Bilder und Daten erinnern an die wilden Jahre nach der Wiedervereinigung. Normalbürger und Neonazis äußern Seite an Seite ihren Hass auf "Fremde", dann folgt Gewalt. Die Unterschiede scheinen nur graduell zu sein. Damals beteiligten sich in Hoyerswerda und Rostock Teile der Bevölkerung an den pogromartigen Ausschreitungen, heute laufen Tausende zu den Kundgebungen von Pegida – die Bewegung und ihre Ableger in Sachsen und anderen Ländern behaupten allerdings, keinesfalls ausländerfeindlich zu sein und gegen jede Gewalt.
Wie fremdenfeindlich ist Deutschland?
Ein oberflächlicher Blick auf wissenschaftliche Daten lässt vermuten, das Problem sei gar nicht so groß.
Die Zustimmung zu ausländerfeindlichen Aussagen sei "stark rückläufig", stellte das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld Ende 2014 fest. In der Studie, basierend auf einer repräsentativen Umfrage und erstellt im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, zeigt ein Diagramm die Abnahme ausländerfeindlicher Einstellungen von 25,1 Prozent im Jahr 2012 auf nur noch 7,5 Prozent. Das ist der mit Abstand niedrigste Wert in den 14 Jahren, in denen das Institut "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" untersucht. Das Ergebnis hat überrascht – zumal zeitgleich in Dresden die Demonstrationen der Pegida anschwollen und in mehreren Bundesländern Ableger auftauchten, wenn auch mit mäßigem Erfolg. Für das Resultat der aktuellen Studie haben die Forscher allerdings eine ernüchternde Erklärung.
Es sei zu beachten, dass die öffentliche Diskussion über den Schaden, den der NSU-Terror und rechtspopulistische Propaganda gegen Zuwanderer anrichten, "die Zustimmungsbereitschaft zu offen abwertenden Einstellungen und das Bekenntnis zu rechtsextremen Einstellungen beeinflussen, weil diese öffentlich geächtet wurden". Die Interpretation der Forscher passt offenkundig zum Auftreten von Pegida und der Alternative für Deutschland (AfD). Protestbewegung und Protestpartei äußern unisono, mit Rassismus hätten sie nichts zu tun und es gebe keine Berührungspunkte zum Rechtsextremismus. Ähnlich argumentiert auch in Teilen das Fußvolk. Gleichzeitig sind aber auch hier wie bei den Anführern diskriminierende Sprüche über Asylbewerber und Muslime zu hören. Im Januar forderte Alexander Gauland, Vizechef der AfD und Fraktionsvorsitzender in Brandenburg, Zuwanderung aus dem Nahen Osten nach Deutschland zu verhindern. Eine ideologische Nähe zur NPD und anderen offen agierenden Rassisten bestreitet Gauland allerdings vehement.
Ist Tröglitz ein Einzelfall?
Die Demonstrationen der NPD gegen Flüchtlinge in dem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt, die den Rücktritt des Bürgermeisters zur Folge hatten, und der Brandanschlag vom Wochenende sind nur ein Fall von vielen. Das Bundeskriminalamt zählte allein in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres in ganz Deutschland 86 Attacken auf Unterkünfte von Flüchtlingen.
Das waren bereits mehr Angriffe als in den Jahren 2013 und 2012 zusammen. Die Palette der Straftaten reicht von Hakenkreuz-Schmierereien über Steinwürfe bis zu Brandstiftungen. Allerdings werden nur wenige Fälle in der Öffentlichkeit so intensiv wahrgenommen wie der Anschlag in Tröglitz.
Gibt es Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland?
Die Zahlen der Polizei zu rassistischen Straftaten in Deutschland im vergangenen Jahr liegen noch nicht vor, doch eine stärkere Belastung der neuen Bundesländer ist zu vermuten. Seit der Wiedervereinigung ist der Anteil einschlägiger Delikte, hochgerechnet auf die Zahl der Einwohner, im Osten regelmäßig höher als in Westdeutschland. Indizien, dass das auch 2014 so gewesen sein könnte, gibt es bereits. Im März verkündete Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD), in seinem Land habe Gewalt von rechts den höchsten Stand seit 2007 erreicht. Die Polizei habe 73 Fälle registriert. Die meisten, insgesamt 49, wurden als fremdenfeindlich eingestuft. Westdeutschland ist aber keinesfalls unbelastet. Mit Sorge sehen beispielsweise die Behörden in Nordrhein-Westfalen, dass die rechtsextreme Szene in Dortmund brachial gegen Asylbewerber agitiert. Im Februar tauchten Neonazis, teilweise vermummt, mit Fackeln vor einem Flüchtlingsheim auf und warfen Feuerwerkskörper. Die schon lange andauernde Hetze der Rechtsextremisten hat sich für sie auch schon ausgezahlt. Bei den Kommunalwahlen im Mai 2014 erhielt die braune Kleinpartei Die Rechte in Dortmund und im nahen Hamm je einen Sitz im Stadtparlament.
