Sie hatten einen Tag der offenen Tür geplant im Husarenhof in Bautzen. Am 10. März wollte die Stadt das frühere Hotel und baldige Asylbewerberheim für die Anwohner öffnen. Wollte den Bürgern zeigen, wie die 300 Flüchtlinge untergebracht sind. Begegnungen ermöglichen, Vorurteile abbauen.
Das war der Plan.
Doch an diesem Montagmorgen ragen die schwarzen verkohlten Dachbalken des Husarenhofs in den Himmel. Rund um die Fenster klebt schwarz der Ruß, und unten vor dem Gebäude steht ein wütender Bürgermeister. Jemand hat die Unterkunft angezündet, und andere haben sich darüber gefreut, am Wochenende in Bautzen.
In der Nacht zum Sonntag, als der Brandalarm bei der Feuerwehr anging, hatten sich nach Polizeiangaben bereits rund 30 Personen auf dem Platz vor dem Hotel versammelt. Darunter einige Anwohner und drei Jugendliche im Alter von 19 und 20 Jahren, die, schwer betrunken, die Feuerwehrleute vom Löschen abhalten wollten. Zwei von ihnen nahmen die Polizeibeamten deswegen noch in der Nacht mit. Gegen sie ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft – und vor allem sie trifft der Zorn des Bürgermeisters Alexander Ahrens. "Ich lasse mir doch von ein paar Hohlköpfen nicht die Stadt kaputtmachen", sagt er an diesem Montag immer wieder.
Es ist sein erster Arbeitstag nach längerem Urlaub, eigentlich wollte er mit seinem Finanzchef und der Baubürgermeisterin über Details der Stadtplanung reden. Stattdessen muss er jetzt über den Brand reden, und über Rassismus in Bautzen in der Oberlausitz. Ein weiterer sächsischer Ort im Ausnahmezustand. Ahrens empfängt am Hotel und in seinem Büro im Halbstundentakt Journalisten.
Der 50-Jährige weiß selbst, dass es nicht nur um die drei Jugendlichen geht, dass das Problem weitaus tiefer liegt. Der Polizeibericht spricht diplomatisch von "offen abfälligen Bemerkungen" über das Heim und kaum verhohlener Freude über den Brand.
Bürgermeister in Jetzt-erst-recht-Stimmung
Der, sagt Ahrens, sei das "Werk von Profis" gewesen. "Da wusste jemand sehr genau, was er tut – und wie er maximale Wirkung erzielt." Zumal der oder die Täter offenkundig genau eine Lücke in den Streifenfahrten des Wachdienstes abgepasst hätten, der den Husarenhof regelmäßig kontrolliere.
Das Signal, das die verkohlten Dachbalken aussenden, hält der Oberbürgermeister, der die Journalisten kurzerhand in sein Büro mitgenommen hat, für fatal. Einerseits. Andererseits ist der ehemalige Steuerrechtsanwalt aus Berlin, der sich mit seinem gepflegten Vollbart, dem eleganten grauen Anzug und einem großen schwarzen Geländewagen als Dienstfahrzeug auch optisch von der Mehrzahl seiner Bürger abhebt, momentan in einer Jetzt-erst-recht-Stimmung.
Die 300 Flüchtlinge, die im Husarenhof einziehen sollten, werde die Stadt "so oder so" aufnehmen, sagt Ahrens. Und schiebt hinterher, dass die Kapazitäten in Bautzen damit "noch lange nicht ausgeschöpft sind". Aktuell seien in der Stadt etwa 650 Flüchtlinge untergebracht. Im gesamten Landkreis, der etwa die Größe des Saarlandes hat, seien es bei gut 300.000 Einwohnern rund 3.500. "Ich habe lange in Berlin-Neukölln gelebt. Da waren die Verhältnisse doch etwas anders."
Bautzen wolle und werde sich jetzt nicht den "Stempel der Fremdenfeindlichkeit" aufdrücken lassen, sagt Ahrens. Der Vater von vier Kindern, der privat in der Nähe des Husarenhofs wohnt, hatte im August vergangenen Jahres als Kandidat eines Mitte-links-Bündnisses den mehr als 20 Jahre amtierenden CDU-Oberbürgermeister abgelöst.
