ZEIT ONLINE: Bei der Computernutzung im Unterricht ist Deutschland Schlusslicht. Hätten Sie das für möglich gehalten?
Birgit Eickelmann: Mit diesem schlechten Ergebnis haben wir nicht gerechnet. Aber wenn man sich die Ausstattung der Schulen mit Computern oder die geringe Bedeutung des Themas in der Pädagogenausbildung anschaut, dann ist klar: Viel besser hätten wir im internationalen Vergleich nicht abschneiden können.
ZEIT ONLINE: Selbst in Thailand oder Chile kommen Computer häufiger zum Einsatz. Das ist doch peinlich.
Eickelmann: Das kann man so sehen. Obwohl Deutschland ein hochtechnisiertes Land ist, genießt die digitale Bildung bei uns keine Priorität. Das beginnt bei der Hardware. Hierzulande teilen sich laut unserer Studie ungefähr elf Schüler einen Computer. Der Wert entspricht genau den Zahlen einer Erhebung aus dem Jahr 2006. Das heißt: Auf diesem Feld hat sich beim Ausstattungsverhältnis nichts getan.
ZEIT ONLINE: Vielleicht ist das vielen Pädagogen ganz Recht. Die Skepsis gegenüber Computern ist in unseren Lehrerzimmer doch weit verbreitet.
Eickelmann: Die Haltung vieler Lehrkräfte ist ambivalent. Einerseits stehen sie den digitalen Medien durchaus positiv gegenüber. Andererseits verbinden sie mit dem Computergebrauch im Unterricht jedoch auch viele Bedenken. Stärker als ihre Kollegen in anderen Ländern fürchten sie etwa, dass Schüler und Schülerinnen aus dem Internet gedankenlos kopieren oder dass Computer im Unterricht von den eigentlichen Lehrinhalten ablenken. Dabei gibt es vielerlei Unterrichtsmodelle, um solchen Gefahren zu begegnen.
ZEIT ONLINE: Die deutsche Lehrer aber nicht kennen?
Eickelmann: Woher auch? In der Lehrerausbildung kommt der Einsatz digitaler Technologien nur am Rande vor. Es hängt sozusagen vom Zufall ab, an welcher Universität man studiert und welche Seminare man besucht, ob man mit dem Thema überhaupt in Kontakt kommt. In der Weiterbildung sieht es nicht besser aus. Im internationalen Vergleich besuchen Lehrkräfte in Deutschland nur selten Fortbildungskurse zu digitalen Medien, am seltensten übrigens, wenn sie am Gymnasium unterrichten.
ZEIT ONLINE: Es reicht also nicht aus, alle Schüler in Zukunft mit Laptops oder iPads zu versorgen.
Eickelmann: Wenn wir den Lehrern nicht gleichzeitig vermitteln, was sie mit der Technik in ihrem konkreten Unterricht anfangen können, wäre das die reinste Geldverschwendung.
ZEIT ONLINE: Angesichts dieser schlechten Rahmenbedingungen schlagen sich unserer Schüler im Umgang mit digitalen Medien ja noch ganz beachtlich.
Eickelmann: Bei den computerbezogenen Kompetenzen schneiden Achtklässler in Deutschland im internationalen Vergleich mittelmäßig ab, wobei rund 30 Prozent so geringe Kenntnisse haben, dass wir sie auf dem Weg in die Informationsgesellschaft zu verlieren drohen. Aber auch der Rest der Schülerinnen und Schüler erwirbt seine Fähigkeiten wohl nicht im Unterricht, sondern vermutlich außerhalb der Schule. Es gibt sogar Hinweise, dass der Computerunterricht in Deutschland geradezu kontraproduktiv ist.
ZEIT ONLINE: Wie das?
Eickelmann: Genau wissen wir das noch nicht. Aber nach unseren Erhebungen gehört Deutschland neben der Schweiz und den Niederlanden zu den wenigen Ländern, in denen es einen negativen Zusammenhang gibt zwischen der Häufigkeit der Computernutzung in der Schule und den computerbezogenen Kompetenzen.
Kommentare
Ziele der Schulbildung
Es mag durchaus sein, dass die Schüler anderer Länder besser mit Facebook umgehen können. Aber was ist uns denn bitte wichtig?
Wir haben derzeit in den Schulen ein Konzentrationsproblem ... kein Intelligenzproblem. Ein wichtiger Faktor dabei spielt die Nutzung der "neuen Medien" ...
Es ist also auf der eine Seite wichtig, dass unsere Kinder den Gebrauch der "neuen Medien" lernen, aber es sollte nicht den Schulalltag bestimmen. Für die Wissenvermittlung ist eine Tafel, auf welcher der Wissenstoff Schritt-für-Schritt aufgebaut wird genau richtig.
Laptops an jedem Arbeitsplatz schaffen für die Schüler keinen Mehrwert.
Natürlich sollte es Informatik als Unterrichtsfach geben! Das bedeutet aber nicht, dass wir die Laptops auch in Mathematik, Sachkunder oder Deutschunterricht wollen.
Computerarbeit in Mathe?
