Im Kampf gegen sexuellen Missbrauch durch katholische Priester hat die Deutsche Bischofskonferenz die Fälle von 78 als Tätern beschuldigten Geistlichen wissenschaftlich aufarbeiten lassen. Die Katholische Kirche ließ untersuchen, welche Täter homo- oder bisexuell waren: insgesamt 30. Neun der Täter waren pädophil und vier hatten eine Neigung zu pubertären Jungen.
Die Beweggründe der Betroffenen seien aber "nur in wenigen Fällen Folge einer spezifischen Psychopathologie", sagte der Leiter der Studie, Prof. Norbert Leygraf. Die Untersuchung wurde bei externen Sachverständigen in Auftrag gegebenen. Es gebe "keine bedeutsamen Unterschiede" zur übrigen Bevölkerung.
In der nicht repräsentativen Untersuchung erstellten die Forscher Täterprofile. Dabei glichen sie Daten aus den Personalakten über die Persönlichkeit der Beschuldigten und deren Taten mit allgemein bei sexuellem Missbrauch bekannten Befunden ab.
Die Studie sei ein "weiterer, wichtiger Schritt in unseren Bemühungen zur transparenten Missbrauchsaufarbeitung", sagte der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann . Einen kausalen Zusammenhang zwischen Zölibat und sexuellem Missbrauch gibt es nach seiner Darstellung nicht. Die Ergebnisse der Studie sollen Anfang nächsten Jahres in einer eigenen Fachpublikation veröffentlicht werden.
Schon Jahrzehnte her
Des Missbrauchs verdächtigte Geistliche, die weiter in der Kirche blieben, könnten durch ein soziales Kontrollnetzwerk vor Rückfällen geschützt werden, sagte Leygraf, der das Institut für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen leitet. Unklar sei aber das Rückfallrisiko, wenn sich die Betroffenen keiner Therapie unterzögen. Bei etwa der Hälfte der begutachteten Geistlichen sehen die Autoren der Studie keine Bedenken gegen einen erneuten oder weiteren Einsatz in der Gemeinde.
Die Missbrauchsfälle liegen in den meisten Fällen schon Jahrzehnte zurück, die Mehrzahl ereignete sich zwischen den 1960er und 1990er Jahren. Etwa drei Viertel der Opfer waren männlich.
5.000 Euro Entschädigung
Die Bischofskonferenz hatte bereits im Jahr 2002 Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch herausgegeben, 2010 wurden sie überarbeitet. Seither gab die Kirche auch psychiatrisch-psychologische Gutachten in Auftrag. Nun werteten die Wissenschaftler in einer Gesamtstichprobe die Gutachten zu 78 Geistlichen aus dem Zeitraum 2000 bis 2010 aus. Sie waren von 21 der 27 deutschen Bistümer aus den Personalakten eingereicht worden.
Die katholische Kirche beschied bislang nach Angaben der Bischofskonferenz etwa 1.200 Anträge auf Entschädigung von minderjährigen Missbrauchsopfern positiv. Geschädigte erhalten von der betroffenen Ordensgemeinschaft oder dem zuständigen Bistum eine einmalige Zahlung von bis zu 5.000 Euro.
Kommentare
Täter statt Opfer im Blick
"Des Missbrauchs verdächtigte Geistliche, die weiter in der Kirche blieben, könnten durch ein soziales Kontrollnetzwerk vor Rückfällen geschützt werden (...)"
Sollte es nicht vielmehr darum gehen, die Kinder und Jugendlichen zu schützen? Habe ich da irgendwas überlesen?
Und wenn der Zölibat angeblich nicht schuld ist, was ist es dann?
In der Odenwaldschule...
...gibt es kein Zölibat - und trotzdem wurden in letzter Zeit zahlreiche Missbrauchsfälle bekannt.
Auch die unzähligen Missbrauchsfälle im Familienkreis sind (denknotwendig) von Leuten zu verantworten, die NICHT zölibatär leben.
Wer das Zölibat an den Pranger stellt, macht es sich zu leicht - allein schon deshalb, weil dadurch suggeriert wird, Kindesmissbrauch betreffe nur eine ganz bestimmte Gruppe der Gesellschaft. Die Sache scheint doch etwas komplizierter zu sein.
Wichtige Studie
5000 Euro Entschädigung empfinde ich als Hohn. Zu der Studie: Gut, dass mittlerweile eine wissenschaftliche Aufarbeitung stattfindet, die eventuelle pädophile Neigungen des Täters berücksichtigt - oder eben auch andere Gründe. Das Stigma das jeder Täter pädophil ist, ist gefährlich. Ursachenforschung ist m.M. nach dabei einer der wichtigsten Schritte zur Prävention.
Es kann nicht "entschädigt" werden
Der Schaden, der entstanden ist kann sicherlich immer nur eine symbolische Anerkennung bekommen - egal wie hoch die sogenannte Entschädigung ist.
Aber es würde mich interessieren, wie hoch die Entschädigungssummen in vergleichbaren Fällen ist, z.B. in der Odenwaldschule
"transparente Missbrauchsaufarbeitung"
Angesichts der Vorgänge in seinem eigenen Bistum in den letzten zwei, drei Jahren, wo diejenigen, die auf sexualisierte Gewalt hingewiesen haben, strafversetzt/sanktioniert wurden und versucht wurde, die Angelegenheit unter den Tisch zu kehren, sollte Bischof Ackermann etwas zurückhaltender sein mit dem Begriff "transparente Missbrauchsaufarbeitung".
Täter dürfen nicht mehr in den Gemeinden eingesetzt werden, ohne Ausnahme.
Sehe ich anders
Das Problem ist doch nicht, dass Täter eingesetzt wurden. Das Problem ist, dass Täter nicht der Polizei zugeführt wurden, die ganze Sache verheimlicht wurde(mit das das schlimmste für die Opfer!)und der Täter dann einfach nur versetzt wird.
Wenn jemand aber seine Strafe hinter sich gebracht hat, das Opfer gerecht behandelt wurde, und davon auszugehen ist, dass keine Rückfälle passieren, dann sollten selbstverständlich diese Menschen wieder arbeiten dürfen.
Traue niemals einer Studie...
Ich will ja nicht gleich wieder mit dem Schlimmsten rechnen, aber ist es denn wirklich sinnvoll, dass die Bischofskonferenz so etwas in Auftrag gibt?
Andererseits...mittlerweile würde ich in solchen von verschiedenen Interessen bedrohten Studien ohnehin eher davon ausgehen, dass man Metastudien braucht, um zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen.
Metastudien produzieren hier - wie auch sonst Willkürergebnisse
"dass man Metastudien braucht, um zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen."
Noch weitaus mehr als tatsächliche Studien unterliegt das Sichten und Selektieren von Studien zur Metastudie der jeweiligen Interessenlage.