Unsere Tochter sollte sich später einmal an ein wundervolles Plätzchenbacken erinnern. Mit Kerzenschein, Gesang und all ihren Kindergartenfreundinnen. Luise nannte die Namen von zehn Mädchen. Wir lachten. Sie schrie, sie habe eben so viele Freundinnen, "hallo!?" Am Ende handelten wir sie auf sechs herunter. "Nur für den Fall des Falles" wollte meine Liebste trotzdem Malin dazuzuholen. Malin ist Mitte 20 und passt ab und zu auf Luise auf. "Ich werde ganz schön mit dem Backen beschäftigt sein, und sieben Kinder sind vielleicht etwas viel für dich...." Ich war einverstanden, weil ich dann zwischendurch bequem noch etwas arbeiten konnte.
Luises Freundinnen zeigten sich hellauf begeistert von unserem Vorhaben, ihre Eltern noch mehr. Mias Eltern verschoben sogar ihre Abreise in den Urlaub. "Seid ihr sicher, dass ihr das wirklich wollt?", scherzte die Mutter von Leonie, als der Tag da war und sie ihre Kleine samt Teigroller und Förmchen bei uns ablieferte. Wir lächelten.
"Wenn ihr nicht mehr könnt: Ruft mich an!", sagte Mias Mutter. "Ich sitze die ganze Zeit neben meinem Handy. Oder soll ich gleich hierbleiben?" Sie meinte es offenbar ernst. Wir versicherten, das sei nicht nötig. Annas Papa gab mit seiner Tochter eine kleine Flasche Kirschschnaps ab. "Für eure Nerven!" Offenbar neigen Eltern in der Vorweihnachtszeit zu Hysterie.
Alle sieben Mädchen saßen brav um unseren Tisch, rollten hochkonzentriert ihre Teigstücke aus und baten sich gegenseitig ausgesucht höflich – "kann ich bitte vielleicht mal" – um die Förmchen. Malin und ich berieten sie beim Dekorieren der Plätzchen und sammelten die fertigen ein, bevor zu viele gegessen wurden. Meine Liebste sprang zwischen Ofen und Herd hin und her. Ich schoss ein paar idyllische Fotos und mahnte Sophia, nicht zu viel Teig zu essen. Dann wollte ich mich zurückziehen, um ein paar Zeilen zu schreiben.
In diesem Moment rannte Lilly in den Flur und holte aus ihrem kleinen Rucksack etwas, das blinkte und piepte und aussah wie ein Gameboy für Kleinkinder. Ich eskortierte sie zurück zum Tisch und ließ das Teufelsding verschwinden. Zu spät.
Sophia begann übergangslos zu schluchzen. Maja schnippte eine Teigkugel zu Leonie. Leonie schlug nach ihr. Malin versuchte, die Mädchen zu beruhigen, aber Sophia heulte nun lauthals, weil die anderen mehr Plätzchen ausgestochen hatten als sie.
"Hört mal, wir singen etwas!", rief ich. "In der Weih-nachts-bä-cke-rei / gibt's so man-che Schle-cker-ei / zwischen Mehl und Milch…"
Kommentare
sind Kinder wirklich so...?
Ich habe mich beim lesen dieses Beitrags ja nun wirklich köstlich amüsiert. Beinahe wäre ich unter meinen Schreibtisch geplumpst...
Dennoch stellt sich mir jedes mal wieder die Frage: sind Kinder wirklich so furchtbar?
ich habe keine.. aber wenn ich jemals dazu beitragen soll daß dieses Land mehr Nachwuchs bekommt sollte ich dringendst aufhören diese Kolumnen auf ZeitOnline zu lesen.
Beste Grüße
Jane Galt
Jane Galt
Nein, bitte lesen Sie weiter! Nach einiger Zeit hilft das, Sie werden sehen...
Viel Spaß im nächsten Jahr!
Ein sehr amüsanter Artikel und so realistisch. Das sind die Momente die bleiben, zumindest bei den Eltern, und später immer gerne lachend und nostalgisch erzählt werden.
Nachtrag...
Nachtrag: schließlich backt man Kekse nicht nur zu Weihnachtszeit! Das Erleben von Mehl und die Verwandlung der Teigmasse usw. kann man auch bei normalen Keksebacken machen.
Selbst wenn die Eltern in diesen Kursen nicht nackt
herumlaufen müssen, ihr Besuch verschlingt dennoch viel Zeit und der Erfolg ist vom Glauben abhängig, also nicht messbar. Nicht alle Familien haben Zeit und Geld für diese umstrittene Art von Selbsterfahrung - denn ums Kind geht es dabei oft am wenigsten.
PEKiP (1)
Selbst wenn die Eltern in diesen Kursen nicht nackt herumlaufen müssen, ihr Besuch verschlingt dennoch viel Zeit und der Erfolg ist vom Glauben abhängig, also nicht messbar. Nicht alle Familien haben Zeit und Geld für diese umstrittene Art von Selbsterfahrung - denn ums Kind geht es dabei oft am wenigsten.
Ich glaube, dass gerade Eltern mit wenig Zeit Maßnahmen wie PEKiP ergreifen. Ein Intensivkurs à 90 Minuten pro Woche soll kompensieren, dass die Eltern sonst zu wenig Zeit haben.
Ein definiertes Ziel bei PEKiP ist es zum Beispiel, die Beziehung zwischen Eltern und Kind zu vertiefen. Ich bin der Meinung, dass man für die natürlichste Sache der Welt - der Bindung zwischen Eltern und Kind - in der Regel keinen pädagogisch angeleiteten Kurs benötigt, sondern sich einfach nur mal mit seinem Kind intensiv beschäftigen muss. Das kostet eben aber viel Zeit.
Laut PEKiP steht insbesondere auch das Beobachten der Kinder im Vordergrund. Von Erzählungen anderer Eltern weiß ich jedoch, dass das da gar nicht möglich ist. Die Eltern reden miteinander, tauschen Erfahrungen aus, es ist dort immer laut. Beobachtung erfordert jedoch Ruhe und keine Einflussnahme. Ein Raum mit sechs nackigen, teilweise schreienden Babys mit singenden Müttern ist absolut kein Ort an dem man sein Kind beobachten könnte. Nie vergessen werde ich den Satz einer Freundin, dass sie sich nicht mit uns am Nachmittag treffen könne, weil sie zuvor PEKiP hat und sich ihr Sohn erst einmal davon erholen müsse.