Eine aktuelle BBC-Recherche zeigt, dass syrische Flüchtlingskinder in türkischen Textilfabriken ausgebeutet werden. Für große europäische Modemarken wie Zara oder Mango nähen oder bügeln die Kinder bis zu zwölf Stunden am Tag. Die türkische Nichtregierungsorganisation Support to Life versucht mit ihrer Arbeit, Kinder aus dieser Situation zu befreien. Die Leiterin der Organisation, Sema Genel, spricht mit ZEIT ONLINE über das Problem Kinderarbeit in der Türkei.
ZEIT ONLINE: Syrische Flüchtlingskinder nähen in der Türkei Kleidung für europäische Modeunternehmen. Wie kann es dazu kommen?
Sema Genel:Kinderarbeit in der Türkei ist leider kein neues Problem. Schon lange gibt es auch viele türkische Kinder, die zur Arbeit geschickt werden. Durch immer mehr syrische Familien gibt es aber auch immer mehr syrische Kinder, die arbeiten. Oft ist es schwierig für diese Familien zu überleben, die Armut ist groß. Geht nur der Vater arbeiten, hat die Familie oft nicht genug Geld, daher müssen die Kinder ran. Leider ist das ein Fakt, und die Situation ist schlimm. Denn sie werden nicht nur unterbezahlt, sondern es herrschen auch schlechte Arbeitsbedingungen. Die Kinder haben keine Sozialversicherung.
ZEIT ONLINE: In welchen Bereichen arbeiten die Kinder?
Genel: Fast die Hälfte der arbeitenden Kinder ist in der saisonalen
Landwirtschaft beschäftigt. Die Jobs in diesem Bereich sind leicht zu bekommen
für sie und auch die Bezahlung ist unkompliziert, weil sie ihr Geld pro Tag
bekommen. In der Textilbranche gibt es viele Stellen. Aber auch in anderen
Industrien sind Kinder beschäftigt, genauso wie im Servicebereich. Hier machen sie Hilfsarbeiten wie waschen oder putzen.
ZEIT ONLINE: Und die Konditionen sind überall gleich schlecht?
Genel: Es ist überall ähnlich. Und Kinder unter 16 Jahren dürfen in der Türkei offiziell nicht arbeiten. Für Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren ist es bedingt erlaubt. Nicht aber in der Landwirtschaft, denn da ist es am schlimmsten: Sie schadet den Kindern nämlich körperlich. Und trotzdem ist die Hälfte von ihnen dort beschäftigt.
ZEIT ONLINE: Was tut die türkische Regierung, um Kinderarbeit zu verhindern?
Genel: Das Thema befindet sich schon längere Zeit auf der Agenda der Regierung. Aufmerksam wurde sie auf das Thema, als herauskam, dass türkische Kinder beim Haselnussanbau beschäftigt waren. Hier wurde der Regierung bewusst, dass Kinderarbeit ein großes Problem ist in der Türkei. Doch es ist schwierig zu beheben. Es gibt auch keine offiziellen Zahlen, die belegen, wie viele Kinder – türkisch oder syrisch – tatsächlich arbeiten. Gerade in Bezug auf die saisonale Arbeit ist die Zahl kaum identifizierbar. Denn die Kinder gehen bis April in die Schule, sind den Sommer über auf dem Feld, und gehen ab dem Herbst wieder in den Unterricht. Neben der harten Arbeit verschlechtert sich also auch ihre Schulbildung. Die Regierung versucht zwar, Familien klarzumachen, wie wichtig Schulbildung ist und möchte damit die Kinderarbeit in den Griff bekommen. Doch es ist ein tief sitzendes, strukturelles Problem – ein Missstand, der nicht über Nacht zu beheben ist.
ZEIT ONLINE: Wäre es denn überhaupt möglich, jeden Winkel des Landes zu kontrollieren?
Genel: Das ist eine zusätzliche Herausforderung. Denn es gibt nicht genügend Kapazitäten, um jede Fabrik und jeden Hof, jedes Feld zu kontrollieren. Wir brauchen mehr Inspektionen.
ZEIT ONLINE: Gibt es Schätzungen, wie viele der syrischen Flüchtlingskinder arbeiten gehen?
Genel: Insgesamt gibt es in der Türkei drei Millionen syrische Flüchtlinge. Ein Drittel davon ist im schulpflichtigen Alter, also zwischen sechs und 16 Jahre alt. Bei einer Befragung unter syrischen Flüchtlingen in Istanbul kam heraus, dass rund 28 Prozent der Kinder arbeiten. Doch das Bewusstsein, dass Kinder in die Schule gehen sollten, steigt.
ZEIT ONLINE: Große Unternehmen, die wegen Kinderarbeit im Ausland in die Kritik geraten, behaupten oft, sie hätten nichts davon gewusst. Kann das sein?
