Es geht schon beim Namen los: Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Sollen damit Netzwerke durchgesetzt werden? Auch die offizielle Kurzform NetzDG macht es nicht besser. Hört sich nach einer Tochterfirma der Deutschen Bahn an. Eine Steilvorlage für Wortspiele wie Netzwerkzersetzungsgesetz. Der neueste Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium lädt geradezu ein zu kreativem Protest! Aber erst einmal kommt der juristische.
Der Vorschlag von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) "zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken" wird gerade von Anwälten, Industrie und Bürgerrechtlern zerpflückt, weil er verfassungs- und europarechtswidrig sei, eine Aufgabe der Politik auf die Privatwirtschaft abwälze und vor allem gravierende Folgen für die Meinungsfreiheit habe.
Auf der Website des Justizministeriums ist der Entwurf bisher nicht veröffentlicht, nur eine Zusammenfassung. ZEIT ONLINE hat sich den 29-seitigen Entwurf aber vom Ministerium zusenden lassen, hier ist er (als PDF-Datei). Die wichtigsten Kritikpunkte haben wir im Überblick:
1. Alles außer Dating? Welche Netzwerke betroffen sind
Laut Paragraf 1, Absatz 1 betrifft das NetzDG "Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die es Nutzern ermöglichen, beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen, zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (soziale Netzwerke)". In erster Linie gemeint sind Facebook, Twitter, YouTube, es schließt aber auch Messenger wie WhatsApp und Apples iMessage mit ein, was auch klar aus der Gesetzesbegründung (Seite 18 des Entwurfs) hervorgeht.
Unklar ist nach Ansicht von netzpolitik.org, ob auch Filehoster wie Dropbox oder Flickr und Videochatdienste wie Skype unter die Definition fallen. Wenn ja, sei das Gesetz viel weitgehender, als Maas immer in Aussicht gestellt hatte.
Eindeutig nicht betroffen sind Medien wie zum Beispiel ZEIT ONLINE, die ihre Inhalte selbst verantworten, und auch keine sozialen Netzwerke mit weniger als zwei Millionen Nutzen in Deutschland, wobei die IP-Adresse bei der Registrierung maßgeblich ist. Wer sich also aus Wanne-Eickel, aber über einen VPN-Server in Schweden erstmalig in einem sozialen Netzwerk anmeldet, zählt nicht als Nutzer in Deutschland. Ebenfalls nicht betroffen sind "thematisch und personell eingegrenzte Netzwerke", womit Dating-Plattformen und Karriere-Netzwerke wie Xing gemeint sind.
2. Hetze, Bedrohung, Verunglimpfung? Was strafbare Inhalte sind
In den Vorbemerkungen zum Gesetzentwurf haben Maas und seine Referenten zwei Probleme genannt, die sie angehen wollen: Hasskriminalität und strafbare Falschnachrichten, also das, was gemeinhin als Fake-News bezeichnet wird. Beides wollen sie aus den sozialen Netzwerken verbannen. Da die beiden Begriffe aber keine juristischen sind, müssen andere herhalten. Als rechtswidriger Inhalt im Sinne des NetzDG gilt demnach alles, was den Tatbestand der Paragrafen 86, 86a, 90, 90a, 111, 126, 130, 140, 166, 185 bis 187, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllt.
Das umfasst Volksverhetzung, Bedrohung, Verleumdung, die öffentliche Aufforderung zu sowie die Androhung und Belohnung von Straftaten, die Verbreitung von Propaganda verfassungswidriger Organisationen, aber auch die Verunglimpfung des Bundespräsidenten und des Staates und seiner Symbole, also zum Beispiel die Nationalhymne. Reporter ohne Grenzen nennt den Straftatenkatalog "willkürlich zusammengestellt". Der Rechtsanwalt und Juraprofessor Niko Härting fragt, warum die verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen (Paragraf 90 b StGB), also zum Beispiel der Regierung, nicht in den Katalog aufgenommen wurde. Auch die "Verletzung von Privatgeheimnissen" (Paragraf 203 StGB) fehlt ihm. Er nennt die Liste im Entwurf zum NetzDG deshalb "kunterbunt und kaum nachvollziehbar" und bezweifelt, dass die Begriffe Hasskriminalität und strafbare Falschnachrichten damit wirklich abgedeckt sind. Das Gesetz würde sein Ziel demnach verfehlen.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast wiederum bemängelt, der Entwurf umfasse "nur strafbare Inhalte". Das eigentliche Problem sei aber doch, "wie Facebook und andere eigentlich mit Hass umgehen, mit
Zersetzung, mit einer Diskriminierung, die noch nicht strafbar ist". Wie der Justizminister die Unternehmen zwingen sollte, gegen nicht strafbare Inhalte vorzugehen, sagt sie allerdings nicht.
Kommentare
gegen beleidigung, verleumdung etc. gibt es bereits gesetze, die nur mal zur anwendung kommen müssten.
es sollte sozialen netzwerken nicht zukommen, zu beurteilen, was meinung ist und was nicht, das mündet nur irgendwann in zensur.
Stimmt exakt - niemand hat je ernsthaft vertreten, dass das Internet ein rechtlicher Freiraum wäre.
Dieser ganze digitale Regulierungswahn ist vielmehr ein Versuch, einen Überwachungsstaat durch die kalte Küche einzuführen.
Und Populismus reinster Couleur.
In einer überalternden Gesellschaft versuchen überalterte Parteien ihre überalterte Klientel damit zu beglücken, dass sie das Medium, das ihre Klienten eh als als Teufelswerk wahrnehmen, publikumswirksam knebeln und zerüberwachen.
Das passiert zu Recht, meiner Meinung nach.
Die Forderung ist in den technischen Möglichkeiten der Durchführung eine Katastrophe und damit leider wenig mehr als Aktionismus.
Die Idee von Facebook ein Ministerium für Wahrheit zu gründen um die "Fake News" zu entlarven, mag in den Grundsätzen auch nobel sein, aber in der Praxis doch sehr grenzwertig.
Mit dem #Neuland Internet haben Regierungen kein Monopol mehr auf die "Wahrheit".
Da würde ich als Politiker auch Panik kriegen und zu strengen Maßnahmen greifen, auch wenn dabei das Grundgesetz gebrochen werden muss. Der Versuch ist ja nicht strafbar, oder doch?
Aus der Verlinkung von "Reporter ohne Grenzen":
"Autokraten und Diktatoren aller Welt könnten sich die Auflistung zum Vorbild nehmen, um mit ähnlichen Vorgaben gegen Journalisten und Oppositionelle vorzugehen."
Soweit zum Demokratieverständnis eines Herrn Maas...
Die Meinung von Reporter ohne Grenzen ist eine Einschätzung. Herr Maas hat seine präsentiert. Sie Ihre. DAS ist Demokratie.
Es ist ein erster Entwurf, an dem man arbeiten kann. Ich finde es richtig, dass sich Maas mit diesem Thema beschäftigt und Initiativen ergreift.
"Auf Hass gezielt, die Meinungsfreiheit getroffen"
Die Verbalisierung von Hass ist nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, wenn es bestimmte Tatbestände erfüllt, wie im Artikel ausgeführt. Die Überschrift allerdings insinuiert, Maas wolle Meinungsfreiheit beschneiden. Journalistische Zuspitzung oder Unterstellung?
Nö schlicht die Wahrheit, wenn kein Gericht darüber geurteilt hat, ob es sich bei einer Meinungsäußerung um einen Tatbestand gehandelt hat, ist es ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit deren Löschung zu fordern oder zu erzwingen.