Das Geschäftsmodell
von Cambridge Analytica basiert auf der Annahme, dass Menschen
beeinflussbar sind, wenn man sie medial richtig anspricht: Wer als ängstlich-introvertiert eingestuft wird, dem verkauft man eine Waffe eher als Versicherung gegen Einbrecher, sagen die Targeting-Experten. Wer als konservativ-extrovertiert gilt, bekommt Bilder von der Entenjagd vorgesetzt. Im Optimalfall stuft man jeden Werbespot noch farblich so ab, dass er zum Persönlichkeitsprofil des Rezipienten passt. Tatsächlich ist der beste
Beweis für die Wirksamkeit der gezielten Ansprache die Firma selbst: Mit extrem offensiver
Selbstvermarktung hat sie erfolgreich heiße Luft verkauft. So konnte sie davon ablenken,
dass ihre Microtargeting-Methoden fragwürdig und die versprochenen
Effekte nicht nachgewiesen sind.
Zur Erinnerung: In einem Artikel im Schweizer Magazin aus dem vergangenen Dezember hieß es, Cambridge Analytica habe Psychogramme von 220 Millionen US-Bürgern erstellt, auf der Basis von kommerziell gehandelten Daten, Wählerlisten sowie Facebooklikes und dem sogenannten Ocean-Modell, das auf einer Gewichtung von fünf Persönlichkeitsdimensionen beruht: Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Solche Persönlichkeitsprofile seien für die gezielte Ansprache von Wählern vor allem auf Facebook genutzt worden. Der Artikel endet mit einer nicht beweisbaren Behauptung: "Die Statistiker haben die Wahl gewonnen. Aber nur jene mit der neuen Methode. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass Trump oft über die Wissenschaft schimpfte, aber wohl dank ihr die Wahl gewonnen hat." Die einzigen direkten Quellen: der Erfinder der Profiling-Methode und Alexander Nix, der CEO von Cambridge Analytica.
Der Magazin-Artikel
und die durch nichts belegten Behauptungen von Nix wurden von vielen
Medien (auch
ZEIT ONLINE) kritisiert. Es war nicht
das erste Mal, dass Cambridge Analytica vorgeworfen wurde, mehr
heiße Luft als wissenschaftlich ernst zu nehmende Substanz zu
produzieren.
Gerüchte über wahlentscheidende Technik sind reichlich übertrieben
Trotzdem galt der oberste Datenforscher von Cambridge Analytica im Januar als Stargast auf der Digitalkonferenz DLD in München. Trotzdem wird am kommenden Dienstag die Werbechefin von Cambridge Analytica die Eröffnungsrede der Konferenz d3con halten. Trotzdem soll im Juni ein weiterer Topmanager des Unternehmens auf einem "Zukunftskongress" in Wolfsburg als einer von mehreren "Visionären" auftreten.
Vielleicht sollten die Veranstalter die Einladung nochmal überdenken. Die New York Times hat am Montag einen ausführlichen und alles andere als schmeichelhaften Artikel über Cambridge Analytica veröffentlicht. Die Autoren haben nach eigenen Angaben mit einem Dutzend republikanischer Berater und Wahlkampfhelfer sowie mit ehemaligen und auch derzeitigen Angestellten von Cambridge Analytica gesprochen. Sie alle sagen: Die Behauptungen der Firma seien übertrieben.
Selbst Führungskräfte hätten – sogar öffentlich – eingeräumt, dass man für Trumps Wahlkampf gar keine Persönlichkeitsprofile erstellt habe. Wahlkampfhelfern zufolge hat Cambridge Analytica eine recht bescheidene Rolle gespielt und allenfalls konventionelle statistische Methoden genutzt, um gezielt Menschen mit Wahlwerbung zu erreichen. Auch die noch im Oktober genannte Zahl von 50 Kunden – darunter der Republikaner Ted Cruz – im Rahmen des US-Wahlkampfs war deutlich übertrieben, mehr als zwölf waren es nicht, wie der Zeitung zufolge aus Unterlagen der Wahlleitung hervorgeht.
In Kundenprospekten, die noch in diesem Jahr verteilt wurden, stehe hingegen, die "entscheidende Rolle", die Cambridge Analytica im Wahlkampf gespielt habe, sei "der größte politische Erfolg der Firma in den USA".
