Während sich die SPD auf die große Entscheidung vorbereitete, ob mit Merkel alles nichts ist oder ohne Merkel alles neu wird, zeigte die Bundeskanzlerin, wie man im Jahr fünf nach "Neuland" die Basis eint: Sie veröffentlichte zum ersten Mal eine Handvoll kurzweiliger Filmchen und Momentaufnahmen aus ihrem Alltag als Instagram-Stories, die – das ist der Witz des Formats – 24 Stunden später wieder verschwanden.
Instagram-Stories, das weiß natürlich eine progressive Konservative, werden möglicherweise einmal das Fernsehen ersetzen. Man kann nämlich stundenlang von einer Story zur nächsten schalten, äh, wischen und Menschen auf der ganzen Welt beim Leben zusehen. Verrückt. Meistens erfährt man dabei mehr oder minder interessante Dinge (Lieblingssmoothie, Lieblingsquinoa, Lieblingshaarverlängerung, Lieblingsturnmatte, Lieblingsbabypudel), auch von Prominenten.
Angela Merkel ist seit 2015 bei Instagram. 921 Beträge hat sie seitdem gepostet. Das ist nicht so viel. Mittlerweile folgen ihr dort fast eine halbe Million Menschen. Auch das ist im internationalen Vergleich eher spärlich. Donald Trump folgen acht Millionen Menschen, Barack Obama – selbst außer Dienst – noch 16 Millionen: rührende Einblicke ins Leben großer Politiker. Merkel muss dieses Versprechen erst noch einlösen. Durch ihren Feed zogen sich bisher nur offizielle Pressefotos und Videos von Staatsempfängen.
Man brennt ja förmlich auf schnucklige Clips mit husband Joachim oder auch ein bisschen Foodporn vom Kupfergraben (der Gatte backt Streuselkuchen, die Kanzlerin liebt Blutwurst). Geht es jetzt endlich los? Instagram, das haben Angela Merkel möglicherweise auch ihre Social-Media-Leiterin Ulrike Kaiser und deren 13 Mitarbeiter erklärt, eignet sich für Flauschcontent deutlich besser als Twitter. Hater gibt's hier nicht, alle setzen Herzchen drunter.
Meet-and-Greet mit Sebastian
Die Kanzlerin muss sich zwar an so viel öffentliche Privatheit noch gewöhnen, aber sie ist Pragmatikerin genug, um zu wissen, dass Zeiten wie diese besondere Maßnahmen erfordern.
Ihr Story-Auftakt begann mit dem Besuch des österreichischen Bundeskanzlers in Berlin. Sebastian Kurz, fast schon Digital Native, ist auf Instagram seit Monaten sehr aktiv und überzeugt seine Follower immer wieder mit knackigen Behind-the-Scenes-Videos. Gut möglich, dass er ihr beim Meet-and-Greet ein paar Tipps gegeben hat, wie sie ihren Account ein bisschen aufpeppen kann. Schließlich postete er Stories mit ihr. Und sie ihre ersten Stories mit ihm. Der Look war unaufgeregt cool.
Nach seiner Abreise flog sie direkt nach Sofia zum bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow und teilte ein paar Schnappschüsse aus der City. Händeschütteln und so. Spätestens da kam die Message an: Merkel lässt sich weder von irgendwelchen Jusos noch dem SPD-Parteichef verrückt machen. Martin Schulz ist sowieso keine competition. Auf Instagram folgen ihm lächerliche 28.000 Menschen. Und während er damit kokettierte, Emmanuel Macron habe ihn persönlich angerufen und darum gebeten, dass sich die SPD mal zusammenreißt, war Merkel schon längst in Paris und feilte weiter an ihren Social-Media-Skills. Den Eiffelturm fotografieren kann ja jeder, aber ein wahrer instagrammable moment wird daraus, wenn man einen süßen Gefällt-mir-Sticker draufklebt und in hellblau "Bonjour #Paris" darunterschreibt. Besser geht's nicht.
Erdbeben in Bonn, das Ende der Volksparteien, Apokalypse in der Waschmaschine, ach was. Ein Influencer lässt sich von nichts und niemandem aus dem Konzept bringen und connected sich nur mit denen, die noch mehr zu sagen haben. Macrons fetzigem Instagram-Account folgen immerhin schon 700.000 Menschen. Und seine Stories: adorable!
Kommentare
Merkel wird auf die alten Tage nicht mehr zum digital native. Es wirkt nur verkrampft und wenig authentisch. Die 13 social media Mitarbeiter sind unnütz.
Was ist den an Instagram und co nicht verkrampft. Jede art von Selbstinszenierung ist nicht authentisch. Ich würde eher sagen das ältere menschen und die mit solchen tools noch nicht wirklich vertraut sind, eher ehrlicher umgehen als die Jungen Hippen Selbstinszenierenden Lifestyle Blogger und Influencer die nur noch in Hashtags kommunizieren.
Es ist peinlich, wie diese alte Frau dem Zeitgeist, der für sie "Neuland" ist, hinterherläuft, nur um im Amt zu bleiben.
Merkel hat fertig. Merkel muß weg. Egal ob sie noch twittern oder influencen lernt.
Bleibt abzuwarten, ob es der Wähler honoriert. Ich finde es halt schon bedenklich, wenn man erst die Erhöhung der Vermögenssteuer ablehnt, nur um dann High-Society News aus Davos zu posten... Wie hieß das doch gleich bei uns ... "Geschmäckle"...
Von mir aus kann sie sich den ganzen Tag mit diesen Dingen beschäftigen. Vielleicht kapiert Sie dann sogar als in einer Linksdiktatur aufgewachsene Pfarrerstochter, dass das NetzDG eben doch nicht mit Meinungsfreiheit zu vereinbaren ist.
Und vor allem, wenn sie den ganzen Tag im Netz rumhängt, dann muss jemand anderer den Job als Regierungschef erledigen. Nee, eigentlich liebe Frau Merkel, sind Sie da auf dem richtigen Weg. Machen Sie mal. Es gibt soviel zu entdecken...
Schon komisch, wenn eine Kanzlerin, die vor der Wahl noch zu einer YouTuberin sagte, sie sei eine Selbstdarstellerin, dann einen auf Instagram macht.
Wähler haben ein kurzes Gedächtnis...