Genel: Es kann für Unternehmen tatsächlich schwierig sein, den Überblick zu behalten, da viele Mittelsmänner an einem Produktionsprozess beteiligt sind. Wer die Haselnuss gepflückt hat, die in einem Produkt landet, kann also nicht immer direkt nachverfolgt werden. Aber auch die großen Unternehmen können eigene Kontrollen durchführen. Und das machen sie sogar relativ oft. Trotzdem kann auch so Kinderarbeit nicht so schnell verhindert werden. Das Thema ist eine große Herausforderung für die Türkei.
Kommentare
Was bringen Kontrolle und Verbot, insbesondere bei syrischen Kindern?
Da ja alle groß angelegte Flüchtlingslager ablehnen und viele Staaten die Flüchtlinge nicht subventionieren wollen oder können, müssen diese irgendwie an Geld kommen.
Die Kürzung an Hilfsmitteln in den letzten Jahren, tut dabei ihr übriges.
Wenn man den Kindern nun auch noch verbietet zu arbeiten, haben sie schlicht gar nichts.
Die Situation ist keineswegs schön, aber dann lass ich sie doch lieber für einen Hungerlohn und unter schlechten Bedingungen arbeiten, als sie verhungern, weil Gelder gekürzt werden und die Versorgung nicht gewährleistet werden kann.
Man müsste komplett andere Strukturen schaffen. Riesige Flüchtlingscamps, die von der VN versorgt werden, wo schulische Bildung angeboten wird, sowieso medizinische Versorgung und auch ein paar kulturelle Angebote, dass den Leuten die Decke nicht auf den Kopf fällt.
Die Flüchtlinge einfach mal auf gut Glück dahin oder dorthin zu lassen, wo man weder weiß ob sie versorgt werden oder sich versorgen können, funktioniert halt nicht und am Ende kommt dann sowas bei raus.
"Die Situation ist keineswegs schön, aber dann lass ich sie doch lieber für einen Hungerlohn und unter schlechten Bedingungen arbeiten, als sie verhungern, weil Gelder gekürzt werden und die Versorgung nicht gewährleistet werden kann."
Damit benennen Sie ein sensibles Feld, das Fingerspitzengefühl erfordert. Auch z. B. Waren aus Lateinamerika betreffend. Tabula rasa wird es nicht über Nacht geben können, aber die Entwicklungsrichtung muss klar sein: keine Kinderarbeit, stattdessen ökologisch und sozial verträgliche Lebensbedingungen.
Die "entwickelten" Länder sollten mit finanziellen Mitteln verhindern, dass syrische Flüchtlingskinder zum Arbeiten gezwungen sind. Stockt die Entwicklungshilfe für diesen Zweck auf.
Kein job ist auch keine Option. Armut ist furchtbar. Es ist quälend schmerzhaft und für viele aus der Europäischen Wohlstand Gesellschaft unvorstellbar.
Als Adidas Druck gemacht hat in Indien bei den Betrieben die Bälle vernäht haben, wurden die Kinder entlassen. Die Kinder hatten danach schlechter bezahlte härtere Arbeit als vorher oder wurden zur Prostitution oder Zwangsehe verwendet.
Einzig richtig wären Patenschaften für Europäische Verhältnisse lächerliche Beträge können viele Leben gerettet werden.
Als Adidas Druck gemacht hat in Indien bei den Betrieben die Bälle vernäht haben, wurden die Kinder entlassen.
Und hat Adidas die Ballproduktion aus dem Land genommen?
"Kinderarbeit ist ein großes Problem in der Türkei"
Ich fordere eine Intervention der Bundesregegierung! Diese muß Druck auf die Türkei ausüben, damit endlich wirksame Maßnahmen gegen Kinderarbeit stattfinden. Weiterhin fordere ich den Boykott von "made in Türkei", solange dort Kinderarbeit so weit verbreitet ist!
Völlig überzogen.Ich gehe mit meinen Kindern in den Wald und sammle Kastanien und im Park sammeln wir stundenlang Nüsse. Die haben Spass dran. Ist auch Arbeit... Nun erklären Sie mir bitte den Unterschied, wenn ein 16 jähriger im Familienbetrieb bei der Nussernte mithilft. Was ist den gesünder?soll er Stunden lang mit einem Handy rumspielen und zu schauen oder aushelfen? Anders sieht es mit syrischen Kindern aus. Es arbeiten tatsächlich einige schwarz und nicht angemeldete. Da kommt die Regierung leider nicht und kann nicht alles kontrollieren, wenn z.b bei der Ernte die Kinder von den Familien Clans eingesetzt werden. Fahren Sie einfach Richtung Sanliurfa..hunderte Kilometer lang Felder an der Grenze zu Syrien. Was, wie und womit wollen Sie das überwachen? Unrealistisch !
Nun wenn Sie nach Bangladesch oder Vietnam gehen dann werden Sie es sehen, wie die bekannte US Marken ihre Mitarbeiter für eine Mahlzeit arbeiten lassen. Nach dem wir die vorbildliche Ladner wie z.B. USA , Frankreich etc. überzeugen , dass Kinder Arbeit unmoralisch ist, dann können wir Länder wie die Türkei in Betracht ziehen.
Tolles Argument, immer erst die änder na klar,
Wenn ich ihre Post lese, sind sie nicht Türke, ist also nicht so objektiv Ihr Post