In Großbritannien ist der Datenschutzbeauftragte aktiv geworden
Offiziell zurückgenommen
hat ein Firmensprecher auch die frühere Aussage
von CEO Alexander Nix, Cambridge Analytica habe die erfolgreiche Brexit-Kampagne
von Leave.eu befeuert. Vielleicht, weil der britische
Datenschutzbeauftragte eine Untersuchung
über den damaligen Umgang mit personenbezogenen Daten gestartet
hat, beteuert der Sprecher in der New York Times nun,
Cambridge Analytica habe weder unbezahlt noch gegen Geld für
Leave.eu gearbeitet. Entweder lügt der Firmensprecher oder der CEO.
Und noch eine frühere Behauptung von Cambridge Analytica muss als mindestens umstritten gelten. In mindestens einem Vortrag hatte Nix erwähnt, dass auch Facebooklikes in die Erstellung der Psychogramme einfließen. Im Hintergrund war neben den vielen Logos von großen Datenhändlern wie Acxiom auch das Facebooklogo zu erkennen. Einer der Autoren des Magazin-Artikels versichert ZEIT ONLINE, er habe Nix auf Tonband, wie er sagt, "Facebook ist eine unserer Datenquellen". Dennoch hatte sich ein Sprecher im Dezember an die deutsche Ausgabe von Wired gewandt und gesagt: "Wir verwenden keine Facebookdaten."
Dass Cambridge Analytica technisch in der Lage ist, Psychogramme von sehr vielen Menschen zu bilden und Werbung vermeintlich extrem granular auf sie zuzuschneiden, ist überhaupt nicht umstritten. Aber ungeklärt ist, ob die Methode effektiver ist als bisherige Targeting-Ansätze, wann die Firma sie in welcher Ausprägung eingesetzt hat und wann nicht, und wann sie darüber die Wahrheit gesagt hat und wann nicht. So lange Cambridge Analytica immer wieder widersprüchliche Aussagen zu seiner Arbeitsweise macht, sollte man die Firma zumindest nicht zur Zukunft des Targeting, geschweige denn des Online-Wahlkampfs erklären. Und ihre Manager nicht als "Visionäre" und Keynote-Redner engagieren.
Kommentare
oder kurz: Von Nix kommt nichts.
Einer der Autoren des Magazin-Artikels versichert ZEIT ONLINE, er habe Nix auf Tonband,
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Das stelle ich mir sehr komisch vor:
»Hey Du, ich hab Nix aufm Tonband.«
»Und? Soll ich Dir was drauf spielen?«
»Was? Nein! Im Ernst, ich hab Nix aufm Tonband...«
"Dass Cambridge Analytica technisch in der Lage ist, Psychogramme von sehr vielen Menschen zu bilden und Werbung vermeintlich extrem granular auf sie zuzuschneiden, ist überhaupt nicht umstritten."
WER ist denn online überhaupt noch ohne Werbeblocker unterwegs?
Und WER liest online Werbung, wenn es so viel Interessanteres gibt?
Ehrlich, ich habe noch nie verstanden, wozu Werbung überhaupt gut ist.
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Werbung ist zum Geldverdienen da. Ganz einfach. oder von was soll der Journalist sein Gehalt bekommen?
"So lange Cambridge Analytica immer wieder widersprüchliche Aussagen zu seiner Arbeitsweise macht, sollte man die Firma zumindest nicht zur Zukunft des Targeting, geschweige denn des Online-Wahlkampfs erklären. Und ihre Manager nicht als "Visionäre" und Keynote-Redner engagieren."
Immerhin hat man sie durch die gesamte deutsche Presse geschleift und das wird nach dem Brexit und Trump ggf. schon Folgeaufträge gebracht haben...
Sicher. Für mache sind schlechte Nachrichten immer noch besser als gar keine Nachrichten.
Siehe Trump. Damit lassen sich sogar Wahlen gewinnen.
Cambridge Analytic versucht womöglich den Fuss auf dem deutschen Markt zu fassen. Das "OCEAN" Modell von CA wurde auch seitens Sasha Issenberg kritisiert. Isenberg beschreibt in seinem Buch "Victory Lab", wie Data Analytics bei Obamas Campagnen gelaufen ist und meint, dass man derartige Profile gar nicht brauche.
In diesem Jahr haben auch alle deutschen Parteien die Wählerdaten für Date Analytics zur Verfügung bekommen. Die Daten sind längst nicht so umfangreich wie in den USA Campagnen aber immer hin, besser als nichts. Ich gehe davon aus, dass die Parteien von den Daten Gebrauch machen werden.
Alexander Nix und seine Cambridge Analytica wirbt nicht um die Stimmen der Wähler sondern um das Geld der Wahlkämpfer und öffentlicher Auftraggeber. Befürchtungen der Datenschützer sein Produkt könne zu erfolgreich sein, sind seine besten Argumente.