Welche Rolle spielt die NPD?
Die Partei versucht, von der flüchtlingsfeindlichen Stimmung in Teilen der Bevölkerung zu profitieren. Die Demonstrationen in Tröglitz gegen die geplante Unterbringung von Asylbewerbern im Ort wurden von der NPD initiiert. Dennoch ist sie von einem Aufschwung offenbar weit entfernt. Die Partei, der ein Verbot droht, ist vielen Bürgern, die Angst vor der Ankunft von Flüchtlingen haben, zu radikal. Auf makabre Weise rächt sich, dass die NPD unverhohlen eine rassistische Gesinnung präsentiert. Die verbale Doppelbödigkeit von Pegida und AfD lehnt sie ab. Doch folglich zieht es viele ausländerfeindlich eingestellte Normalbürger, die nicht als rechtsextrem gelten möchten, eher zu Pegida und AfD als zu "den Nazis" der NPD.
So hat die AfD in Sachsen dazu beigetragen, die rechtsextreme Konkurrenz aus dem Landtag zu befördern. Bei den Wahlen im August 2014 flog die NPD-Fraktion nach zehn Jahren raus. Von diesem Schlag hat sich die Partei bis heute nicht erholt. Und im Herbst begann dann Pegida, der NPD auch die Straße wegzunehmen. So verlor die Partei eine ihrer beiden Hochburgen im Osten, jetzt bleibt nur noch Mecklenburg-Vorpommern. Hier ist die NPD mit fünf Abgeordneten im Landtag vertreten. Doch der Ausblick ist für sie düster. Im Januar kam die NPD in einer Umfrage in Mecklenburg-Vorpommern nur noch auf 1,4 Prozent.
Kommentare
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Wir machen die Rechten sehenden Auges stark
Man kann auf diesen einfachen Zusammenhang immer wieder hinweisen aber die wenigsten wollen es glauben.
Wenn wir die realen Probleme des mißbrauchten Asykrechts, der Zunahme der Kriminalität seit der Grenzöffnung oder einer archaischen Religion anspricht wird man mit Gülle überschüttet oder der Gegenüber macht die Augen zu und sagt "Ich sehe kein Problem"
Durch ein solches Verhalten ist noch niemals in der Weltgeschichte etwas besser geworden sondern nur wenn man die Auswüchse bekämpft und dem Bürger derart signalisiert "Wir kümmern uns" aber nicht durch das manträhnliche Murmeln von " es gibt keine Probleme, du bist ein Nazi"
Ich habe es schon so oft gesagt. Soi machen wir die extremen Rechten stark und gesellschaftsfähig. Ihr Gesundbeter habt einen großen Anteil daran solltet aber nicht stolz auf euch sein.
@2 Best Practice
> Ihr Gesundbeter habt einen großen Anteil daran
Mit Verlaub ... mir scheint, sie machen es sich Polarisierung und gegenseitigen Stereotypisierung recht bequem.
Sie verlangen rechts der Mitte eine differenziertere Wahrnehmung und sehen links davon doch selbst nur Gesundbeter und Aggressoren, die jeden sich berechtigt sorgenden Bürger gleich "mit Gülle überschütten wollen".
Nur so eine Wahrnehmung am Rande ...
"Rechts"
ist ein Schlagwort - man kann auch links sein und dabei Ausländerfeindlich / Rassistisch - In Deutschland mag man damit zwar automatisch Rechtsextremismus verbinden, aber ich warne davor sich darauf zu verengen - zu stereotyp, denn weder sind alle Menschen, die politisch "rechts" der Mitte stehen Rassisten noch alle Menschen, die "links" der Mitte stehen weltoffene Bürger.
