ZEIT ONLINE: Frau Karakayali, Sie kommen in Ihrer Studie zu Willkommensklassen in Berlin zu dem Ergebnis, dass Flüchtlingskinder besser gleich in normale Grundschulklassen eingeschult werden sollten. Warum?
Juliane Karakayali: Willkommensklassen haben zu viele Nachteile. Oft ist die Fluktuation und damit die Unruhe sehr groß: Familien müssen in einen anderen Bezirk ziehen oder werden abgeschoben. In Berlin gibt es außerdem kein Curriculum für die Willkommensklassen. Der Lernstand wird häufig nicht überprüft. Die Lehrer bestimmen individuell, was und wie gelernt wird und müssen sich sogar ihr Material selbst zusammensuchen. Wie gut der Unterricht ist und ob die Kinder auch Fachunterricht haben, hängt dann allein von den Lehrkräften ab. Das einzige vorgegebene Ziel ist, dass die Kinder schnell Deutsch lernen. Nur dazu bräuchten sie eigentlich andere Deutsch sprechende Kinder um sich. In der Willkommensklasse bleiben sie unter sich.
ZEIT ONLINE: Könnte nicht der Hort eine wichtige Ergänzung zu den Willkommensklassen sein?
Karakayali: Theoretisch ja. Oft gibt es jedoch niemanden, der die Eltern informiert und ihnen hilft, die nötigen Anträge zu stellen. Es hängt vom Engagement einzelner ab, ob Flüchtlingskinder in den Hort gehen.
ZEIT ONLINE: Die Kinder sollen die Willkommensklassen eigentlich möglichst schnell wieder verlassen.
Karakayali: Ja, aber auch der Übergang ist nicht formal geregelt. Schulen entwickeln manchmal eigene Tests oder Lehrer entscheiden einfach nach ihrem Bauchgefühl, ob ein Kind bereit dafür ist. Außerdem gibt es nicht immer einen Platz in den Regelklassen. Die Kinder müssen warten oder die Schule wechseln. Wir haben Sorge, dass sich dadurch die Trennung verfestigt.
ZEIT ONLINE: Wie funktioniert die Zwischenlösung, die an vielen Schulen angeboten wird? Die Kinder sind zwar zum Deutschlernen in der Willkommensklasse, besuchen aber je nach Können schon den Sport-, Kunst- oder Matheunterricht der anderen Klassen.
Karakayali: Auch für diese sogenannte teilintegrative Lösung gibt es keine verbindlichen Strukturen. Es hängt immer vom Engagement der Lehrer sowohl der Willkommensklassen als auch der Regelklassen ab, ob die Kinder am Fachunterricht teilnehmen können und dort auch integriert werden.
ZEIT ONLINE: Spricht nicht aber für die Willkommensklasse, dass sie den Flüchtlingskindern Schutz bietet, die oft Schreckliches erlebt haben? Es sind nur wenige Schüler in der Klasse, sie haben noch keinen Leistungsdruck. Die Lehrer können sich auf das einzelne Kind einlassen und erkennen, wenn eines traumatisiert ist.
Kommentare
Der Lernstand wird häufig nicht überprüft. Die Lehrer bestimmen individuell, was und wie gelernt wird und müssen sich sogar ihr Material selbst zusammensuchen. Wie gut der Unterricht ist und ob die Kinder auch Fachunterricht haben, hängt dann allein von den Lehrkräften ab.
die Flüchtlingszahlen steigen eigentlich seit 2014 , das sind fast 2 jahre , da hätte man sich Gedanken machen können wie man mit diesen Problem umgeht
Im Prinzip Zustimmung, aber diese Art der Vorbereitung hätte ja auf vielen anderen Gebieten auch stattfinden müssen: Unterbringungsmöglichkeiten, Ausbildung von Dolmetschern und Sozialarbeitern, Ausbildung von Trauma- spezialisierten Psychologen, Vorhalten von Berufsausbildungsplätzen und und und. Man möge sich mal in die Zeit so um 2012, 2013 zurückdenken: Wenn Politiker und Verwaltungsmitarbeiter mit solchen Ideen gekommen wären, was wäre denn passiert? Sie wären im besten Falle ausgelacht worden. "Wofür soll hier Geld ausgegeben werden? Für die Vorbereitung auf eine Flüchtlingswelle? Das ist wohl nicht ihr Ernst oder? Und außerdem, wenn wir das alles vorbereiten, ist das nicht eine Generaleinladung aller Flüchtlinge nach D? Wer will das?"
Was sagen denn die Kolleginnen und Kollegen eines pädagogischen Lehrstuhls dazu?
Das würde mich auch interessieren.
Aussagen wie diese "Die Klasse mit den Flüchtlingen ist besonders sichtbar, die Schüler werden manchmal sogar angefeindet. Das hört auf, wenn die Kinder in die Regelklassen aufgenommen und Teil der Schulgemeinschaft werden. " sprechen für wenig praktische Erfahrung. Wenn es Anfeindungen gibt, dann hören die nicht automatisch auf, wenn die Kinder als Einzelgänger oder in kleinen Gruppen in Regelklassen überführt werden.
Auch fehlt mir die Interviewfrage, welche Auswirkungen Flüchtlingskinder auf das Lernverhalten der Regelschüler haben. Auch das natürlich eher eine Frage an pädagogische Wissenschaftler.
Zu guter Letzt hängt die Vorgehensweise von der Gesamtstrategie ab, was mit den Flüchtlingen in den nächsten Jahren passieren wird. Die Grundidee des Schutzes nach der Genfer Konvention ist ja die künftige Rückkehr. Wenn das die Strategie wäre, muss man die Kinder vor allem auf die Rückkehr vorbereiten.
Ich kann die Argumentation von Frau Karakyali durchaus nachvollziehen, jedoch nur aus Sicht der Flüchtlinge.
Warum müssen die Kinder die Integrationsleistung vollbringen, welche ihnen von verantwortungslosen - und wie z.B. im Falle Merkel oft auch kinderlosen - Menschen eingebrockt wurde? Vermutlich ist der Gesamtnutzen größer, aber dass muss dargelegt werden.
Und selbst dann würd ich Bauchschmerzen haben, warum ich die Zukunft meiner Kinder - wenn auch nur marginal - verschlechtern soll, nur um Leuten zu helfen, die meiner Einschätzung nach hier keinen Hilfsanspruch haben.
" Und selbst dann würd ich Bauchschmerzen haben, warum ich die Zukunft meiner Kinder - wenn auch nur marginal - verschlechtern soll, nur um Leuten zu helfen, die meiner Einschätzung nach hier keinen Hilfsanspruch haben."
Sind Sie sich bei marginal so sicher? Haben wir denn nicht schon genug Erfahrungen mit Klassen, die eine zählbare Anzahl von Migranten haben?
Die Frage, ob der Unterricht der "restlichen" Schüler bei der Aufnahme von nicht deutsch sprechenden Schülern in die normalen Klassen noch auf einem ausreichenden Niveau durchgeführt werden kann, wird interessanterweise garnicht gestellt. Scheint nicht so wichtig zu sein.
Die Frage, ob der Unterricht der "restlichen" Schüler in Inklusionsklassen noch auf einem ausreichenden Niveau durchgeführt werden kann, wird interessanterweise ebenfalls garnicht gestellt.
Die Schüler werden in beiden Fällen aber eine deutlich höhere soziale Kompetenz aufweisen.