Wer in diesen Tagen die britischen Medien verfolgt, findet vor allem ein Thema: den BBC-Star Jimmy Savile, dem vorgeworfen wird, Kinder und Jugendliche missbraucht zu haben – und das damit einhergehende Versagen der BBC . Fest steht schon jetzt, dass die Führungsmannschaft der BBC , des wohl einflussreichsten Senders der Welt, in naher Zukunft einige neue Gesichter zeigen wird. Es könnte sogar sein, dass der gerade erst gekürte neue Generaldirektor der BBC , George Entwistle, seinen Posten nach nur wenigen Monaten im Amt verlieren wird.
Der Skandal wird als die "schlimmsten Krise der BBC seit 50 Jahren" gesehen. Dieses Urteil fällte John Simpson, ein BBC-Urgestein, diplomatischer Chefkorrespondent des Senders. Selbst der linksliberale Guardian , einer der treuesten publizistischen Verbündeten der BBC, schrieb, dass das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Sender schwer erschüttert sei.
Jimmy Savile, der im vergangenen Jahr gestorben ist, war eine BBC-Ikone ganz besonderer Art, am ehesten vergleichbar vielleicht mit einer TV Persönlichkeit wie Thomas Gottschalk . Savile präsentierte in den 1960er Jahren die enorm populäre Musiksendung " T op of the Pops " in Radio und Fernsehen, stets umgeben von Teenagern und jungen Frauen, die ihn anhimmelten. In jenen Jahren waren DJs berühmter als die Bands, selbst als die Beatles, die dort live auftraten.
Der Helfer von Kindern und Jugendlichen
Er war eine eigentümlich exzentrische Figur, ein Mann aus der "Working Class", mit langer weiß-blonder Mähne und stets einer Zigarre im Mund. Nach einer harten Jugend, in der er als Kumpel in Kohlegruben schuftete, hatte er den Sprung in die BBC geschafft, damals mehr noch als heute eine Bastion der gehobenen Mittelschichten. Mit seiner Sendung "Jimmy will fix it" (Jimmy wird's richten) etablierte er sich als Helfer junger Menschen. Er unterstützte Kinderheime und Sonderschulen für "schwierige, gestörte Mädchen", gründete diverse Stiftungen, sammelte unermüdlich Geld und wurde für seinen Einsatz vom britischen Establishment mit Ehren und Auszeichnungen bedacht, inklusive des Ritterschlages durch die Queen.
Jimmy Savile war ein Geschöpf der BBC, ein Star, gehätschelt über 40 Jahre lang, ein Mann, auf den die filmischen Lobeshymnen fertig gedreht waren. Nach seinem Tod im Oktober 2011 schwelgten alle, BBC, Qualitätspresse wie Boulevardblätter, in Elogen auf den Verstorbenen.
Dabei kursierten seit Jahren Gerüchte über sein "sexuelles Raubtierverhalten", so die Formulierung der Polizei, wurden aber lange in den Medien nicht aufgegriffen, weder von der BBC noch von irgendeiner anderen Institution. Erst seit 2007 ermittelte die Polizei einige Male gegen Savile. Doch die Ermittlungen wurden wegen Mangel an Beweisen eingestellt oder weil Zeugen doch nicht aussagen wollten.
Erst nach seinem Tod im Oktober 2011 begannen Redakteure von BBC Newsnight , dem analytischen Flaggschiff des Senders, den Anschuldigungen nachzuspüren. Diverse Zeugen wurden interviewt, die Savile sexueller Übergriffe bezichtigten und die auch bereit waren, vor Gericht auszusagen. Nach Meinung des Redaktionsteams war der fertige Film hieb- und stichfest – doch Peter Rippon, Leiter der Newsnight -Redaktion, trat auf die Bremse, obwohl er sich zunächst enthusiastisch über die "exzellente" Sendung gezeigt hatte. Offenkundig wurde ihm signalisiert, dass es besser sei, das Programm nicht zu senden. Der Film wurde abgesetzt.