Machen wir uns nichts vor - in Deutschland gibt es sehr viel Ablehnung von Ausländern, insbesondere von Asylbewerbern - da gibt es nichts zu beschönigen, man sollte sich allerdings ansehen WER diese Menschen ablehnt - sprich also welchen geldtechnischen Hintergrund haben diese Menschen nicht welcher politischen Ausrichtung sie folgen.
Das Problem ist aus meiner Sicht, daß wir inzwischen mit einem komplexeren Giftcocktail konfrontiert sind als mit bloßer Ablehnung des Andersartigen, das Problem ist vielschichtiger geworden, schwerer zu fassen.
Andersartigkeit? Es geht nicht um Zoologie
>>Das Problem ist aus meiner Sicht, daß wir inzwischen mit einem komplexeren Giftcocktail konfrontiert sind als mit bloßer Ablehnung des Andersartigen ...<< Zitatende
Da Sie von "Andersartigkeit" sprechen: Der Artikel hat mit Zoologie nichts zu tun. Über den aus dem Tierreich entnommen und auch von Hitler im rassistischen Tagesgeschäft ausgiebig verwendeten Begriff der Art hat sich bereits Eberhard Jäckel in seinem Buch „Hitlers Weltanschauung“ lustig gemacht. In der Übertragung dieses Grundsatzes vom Tierreich auf menschliche Gesellschaften liegt ein Widerspruch, und der Unsinn dieser Argumentation springt in die Augen: Füchse und Gänse gehören verschiedenen Arten an. Menschen unterschiedlicher Hautfarbe oder Religion nicht.
Rechtsextremismus
"Allerdings werden nur wenige Fälle in der Öffentlichkeit so intensiv wahrgenommen wie der Anschlag in Tröglitz."
Man könnte auch sagen: "Nur wenige Fälle werden von den Medien so sehr zu einer rechtsradikalen Massenbewegung hochstilisiert wie der Anschlag von Tröglitz."
Tut mir Leid, aber wenn man sich den Umfang der Berichterstattung über Tröglitz so anschaut, steht dieser in keinem Verhältnis zu der Schwere der Tat. Hier soll den Deutschen insgesamt, die gerade erst gegen die insgesamt schon ziemlich gemäßigte PEGIDA zu Zehntausenden auf die Straße gegangen sind, mal wieder eine latente Fremdenfeindlichkeit untergeschoben werden.
Ein letztendlich eher folgenloser rechtsextremer Brandanschlag passiert und sofort rufen Politiker und Journalisten zur Hexenjagd auf, weil man sich als Inquisitor in Deutschland ohne großes Risiko profilieren kann.
Ich bin die Nazi-Keule langsam satt.
Sehe ich ähnlich
In Deutschland gibt es zwei Stufen: Normalbürger und Hardcorenazi.
Auch hier im Artikel gleich wieder der Aufreißer (um klicks zu generieren?) "fremdenfeindlich".
Ich denke, die meisten Pegida Mitläufer sind nicht fremdenfeindlich. Es gibt dafür den, wie ich finde, deutlich passenderen Begriff 'xenophob'. DAs ist es was mit dem Menschen ist, sie haben Angst. Im einfachsten Fall weil es etwas unbekanntes ist, im schlimmsten Fall weil sie Überfremdung befürchten (ok, das sind dann die Deppen, die in Mathe nicht aufgepasst haben).
HIER muss die Politik ansetzen, nicht immer betroffen sein wenn Hakenkreuze geschmiert werden, sondern dem Bürger erklären, warum die Flüchtlinge kommen, wie das Verfahren abläuft, wie die Zukunft des ganzen abläuft, BEVOR die Schmierfinken und Brandstifter unterwegs sind. Nicht immer nur: "du bist gegen ein Asylbewerberheim in deiner Nachbarschaft? Scheiß Nazi"
Aber die Kommunen scheinen bei diesen Problem auf sich allein gestellt zu sein: vorne und hinten fehlt Geld, der Bund gibt nur beschönigte Zahlen zu Asylbewerbern heraus, die Beamten, die die Anträge prüfen sind hoffnungslos überlastet, aber Hauptsache ist ja, dass sich Frau Schwesig im Kampf gegen rechts profilieren kann, wenn es irgendwo kracht... wäre ja schlimm wenn man normalen Wahlkampf führen müsste um auf die Titelseiten zu kommen.