"Ich bin nicht Polizist geworden, um Flüchtlinge zu plündern." Dieser Facebook-Post eines dänischen Polizisten namens Jacob Nielsen sorgte im Dezember für Aufsehen. Vorher war bekannt geworden, dass die dänische Regierung plant, Flüchtlinge bei ihrer Ankunft auf Wertsachen und Bargeld zu durchsuchen und ihnen beides abzunehmen, wenn es einen Wert von 3.000 Kronen (rund 400 Euro) übersteigt. Nielsen spielte auf Praktiken der Nazis an und auch die Washington Post zog diesen Vergleich.
Jetzt schaffte es eine neue Meldung in die Schlagzeilen: Auch in Bayern und Baden-Württemberg müssen Flüchtlinge Bargeld und Wertsachen abgeben. In Bayern dürften Flüchtlinge bei ihrer Ankunft 750 Euro Bargeld behalten, in Baden-Württemberg 350 Euro, das berichtete zunächst die Bild-Zeitung, bald übernahmen Agenturen und andere Medien die Meldung.
Tatsächlich nehmen nicht
nur diese beiden, sondern fast alle Bundesländer in Deutschland Asylbewerbern einen
Teil ihres Vermögens ab – sofern denn welches vorhanden ist. Grundlage dafür sind
die Paragrafen 7 und 7A des Asylbewerberleistungsgesetzes des Bundes, beide stammen bereits aus den
1990er Jahren.
In Paragraf 7 aus dem Jahr 1993 heißt es: "Bei der Unterbringung in einer Einrichtung, in der Sachleistungen gewährt werden, haben Leistungsberechtigte, soweit Einkommen und Vermögen im Sinne des Satzes 1 vorhanden sind, für erhaltene Leistungen dem Kostenträger für sich und ihre Familienangehörigen die Kosten in entsprechender Höhe der in § 3 Abs. 2 Satz 2 genannten Leistungen sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung zu erstatten." Konkret bedeutet das: Hat ein Flüchtling Vermögen, muss er dieses erst aufbrauchen, bevor er Leistungen in Anspruch nehmen kann. Das Gesetz schreibt einen Freibetrag von 200 Euro vor, ähnliche Regelungen gelten auch für Hartz-IV-Empfänger.
Im Jahr 1998 folgte
eine Ergänzung des Gesetztes um Paragraf 7A: Er erlaubt den Behörden, Vermögen
der Asylbewerber als Sicherheitsleistung einzuziehen. So soll verhindert werden,
dass Flüchtlinge das Geld ausgeben, bevor die Abrechnung der Sozialleistungen
gemacht ist.
Nur Bayern spricht von Durchsuchungen
Eine Umfrage unter
den Ländern ergab, dass im Prinzip alle Länder das Gesetz anwenden, jedoch
unterschiedlich streng. In Brandenburg etwa müssen Flüchtlinge bei der
Registrierung einen Fragebogen ausfüllen, der auf Seite fünf abfragt: "Besitzen
Sie Vermögen in ihrer Heimat, in Deutschland oder in einem anderen Land?" Auch
in Hamburg müssen Flüchtlinge eine Erklärung unterschreiben, genauso in Bremen,
Niedersachsen, Sachsen, Thüringen und Hessen. Überall gilt der Freibetrag von
200 Euro.
Explizit von
Durchsuchungen spricht nur Bayern. Asylbewerber
könnten entweder direkt beim Aufgriff durch die Polizei oder in den
Aufnahmeeinrichtungen auf Dokumente, Wertsachen und Geld durchsucht werden,
heißt es in einer Stellungnahme des bayerischen Sozialministeriums. "Die
jeweiligen Zugangszahlen sowie die personellen Kapazitäten bei Polizei und
Erstaufnahmeeinrichtungen haben dabei Einfluss auf den Umfang und die
Intensität der Kontrollen." Die Einnahmen fließen in den Staatshaushalt.
Wie viel Geld Bayern auf diese Weise eingenommen hat, konnte die Sprecherin des
Ministeriums allerdings nicht sagen.
Viel kann es nicht sein. In
Brandenburg hat noch nie ein Flüchtling Vermögen angemeldet, auch in Bremen ist
dem zuständigen Amt für Soziale Dienste
kein Fall bekannt, in dem Asylsuchende über ein so großes Vermögen
verfügt haben, dass sie sich an den Kosten für Unterkunft und Verpflegung
beteiligen mussten. "Es hat Einzelfälle gegeben, in denen Vermögen auf die
Auszahlung der Bargeldleistung angerechnet worden ist", sagte ein Sprecher. Das
bedeutet: Die Behörde hat die monatliche Auszahlung von 143 Euro erst geleistet,
nachdem das eigene Geld der Flüchtlinge aufgebraucht war.
Einzelfälle, aber nicht mehr
Baden-Württemberg berichtet
von Einzelfällen, in denen Bargeld einbehalten worden sei, es habe sich aber
nicht um große Mengen gehandelt. Immerhin: In Thüringen kamen im Jahr 2015 bis
Ende November 18.000 Euro zusammen. Betroffen waren 35 Personen.