In einer an die Öffentlichkeit gelangten E-Mail einer BBC-Redakteurin zeigt sich, wie der Chef von Newsnight später versuchte, das Thema herunterzuspielen: "Wenn wir seine Argumente (gegen die Ausstrahlung) widerlegen, sagt er: Nun, das ganze lief vor 40 Jahren ab, die Mädchen waren Teenager, also nicht zu jung, und im Übrigen handele es sich nicht um die schlimmste Art von sexuellen Verfehlungen".
Kommentare
Nicht schweigen, sondern reden
Ein unverzeihliches Versäumnis der BBC ist darin zu sehen, dass die Berichterstattung über den gerade verstorbenen Savile unterdrückt wurde. Ein anderes Versäumnis wäre es aber, dem Treiben jahrzehntelang zugesehen zu haben. Es ist verblüffend, und nicht nur mit den wilden und vergangenen Zeitend er 1960er und 1970er erklärbar, wie lange prominente oder mächtige Männer sich daneben benehmen dürfen, bevor sie öffentlich zur Rede gestellt werden. Die Gesellschaft will solche Diskussionen offensichtlich nicht, die Medien wollen sie nicht, und leider scheinen die betroffenen Frauen sie auch nicht zu wollen. Denn woher kommen mit einem Male die über 200 Frauen, die sich als Opfer gemeldet haben, und warum haben sie sich nicht vorher gemeldet? Das erinnert auch ein wenig an Strauß-Kahn, der seine Übergriffe bis in höchste Ämter aus der Öffentlichkeit heraushalten konnte und sich mehr oder weniger damit entschuldigte, dass er die Frauen eben liebe, womöglich noch mit dem koketten Zusatz "vielleicht etwas zu sehr". Beginnen muss man aber bei den bertoffenen Frauen; wenn die schweigen, kann man wenig machen. Wenn sie aber reden, verdienen sie alle Unterstützung bei der Aufklärung, auch die der Medien.
Macht
Bei der katholischen Kirche waren es vornehmlich Männer die solange geschwiegen haben, bis der Skandal vor wenigen Jahren aufgedeckt wurde. Es sind also nicht nur Frauen und Mädchen immer die Opfer.
Warum solange geschwiegen wird ist eine gute Frage. Ich denke es hat mit systematischen Machtausnutzung der Täter und dem Scham der Opfer zu tun.
Diese Vorabbeschwichtigungen, dass das alles
"heute alles nicht mehr möglich" sind ziemlich deplaziert, denn die Berichte von BBC-Insidern in der britischen Presse haben einen deutlich anderen Tenor!
http://www.guardian....ma...
Und man sehe sich dieses Video eines Dialogs zwischen Charlotte Church und Chris Mosley von 2007 an.
http://www.youtube.com/wa...
Da gesteht ein DJ auf offener Bühne, eine 15jähige im Studio angebaggert zu haben, und es geht allenfalls als Joke durch, der den coolen Star noch cooler macht.
Entfernt. Bitte verfassen Sie sachliche Kommentare zum konkreten Artikelinhalt. Danke, die Redaktion/au.
40 Jahre sind keine pauschale Entschuldigung trotz Groupiekultur und dem Ausporbieren freier Liebe.
Aber auch keine Erlaubnis, einen zum Schwerverbrecher zu machen und vom Einzefall unbegründet einen Pädophilenring zu konstruieren. Und sexuelles Raubtierverhalten heisst nicht automatisch Gewalt und übergriffig.
Und dass auch Redakteure von Sensationsmacherei nicht gefeit sein dürften ist klar. Die Instrumentalisierung von Feministinnen wird es wohl wieder geben und die Empörten und Selbsgerechten haben wieder Freudentage.
da shättedn ei aber soweiso gehabt des wegne wasr blöd,den Film nicht zu senden. Sollte allerdings Schutz von Einzelnen oder Netzwerken, die palnmässig Missbrauch getrieben haben das Motiv gewesen sein, siehts anders aus. Dannn wirds unstreitig kriminell.