Frage: Haben Sie noch Vertrauen in die katholische Kirche?
Paul Kirchhof: Ja. Wir müssen den Blick über Einzelfall und Einzelkritik hinausrichten und das Grundsatzanliegen von Glauben und Kirchlichkeit verstehen. Kirchen geben dem Menschen eine geistige Weite. Wer seine Begrenztheit, seine Endlichkeit empfindet, wird fragen, ob es darüber hinaus ein Nichts oder eine Zukunft gibt. Er will wissen, wie aus dem Nichts ein Etwas, aus dem Etwas ein Mensch entstanden ist. Die Kirchen geben seit 2.000 Jahren darauf Antworten.
Frage: Aber immer weniger Menschen wollen Mitglied einer Kirche sein.
Kirchhof: Natürlich gibt es Krisenbefunde im Staat und in den Kirchen. Aber darin steckt der Auftrag, es besser zu machen.
Frage: Vor drei Jahren erschütterte der Missbrauchsskandal vor allem die katholische Kirche. Ist danach etwas besser geworden?
Kirchhof: Die Kirche ist immer wieder in der Lage, sich grundlegend zu erneuern. Das zeigt gegenwärtig der Papst, der neue Impulse setzt. Denken wir an die aktuelle Befragung zum Thema Ehe und Familie und an die Verantwortlichkeit, die dabei den Ortskirchen zugewiesen wird. Das ist etwas, was sich viele in Deutschland gewünscht haben.
Frage: Das reicht Ihnen?
Kirchhof: Jede Institution bleibt am Leben, wenn sie sich erneuert. Die Kirche hat – wie auch der Verfassungsstaat – hohe Ideale, die sie mit unzulänglichen Menschen zu verwirklichen sucht. Unter den Aposteln waren zwei Verräter: Judas und Petrus. Und Petrus hat die Kirche gegründet. Diese Gründungsgeschichte lehrt uns, dass Unrecht nicht verschleiert und beschönigt wird, dass jeder sein Tun verantworten muss, dass aber unsere Ziele nicht fragwürdig werden, wenn die Menschen sie immer wieder verfehlen. Fehler sind Ansporn, sie in Zukunft verlässlich zu vermeiden.
Frage: Der Bischof von Limburg hat, anders als Petrus, keine erkennbare Reue gezeigt.
Kirchhof: Ich kenne die Einzelheiten der Vorgänge in Limburg nicht. Doch ist jetzt eine Kommission eingesetzt, die den Sachverhalt aufklären wird. In dieser Phase wünsche ich mir für alle Beteiligten ein faires Verfahren. Nach unserem Verfassungsrecht gilt auch in der Aufgeregtheit einer öffentlichen Debatte eine Unschuldsvermutung, bis ein Vorwurf nachgewiesen wird.
Frage: Wie erklären Sie sich, dass ein kleines Bistum eine solche Aufmerksamkeit erregt?
Kirchhof: Ich beobachte gegenwärtig, dass wir eine dramatische Entwicklung zu einer prinzipiell empörten Gesellschaft erleben. Früher gab es den einen oder anderen Anlass, der Empörung auslöste. Heute sucht eine ständig vorhandene Empörung immer wieder einen neuen Anlass. Das hängt damit zusammen, dass uns gegenwärtig in Deutschland glücklicherweise existenzielle Gefährdungen erspart bleiben, aber auch mit den Medien, die täglich um ihre Leser und Zuschauer ringen müssen.
Frage: Liegt in Ihrer Medienkritik eine Spur Bitterkeit über den Wahlkampf 2005, als Gerhard Schröder gegen Sie als "Professor aus Heidelberg" polemisierte?
Kirchhof: Meine Erfahrungen im Wahlkampf waren herb und heftig, aber auch lehrreich. Im Wahlkampf geht es um das Erhalten und Gewinnen von Macht. Dem ist alles untergeordnet. Behauptungen gelten nicht einer Person, sondern der konkurrierenden Partei.
Kommentare
Achtung off-topic
"Die Kirche sollte sich von politischer Macht fernhalten" - und Leute wie Kirchhof sollte man von ebenfalls von jedwedem Einfluss auf die Gesetzgebung fernhalten - schließlich verdanken wir seinem Handeln die neue Rundfunksteuer- schönen Dank noch mal Hr. Kirchhof für diese tolle Zwangsabgabe. Ich hoffe Ihr Rundfunksteuerkonzept hat sich für Sie in jedweder Hinsicht gelohnt.