Am Ende stellt sich heraus: Bayern und Baden-Württemberg, von denen in der Ursprungsmeldung die Rede war, sind die einzigen Länder, die den Freibetrag von 200 Euro freiwillig aufgestockt haben. In Baden-Württemberg gelten 200 Euro plus 150 Euro Taschengeld, in Bayern eigentlich 200 Euro. Aber konfisziert wird nur, was über 750 Euro hinausgeht. Wer die restlichen 550 Euro also schnell ausgibt, kann sie auch nicht mehr mit den Leistungen verrechnen.
Kommentare
Viele "Flüchtlinge" werden Immobilien haben. Und in Zeiten von electronic cash braucht man kaum noch Bargeld.
Jo. Die Immobilienhändler in z.B. Homs freuen sich bestimmt schon auf ihre Provisionen, wenn sie die begehrten Häuser der Flüchtlinge an den Mann bringen. Schlagen Sie also zu, es sind echte Schnäppchen darunter:
http://nena-news.it/wp-conte…
"Auch in Deutschland müssen Flüchtlinge Bargeld und Wertsachen abgeben, und zwar schon seit den 1990er Jahren. Nur: meistens haben sie gar nichts."
Ich frage mich, wie wird das festgestellt? Ich schätze, durch das Ausfüllen eines Formulars, richtig?
Wie bei der Angabe des Bildungsniveaus: "freiwillige Selbstauskunft"
Wie naiv müsste man sein, um davon auszugehen, dass die Leute zur Tür hereinkommen und sagen: "Ich beantrage hier Asyl, das sind übrigens meine Wertsachen und hier eine Liste meiner Sparguthaben, falls Sie etwas davon haben möchten!"
Im Artikel steht doch, daß auch eine Untersuchung der Wertgegenstände stattfinden kann.
Und ich wage zu bezweifeln, daß sehr viele von den Flüchtlingen Sparguthaben besitzen - und wenn, dann vermutlich auf einer syrischen Bank; sollte die sich allerdings im Kriegsgebiet befinden, gehe ich stark davon aus, daß eventuell die Unterlagen irgendwo noch existieren, die Bank allerdings nicht mehr. Auch Banken bzw. Banker und Bankangestellte pflegen zu fliehen, wenn ihnen Bomben auf den Kopf regnen.
Mein Bruder ist mit dreiundfnfzig Jahren arbeitslos geworden aufgrund Insolvenz der Firma, für die er über dreißig Jahre gearbeitet hat. Inzwischen ist er auf Arbeitslosengeld II angewiesen. Seine Rücklagen, die er in dreißig Jahren aufgebaut und in Deutschland versteuert hat, musste er zum größten Teil abgeben. Heisst: Erst als er diese verbraucht hatte, konnte und kann er von der Grundsicherung profitieren.
Er hat über dreißig Jahre Steuern bezahlt. Außer mich und meine Familie interessiert es niemanden, dass er seine Lebensleistung abgeben musste. Wir, d.h. ich und meine Schwester und unsere Mutter unterstützen ihn heimlich. Würden wir es offiziell tun, würden ihm auch noch diese Almosen genommen.
Für meinen Bruder hat sich noch nie ein Bundestagsabgeordneter oder ein Landtagsabgeordneter interessiert. Er beschwert sich auch nicht.
Jetzt aber überall Beschwerden zu hören, dass Menschen, die noch nie in ihrem Leben auch nur einen Euro in deutsche Sozialkassen oder an den Fiskus abgeführt haben, dazu herangezogen werden, für die Kosten ihrer Unterstützung beizustehen empfinde ich als verlogen und es macht mich wütend.
Danke für diese Rückmeldung. Es ist in der Tat erstaunlich, dass deutsche Arbeitslose und Armutsrentner mit "Schutzsuchenden" finanziell gleichgestellt werden. Eine solche Regelung ist wohl weltweit ziemlich einmalig -- insbesondere dann, wenn man echte Sozialstaaten betrachtet.
Dass Regelungen des Sozialstaates, die für "Einheimische" schon seit langer Zeit gelten, für Asylbewerber unzumutbar sein sollen, ist ebenfalls erstaunlich.
Irritiert hat vor allem die Abschaffung der Regelungen zur "Residenzpflicht", die vorsah, dass sich "Schutzsuchende" nur in ihrem Wohnort bzw. -kreis aufhalten dürfen. Dies wurde mit Verweis auf Integrationshemmnisse abgeschafft.
Viele Mitbürger wissen gar nicht, dass dieselbe Regelung für deutsche Arbeitslose ebenso gilt und NICHT abgeschafft wurde. So gilt für "Hartz-IV"-Empfänger die "Verfügbarkeitsanordnung", die festlegt, dass sich Arbeitslose im "zeit- und ortsnahen Bereich" von Jobcenter bzw. Arbeitsagentur aufzuhalten haben. Wenn sie ihren Wohnort auch nur kurzzeitig verlassen möchten, müssen sie bei der Behörde einen Antrag auf "Ortsabwesenheit" stellen, dessen Genehmigung im Ermessen des jeweiligen Sachbearbeiters liegt.
Dass eine solche Regelung also auch für "heimische" Arbeitslose gilt und auch weiter Gültigkeit besitzt, wird in den Medien und von der Politik gar nicht als problematisch angesehen. Daher fühlen sich viele Deutsche -- mit gutem Grund -- diskriminiert.