Anschlag mit Ansage
Als fremdenfeindlich würde auch Veselin Popović Bautzen nicht abstempeln wollen. Der Blogger, der im Zentrum der Oberlausitz aufgewachsen ist und mittlerweile in Berlin arbeitet, begleitet als Lauter Bautz'ner die Geschehnisse in seiner Heimatstadt – meist dezidiert kritisch. Aus seiner Sicht haben sich die Bautzener in den vergangenen 25 Jahren regelrecht einlullen lassen – von der Rathausspitze, aber auch von der sächsischen Landesregierung. Echtes zivilgesellschaftliches Engagement fehle. "Solange es dem Einzelnen weitgehend gut geht, wird weder nach links noch nach rechts genau hingeschaut, sondern lieber der Mantel drübergedeckt", sagt Popović. "Man will das auch gar nicht so genau wissen müssen." Für ihn resultiert daraus auch eine "gewisse Unwehrhaftigkeit gegen rechte Umtriebe", es fehle an "eingeübten Abwehrmechanismen".
Es gibt in Bautzen allerdings auch keine riesige Neonazi-Szene, die den Ort kontrollieren könnte oder gegen die Anwohner sich wehren müssten. Nur "zwei Handvoll Figuren" aus dem harten Kern, schätzt Popović. Popović hat in seinem Blog akribisch Vorfälle mit rechtsradikalem Hintergrund in der Stadt aufgelistet – und bereits im vergangenen Dezember Screenshots aus Facebook-Diskussionen publiziert.
Auf der Facebook-Seite Bautzen Steht Auf wurden Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte unter anderem so angedeutet: "Es wird auch nicht aufhören, es sei denn es passiert ein schwerer Anschlag!" Ein anderer User schrieb mit Blick auf den Husarenhof: "Hurra! Alle freuen sich, die Gutmenschen sind orgastisch happy. Leider muss der Dachstuhl noch etwas verschönert werden… Das wäre perfekt."
So kam es dann ja auch. Doch Oberbürgermeister Ahrens hält die Posts noch für keinen belastbaren Hinweis auf die Täter. "Ähnliche Sprüche und Kommentare haben Sie bei jeder geplanten Unterkunft", sagt er. Für ihn sind auch geistige Brandstifter auf Bundesebene mitverantwortlich für den Anschlag in seiner Stadt. In diese Kategorie fallen für Ahrens die AfD-Führungsfrauen Frauke Petry und Beatrix von Storch mit ihren Überlegungen, an den Grenzen Schusswaffen gegen Flüchtlinge einzusetzen. Aber auch CSU-Chef Horst Seehofer schaffe mit seinen Bemerkungen vom "Unrechtsstaat" einen "klimatischen Rahmen", in dem sich "auch die Brandstifter gut aufgehoben fühlen".
Bautzen bleibt bunt
Was für ein klimatischer Raum die 40.000-Einwohner-Stadt Bautzen ist, darüber ist der Bürgermeister naturgemäß anderer Meinung als der Blogger. Die Stadt beherbergt bereits vier Flüchtlingsunterkünfte, in denen der Betrieb weitgehend reibungslos laufe – und viele Befürchtungen der Bevölkerung sich schnell als "ziemlich übertrieben" herausstellten. Zudem gehe es der Stadt und den Einwohnern wirtschaftlich vergleichsweise gut – "hier kommen auf 1.000 Einwohner 670 Arbeitsplätze". Das ist seine Hauptbotschaft an diesem Tag: Es gibt in Bautzen keinen guten Grund für Flüchtlings- und Fremdenfeindschaft. Auch deshalb hofft er jetzt auf eine Gegenreaktion, und dass der Anschlag ein Wecksignal für die Stadtgesellschaft ist. "In Hoyerswerda hat sich nach den Angriffen auf die Flüchtlingsheime auch ein großes bürgerschaftliches Engagement gegen rechts entwickelt", sagt der Bürgermeister.
Das Gefäß für dieses Engagement ist schon da: Seit 2013 gibt es das Bündnis Bautzen bleibt bunt. Als damals die ersten "Unterkunftsankündigungen" vom zuständigen Landkreis die Stadt erreichten, beschloss ein Kreis um die Sozialarbeiterin Manja Gruhn aus dem alternativen Veranstaltungszentrum Steinhaus, seinen Teil zur Integration der Flüchtlinge beizutragen. Heute, erzählt Gruhn, habe das Bündnis einen Kern von etwa 50 Aktiven und rund 200 Freunden. Sie helfen den Neuankömmlingen mit Kleidung, Alltagstipps und -begleitung. Etwa 70 Leute haben Patenschaften übernommen, kümmern sich um Einzelne oder Familien. Bautzener könnten auch mit Geld- oder Sachspenden helfen, oder einfach mal "mit anpacken, wenn es nötig ist".