Kompetenzanmaßung der Kirchen
Professor Kirchhof war und ist einer der klügsten Köpfe unseres Landes.
Den Kirchen rennen die Mitglieder davon, weil sie zu jedem politischen und ökonomischen Thema ihren Gutmenschen-Senf dazu geben. Aufgabe einer Kirche ist es, durch die "Hirten" Orientierung zu vermitteln - und zwar eine positive! Sowohl die evangelische wie auch die katholische Kirche sollten sich - wenn überhaupt - nur aktiv (und gegebenenfalls proaktiv) unterstützend zu Wort melden.
Keiner der geistlichen Repräsentanten der Kirchen wurde vom Volk auf politischer Ebene gewählt, also hat auch keiner dieser Repräsentanten ein Mandat dazu, in gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen für mehr Menschen zu sprechen als für sich selbst in der Eigenschaft als Individuum.
Weder Kirchen noch Freiwillige Feuerwehren, weder Kaninchenzüchtervereine noch Landfrauenverbände haben ein politisches Mandat.
Also mögen sie bitte auch schweigen!
Frage und ein paar Anmerkungen
Zitat: "Weder Kirchen noch Freiwillige Feuerwehren, weder Kaninchenzüchtervereine noch Landfrauenverbände haben ein politisches Mandat.
Also mögen sie bitte auch schweigen!" Zitatende
Welches politische Mandat hat gleich nochmal Paul Kirchhof?
Sie schrieben ja in einem anderen Kommentar, dass Sie die ersten 28 Jahre ihres Lebens in der DDR verbrachten. Offenbar rührt aus dieser Zeit Ihr sehr seltsames Verständnis von Meinungsfreiheit. Zu politischen Themen dürfen sich nur Menschen und Institutionen mit politischem Mandat äußern? Was ist z.B. mit Herrn Hundt - der darf in Ihren Augen doch sicherlich gegen den Mindestlohn polemisieren, oder irre ich mich da? Besonders komisch finde ich Ihren Kommentar, weil Sie offenbar ein glühender Anhänger der FDP sind - einer - zumindest in Ihrem Verständnis - liberalen Partei.
Das ist Meinungsfreiheit a la DDR: Wenn man die in Ihren Augen richtige Meinung vertritt, dann darf man sie auch äußern.....LOL
Hoffentlich wird die Kichhoffsche Rundfunkgebühr...
...oder sollte ich sagen Steuer ? noch gekippt.
Zinsbesteuerung (E 84, 239) – Eine Besteuerung der Kapitalerträge, die ausschließlich auf der Steuererklärung (Deklaration) beruht, ohne kontrolliert werden zu können (Verifikation), leidet an einem strukturellen Vollzugsdefizit und verstößt deshalb gegen den Gleichheitssatz.
beruht auf Kirchhof.
aber alle zahlen lassen, obwohl niemand kontrollieren kann, wer überhaupt einen Fernseher besitzt, soll wirksam sein ?
Freibrief zur masslosen Selbstbedienung der ör Rundfunkanstalten, sollte genauso gekippt werden, wie Selbstbedienung der Kirchen bei allen Nichtmitgliedern, über steuerliche Umwegfinanzierung, etwa von Beischöfen.
Lieber ein Weiser aus dem Abendland, der hier zu Gericht sitzt, als drei Weise aus dem Morgenland, von denen Kirchhof schwärmt.
lachkrampf
schon bei der ersten antwort:
"Kirchen geben dem Menschen eine geistige Weite. Wer seine Begrenztheit, seine Endlichkeit empfindet, wird fragen, ob es darüber hinaus ein Nichts oder eine Zukunft gibt. Er will wissen, wie aus dem Nichts ein Etwas, aus dem Etwas ein Mensch entstanden ist. Die Kirchen geben seit 2.000 Jahren darauf Antworten."
bei einer solchen aussage könnte man meinen, dass die aufklärung sich nicht in frankreich entwickelte, sondern dank der kirch schon seit ca 300 nach christus statt findet...warum wird so jemand interviewt? was ist der mehrwert?