Man kann zwar alles sperren aber kaum einer macht es schon aus Unwissenheit. Macht man alles dicht kann man das Internet vergessen. Cookies ersparen z. B. ständige Anmeldungen, sind eigentlich ein Service. Die anderen genannten Punkte sind jedoch richtig übel.
"Wieso sind Browser erlaubt, die es Webseiten ermöglichen den Browserverlauf zuzugreifen."
Es ist nicht Sache des Gesetzgebers, bestimmte Software zu verbieten. Solcherlei Lizensierungen würden hohe Einstiegshürden für Neuanbieter oder Gruppen von Software-Idealisten schaffen und die Monopolisierung und Konzerndominanz noch weiter befördern.
"Warum sind Tracker erlaubt."
Es mag extrem klingen und ich finde die unappetitlich, aber sie sind eine gute Herausforderung. Die unkontrollierten Geheimdienste würden sowieso tracken und so sind wir uns dessen wenigstens bewusst, haben das auf dem Schirm und können Gegenmaßnahmen ergreifen.(TOR, etc..)
"Macht man alles dicht kann man das Internet vergessen."
Nein!! Gute Webseiten kann man mit abgeschalteten Skripten nutzen, leider werden die schlechten immer zahlreicher. Insgesamt ist der Informationswert des Netzes in den letzten Jahren abgefallen. Gute informative Webseiten verschwinden, neuer "klickibunti"-Kram erscheint, der nur -entschuldigung- Kommerzdreck ist und keine echte Information transportiert. Das freie, informative Web schrumpft, aber das Gesamtvolumen in einzelnen Konzernsilos(a la Facebook oder Youtube) explodiert bei meist abysmaler Qualität.
Man könnte depressiv werden...
Nicht auf die EU warten. Man sollte jetzt schon Threema statt WhatsApp nutzen.