Jeder Vierte wählt rechts
Die Resonanz, sagt Manja Gruhn, zeige ihr, dass zivilgesellschaftliches Engagement in der Stadt doch funktioniere. "Und zwar am besten über persönlichen Kontakt." Deswegen werde das Bündnis nach dem Anschlag auch auf plakative Aktionen oder Demonstrationen verzichten. Laut sein, auf die Straße gehen, das scheint auch nach dem Anschlag nicht die Sache der Bautzener zu sein. Am Sonntagabend immerhin kamen einige zu einer spontanen Mahnwache zusammen. Die Teilnehmerangaben schwanken zwischen 70 und 300.
Gruhn und die anderen wollen nun beharrlich weiter "mit Begegnungen Vorurteile abbauen". Nach den Ergebnissen im Wahlkreis Bautzen bei der vergangenen Landtagswahl 2014 zu urteilen, könnte da einige Arbeit auf sie zukommen: Damals hat jeder Vierte hier NPD oder AfD gewählt.
Kommentare
Entfernt. Verzichten Sie auf Relativierungen und unangemessene Vergleiche. Die Redaktion/th
Bautzen ist nicht nur Brand und Hass gegen Flüchtlinge.
Bautzen ist auch Silbermond, Optimismus und Himmel auf!
Das sollte man nicht vergessen.
"Nun hofft nicht nur der Oberbürgermeister, dass die Bautzener sich für die richtige Seite engagieren".
Darf der Bürger noch selber entscheiden, was die "richtige Seite ist"?!
Darf man noch eine eventuelle Brandstiftung ablehnen und dennoch die Politik der GroKo ablehnen?! Oder gehört man damit bereits zum "Pack"?
Für ein wenig Menschlichkeit und humanitärem Verständnis brauch man keine "richtige Seite".
"Bautzen wolle und werde sich jetzt nicht den "Stempel der Fremdenfeindlichkeit" aufdrücken lassen..."
Sagt man in Clausnitz auch.
Es ist so ätzend, wegen diesem Pack, welches Flüchtlingsheime anzündet und Menschen bedroht kommen wir nicht weiter mit den echten Problemen, die es gibt. Es ärgert mich sehr dass unsere Politiker nur noch auf Stimmenfang aus sind und immer nur noch danach schauen was gerade in den Nachrichten steht. Und die Nazis und deren Symphatisanten sorgen für die Schlagzeilen.
Wir haben echte Probleme in Deutschland, jede Frau und auch viele andere fühlen sich inzwischen nicht mehr sicher, da wo Flüchtlingsbanden marodieren. Behörden und Polizei sind völlig überfordert, weil Jahrzehntelang gespart wurde. Und alles was wir schaffen ist uns über verblödete Sachsen aufzuregen, die in der Vergangenheit auch schon nicht sonderlich durch Intelligenz aufgefallen sind. Einfach Polizei und Justiz aufräumen, und endlich das Problem Extremismus und Gewaltverherrlichung angehen. Da helfen keine 200 traurige Gesichter und keine Tausend Sätze.
Viele Menschen warnten schon seit Jahren vor den Nazis, diese Menschen wurden vom Staat und von den Nazis und deren Symphatisanten zermürbt. Das was in Sachsen passiert ist Hausgemacht, seit Jahrzehnten.
Ministerpräsident Tillich am 17.2.2016 auf die Frage was das typisch an den Sachsen ist:
"Er ist auch sehr gastfreundlich."
Ministerpräsident Tillich am 22.2.2016 zu den Vorfällen in Clausnitz und Bautzen:
"Das ist nicht erklärbar. Das ist Willkür. Das ist an der Grenze dessen, was man als Verbrechen bezeichnen muss."
Ärgerlich: Nur an der Grenze zum Verbrechen sein und dann doch ein Ticket fürs Falschparken beim Brandstiften bekommen.