Ein Computer muss nicht mit Windows laufen. Er muss nicht jedes von daheim bekannte Standardprogramm bereitstellen. Er kann aber bspw. mit Mindmaps helfen, Gedanken zu sammeln, zu organisieren, neu zu sichten, zu reorganisieren, Basalinformationen zu extrahieren und dann visuell aufzubereiten, um diese Informationen anderen zu vermitteln. Das sind Kompetenzen, die in der heutigen Wirtschaft gefragt werden. Klar, kann man alles auch mit Papier machen ... was da ökologisch vorzuziehen ist, wäre ein Thema für sich. Aber auch zeitlich ist es leichter, wenn man seine Mindmap am Rechner umbauen kann, anstatt Entwurf A in einen Entwurf B auf einem zweiten Blatt neu zu zeichnen.
Und wie wohl die Schiefertafel-Lobby geschrieen haben mag, als alle Welt nur noch mit Papier und Füller loszog, nur um Notizen auch noch Wochen später bereithalten zu können. Worin bestand damals der Vorteil? Neue Techniken komprimieren und vereinfachen bisherige Methoden zur Wissensvermittlung und zur Wissensaneignung. Diese Chance nicht zu sehen ist recht reaktionär.
Eine Informationsdatenbank über unser Sonnensystem kann als Multimedia-Animation anschaulicher vermittelt werden als durch Zeichnungen und statische Fotografien in einem Buch. Wieviele dieser Bücher bräuchte man, um allen Schülern allein in Deutschland dieses Foto zu zeigen? Wie gering und ökologisch dagegen die millionenfache Duplizierung einer Animationsdatei?
Computer lösen gewiss nicht jedes Problem. Doch viele lösen sich damit leichter.
Vielseitig nutzbar
""Bei den neuen mobilen Geräten wie Laptops oder Tabletcomputern gibt es jedoch vermehrt Hinweise drauf, dass sie den Unterricht sehr bereichern können. ""
Tabletcomputer oder E-Bookreader fände ich schon in Ordnung. Schon alleine das die Kinder nicht mehr die ganzen schweren Bücher mit sich herumschleppen müssten wäre eine Erleichterung.
Man hätte dann auch die Möglichkeit Lernmittel in digitaler Form zu verschicken, was z.B. für kranke Mitschüler nicht schlecht wäre.
Ansonsten sollte man die Nutzung zumindest für die jüngeren Kinder langsam angehen lassen, da die in ihrem späteren Leben wohl noch genug auf dem Bildschirm starren werden.
Lernen für den Alltag
Gerade weil die Kinder in ihrem späteren Leben tagtäglich mit digitalien Medien umgehen werden, ist es wichtig, so früh wie möglich mit der Medienerziehung zu beginnen. Aus dem gleichen Grund, warum man Kindern von Anfang an (sobald sie es verstehen können) das richtige Verhalten im Straßenverkehr beibringt: Weil es eben Teil des modernen Alltags ist. Und digitale Medien sind nunmal Teil des Alltags und werden es auch bleiben. Statt das jetzt zu verteufeln und platte Schlagworte wie "Das wahre Leben findet offline" statt zu verbreiten (was viel zu einfach gedacht ist), ist es viel, viel wichtiger Kindern den richtigen Umgang damit beizubringen. Digitale Medien dürfen nicht nur Werkzeuge der Erziehung sein, sie müssen auch zum Inhalt werden, und zwar auf realistische und nicht verteufelnde Weise. Und das geschieht m.E. viel zu wenig.
Computer im unterricht überschätzt
Der Einsatz von Computern im Unterricht der Schulen wird überschätzt.
Bei allen Studien muss man erst mal fragen, wer sie in Auftrag gegeben hat, bzw. von welchem Interesse sie geleitet sind. ***
Und Tablets bringen eh nichts, die sind eher zur Unterhaltung praktisch.
Generell zeigt sich, dass gute Schüler auch mit den Computern gut umgehen können. Auswertung, Formeln, graphische Darstellung, Kreativität, kleine Anwendungen selber programmieren, Recherche usw. Da zeigt sich, dass gute Schüler meist auch gut sind.
Selbst wenn sie nicht dauernd am PC rumhängen.
***(Prinzipiell ist es ja inzwischen so, dass man an jeder Ecke versucht, dem Staat irgendwelche Versäumnisse vorzuwerfen, die dann vor allem mit der Bereitstellung von Mitteln für bestimmte Gruppen behoben werden sollen.)
Völlig richtig
Eines muss klar sein: das Leben findet OFFLINE statt. Alles andere ist Mumpitz. Lediglich Unterhaltung.
Der Lehrerschaft fehlt es an Kompetenz
"Die Skepsis gegenüber Computern ist in unseren Lehrerzimmer doch weit verbreitet. "
Es ist nicht nur Skepsis, es ist häufig auch totale Ablehnung bis hin zur totalen Unfähigkeit. Ich hatte als Schüler stets den Eindruck, es ginge der Lehrerschaft eher ums Prinzip. Computer und Smartphone sind häufig ein "Ding der Schüler", gegen die die Lehrer meinen, kämpfen zu müssen - anstatt sich ensprechend zu bilden.
Viele werden folgendes kennen: Der Lehrer fragt in die Runde, wer den DVD-Player/Beamer etc. anschließen kann, ein Schüler übernimmt die Sache dann. Ich finde es zwar nicht generell schlimm nach Hilfe zu fragen, aber wenn der Lehrer nicht in der Lage ist, eine DVD abzuspielen halte ich das dennoch für ein völlig falsches Signal an die Schüler.
Ich fürchte man wird insbesondere die älteren Lehrere nicht dazu bekommen, ihrer Pflicht zur Fortbildung in diesem Bereich nachzukommen. Peinlich und Schade, aber typisch für unser Bildungssystem.