Noch ist in Berlin-Moabit niemand kollabiert. Gerade noch rechtzeitig konnte genug Wasser für die mehr als tausend Asylsuchenden organisiert werden, die hier auf dem Gelände des Landesamtes für Gesundheit und Soziales ausharren. Sie warten auf einen Termin, um eine Unterkunft zugewiesen zu bekommen, viele von ihnen seit Tagen.
Überall auf dem Gelände suchen Menschen Schutz im Schatten der Bäume. Bis zu 40 Grad waren für Berlin zum Ende der Woche angekündigt und seit Tagen kommen täglich mehrere Hundert weitere Menschen hier an. Ausreichend Wasser zur Verfügung zu stellen – das hielt die Behörde nicht für nötig.
In der Mitte des Geländes läuft der einzige Wasserhahn. Eine Mutter wäscht ihren Kindern das Gesicht. Zwei junge Berlinerinnen fahren mit einem voll bepackten Einkaufswagen vor, der binnen Sekunden leer geräumt ist. Dutzende Asylbewerber versuchen, eine der Wasserflaschen oder ein Glas Babybrei zu ergattern.
Was sich hier in Berlin abspielt, ist eine Katastrophe. Gleichzeitig findet hier ein zivilgesellschaftlicher Gänsehautmoment statt. Dutzende Freiwillige sind nach Moabit gekommen, um den Asylbewerbern zu helfen. Sie haben Autos mit Wasserflaschen beladen und bringen Decken, Kinderkleidung und frische T-Shirts. Noch immer bringen Berliner Lebensmittel und Kleidung.
Über Twitter und Facebook koordinieren sie, was noch gebraucht wird: Decken, Babynahrung, Windeln, Feuchttücher, aber vor allem Wasser und Brot. Die Anwohner brachten zwischenzeitlich so viel, dass die freiwilligen Helfer des Malteser Hilfsdienstes sie wieder wegschicken mussten.
"Uns fehlt der Platz, um die vielen Spenden zu lagern", sagt Matthias Nowak, der Sprecher des Malteser Hilfsdienstes. Die Hilfsbereitschaft sei überwältigend. Seit sechs Uhr früh ist er mit seinem Team vor Ort. Der Senat habe die Maltester am Donnerstagabend gebeten, die Logistik zu übernehmen. "Wir bemühen uns darum, dass die Hilfe hier bei allen ankommt", sagt Nowak. Auch die Caritas ist vor Ort und bemüht sich um zusätzliche Unterkünfte. Die Stadtmission baute spontan eine Kühlung in eine Halle in der Nachbarschaft – auf eigene Kosten.
Strafanzeige gegen den Sozialsenator
Für Matthias Nowak kam der Notstand nicht überraschend. Seit Wochen sei klar, dass nicht vom einen auf den anderen Tag plötzlich keine Flüchtlinge mehr kämen. Auch die Hitze habe sich angekündigt. Deshalb wäre er dankbar, wenn der Senat tatsächlich den Katastrophenfall ausrufen würde. Sie könnten dann wesentlich mehr Technik und Personal auffahren, da die Kostenübernahme gesichert wäre.
Ein Sprecher des Landesamtes, der nicht namentlich genannt werden will, sagt dagegen, es sei alles nicht so schlimm. Die Leute bekämen eine Unterkunft zugewiesen, es gäbe sanitäre Anlagen und verdurstet sei auch niemand. Die Wasserbetriebe hätten mehrere Tausend Liter Wasser in Plastiktüten zur Verfügung gestellt. Dass Leute für etwas länger anstehen, kenne man schließlich auch von Apple-Kunden. "Das Landesamt ist kein Beherbergungsbetrieb, sondern eine Behörde", sagt er. Manche der Asylbewerber schliefen sowieso lieber auf der Straße. Die Hilfe der Freiwilligen sei nett gemeint, es müsse aber ordentlich zugehen.
Doch auch er sagt: So weit hätte es nicht kommen müssen. Seit Wochen seien seine Kolleginnen und Kollegen überlastet. Neben Personal fehle es auch dringend an Unterkünften. Er wisse einfach nicht, wohin mit den vielen Leuten.
Oliver Höfinghoff, ehemaliger Vorsitzender der Piratenfraktion und Mitglied des Abgeordnetenhauses, stellte eigenen Angaben zufolge inzwischen Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung gegen den zuständigen Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und gegen Franz Allert, den Leiter des Landesamtes für Gesundheit und Soziales.
Kommentare
Ein einziger Wasserhahn für tausend Menschen -
das ist absurd. Und die Hitze war ja angekündigt. Erfahrungen, wie das war, konnten wir ja schon vor ein paar Wochen sammeln, als es erstmals so heiß war.
Es hätte ja vermutlich schon gereicht, die Feuerwehr zu rufen, um den Menschen ein wenig Abkühlung zu spenden - die wäre mit Sicherheit gekommen. Muß erst jetzt am Hitzeschock kollabieren, bis wenigstens genügend Wasser zur Verfügung steht?
Hmmm......
haben Sie sich das Bild mal angeschaut?
Auf die Tränendrüse ....
drücken hilft gar nichts! Dieses bosnische Paar auf dem Foto sollte gar nicht in Berlin sein dann müssten wirkliche Flüchtlinge nicht dieser menschenunwürdigen Situation ausgesetzt sein.
Den kommunalen Verantwortlichen unterlassene Hilfeleistung für die derzeitige Situation der planlosen, unkontrollierten und visionslosen Zuwanderung vorzuwerfen ist eine bodenlose Frechheit!
Nicht ganz korrekt, ...
unter 330 bosnischen Asylsuchenden ist (Artikel SZ) immerhin ein zu schützender politisch verfolgter Mensch zu finden!
http://www.sueddeutsche.d...
Fehlen im Artikel nicht Infos ?
http://www.focus.de/polit...
Sind das noch Nachrichten oder soll das ein "Kommentar" sein ? Dann aber auch so kennzeichnen.
Nein, es fehlt nichts
Wenn sonstwieviele Leute bei Hitze draußen warten müssen ohne auch nur eine Flasche Wasser, ist das nicht in Ordnung. Darum geht es im Artikel.
Oder wollen Sie behaupten, weil einige sich Zutritt verschaffen wollten und Reizgas eingesetzt wurde, ist es angemessen, alle möglichen Anwesenden zu bestrafen mit Entzug von Wasser? Schöne Form von Justiz haben Sie da.
Zynischer Vergleich mit Apple Kunden
Der Satz des Mitarbeiters des Landesamtes, der das Anstehen der Flüchtlinge mit dem Schlangestehen der Apple-Kunden vergleicht, ist an Zynismus kaum noch zu überbieten.
Insofern ist es auch kein Wunder, daß
er seinen Namen nicht genannt haben will - er wußte wohl selbst, wie albern und absurd sich diese Aussage anhört.