ZEIT ONLINE: Frau Bannenberg, die neue alte Debatte direkt vorweg: Sind Computerspiele ein Grund für Amoktaten?
Britta Bannenberg: Sie sind nicht die Ursache für Gewalt, wirken aber als Verstärker. Eine Person, die schon Tötungsfantasien hat, spielt einen Egoshooter anders als andere – nämlich um sich auf die Tat vorzubereiten. Das haben uns auch Täter bestätigt, die ihre Tat überlebt haben: Sie waren im Thema Amok drin, fanden das cool und haben sich dann beim Spielen vorgestellt: "So werde ich das auch an meiner Schule tun."
ZEIT ONLINE: Mobbing wird auch immer wieder als Ursache diskutiert. Können Sie das nach Ihrer Analyse bestätigen?
Bannenberg: Amoktäter sind keine Mobbingopfer. Aber sie fühlen sich gedemütigt und interpretieren viele Handlungen von Mitschülern, Lehrern, Eltern oder anderen als feindselig – und daraus entsteht Wut. Die meisten haben ein narzisstisches Weltbild, empfinden sich selbst also als wertvoller als andere Menschen.
Wir haben alle Fälle junger deutscher Täter seit 1992 genauestens analysiert und Überlebende befragt. In unserer Studie wird klar, dass es sich um persönlichkeitsgestörte Personen handelt.
ZEIT ONLINE: Gibt es auch psychische Erkrankungen, die eine Rolle spielen?
Bannenberg: Die jungen Täter, die wir analysiert haben, waren nicht psychisch krank. Wer beispielsweise eine Schizophrenie oder eine Psychose entwickelt, erkennt die Realität nicht mehr und tut Dinge, die er nicht tun würde, wenn er gesund wäre. Eine Persönlichkeitsstörung ist tiefgreifender: Die Amoktäter wissen genau, was sie tun, und sie wollen es tun. Sie halten sich selbst für großartig und glauben, sie hätten das Recht dazu, andere Menschen zu töten. Das ist eine zutiefst menschenfeindliche Haltung, die in einem Amoklauf kulminieren kann. Die Täter handeln auch nicht aus irgendeinem Anlass heraus. Die Persönlichkeitsstörung ist bestimmend dafür, dass diese Menschen über eine lange Zeit ihre Tat planen.
Depressionen waren auch keine Ursache. Der Selbstmord nach einer Amoktat folgt aus der narzisstischen Persönlichkeitsstörung: Da ist die grandiose Mordtat und dann der Suizid. Für viele gehört das auch zum "Skript", denn sie haben den Amoklauf an der Columbine Highschool in den USA vor Augen.
ZEIT ONLINE: Sie erwähnen Columbine. Welche Rolle spielen Vorbilder für Amoktäter?
Bannenberg: Alle Täter haben sich an anderen orientiert, besonders an den Amokläufern der Columbine Highschool. Die Tat war medial besonders inszeniert – einer der Täter hatte eine Homepage, über die er seinen Hass verbreitet hat. Außerdem ist ein Video eines Teils dieser Tat ins Internet gelangt. Das ist Nachahmungsmaterial für Pubertierende, die Vorbilder suchen: Sie sehen die Klamotten der Täter, sehen, wie sie herumstolzieren.
ZEIT ONLINE: Wird diese Vorbildfunktion durch die mediale Berichterstattung beeinflusst?
Bannenberg: Natürlich. Man sollte vermeiden, den Täter in den Mittelpunkt zu stellen. Die Opfer zu sehr zu präsentieren, ist aber auch ein Problem. Viele Täter sagen, dass Opfer die "Trophäen" für sie seien. Je mehr Opfer und Chaos gezeigt werden, desto mehr Befriedigung finden sie darin, dass ein Einzelner so etwas bewirken kann. Wir wissen, dass Täter sich solche Videos vor ihrer Tat oft angeschaut haben: Sie studieren zum einen die Hassbotschaften anderer Täter, zum anderen die Opfer: Das SEK kommt, Opfer liegen am Boden, weinen, schreien, Panik. Das ist es, was ihnen einen Kick verschafft.
ZEIT ONLINE: Ist es möglich, ernsthafte Drohungen vor einer Amoktat von harmlosen Prahlereien zu unterscheiden?
Bannenberg: Ich denke schon. Aggressiv-impulsive Schüler gibt es in jeder Schule. Sie drohen in ihrer Wut auch mit einer Amoktat, begehen aber keine – sie lassen die Wut direkt raus. Sie planen nicht lange im Voraus, wie man besonders medienwirksam 15 Menschen tötet. Die späteren Amoktäter haben hingegen teilweise drei Jahre vor der Tat erkennen lassen, dass sie Sympathien für Amoktaten hatten.
Einer der Täter hat uns das so erklärt: "Im letzten halben Jahr vor der Tat habe ich so viel Columbine konsumiert und mir schon vorgestellt, was ich an meiner Schule machen werde, da musste ich mich beherrschen, dass ich nicht zu viel verrate und vorher erwischt werde." Sie drohen also nicht so offen wie einer, der will, dass die Schule ausfällt, sondern eher mittelbar und sehr häufig. Das kann man durchaus wahrnehmen.
Kommentare
Entfernt, da unsachlich und pauschal. Die Redaktion/se
Aus dem Interview geht doch eindeutig hervor, dass Computerspiele nicht die Ursache sind, sondern lediglich Mittel zum Zweck für ohnehin persönlichkeitsgestörte Menschen.
Der rechtsradikale Terror wird mal wieder hartnäckig ausgeblendet.
Dabei ist dieser, wie u.a. schon die NSU-Mord unter Beweis stellten, die weitaus größte Gefahr in Deutschland. Über München versucht man, im Gegensatz zu den minder schweren Vorfällen in Würzburg und Ansbach, den Deckmantel des Schweigens zu legen.
"Neue Dimension des Terrors
Würzburg und Ansbach: Bayerns Ministerpräsident sieht den islamistischen Terror in Deutschland angekommen. Sein Innenminister will Abschiebungen auch in Krisengebiete.
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will der Gefahr mehr Polizeipräsenz entgegensetzen. Deutschland liege im Fokus der Islamisten, sagte er. Die Bedrohungslage habe sich in den vergangenen Jahren zugespitzt. Die Terrormiliz IS führe einen Kampf gegen "die Freiheit der westlichen Welt, unsere Art zu leben". Dem will Herrmann mehr Polizisten entgegensetzen: "Sicherheit braucht Stärke und Sichtbarkeit der Polizei", sagte der Innenminister." http://www.zeit.de/politik/2…
Es geht hier um Amoktäter! Bei denen steht das egozentrische Weltbild im Fokus.
Persönlichkeitsstörungen sind auch psychische Erkrankungen.
eigentlich ist es jetzt nicht so wichtig, wie die Fachleute die Störung genau bezeichnen.
Viel wichtiger ist: wie gut können Psychiater (= Fachärzte) und Psychologen / Therapeuten die Persönlichkeitsstörungen erkennen und: können sie auch erkennen, ob von ihren Suizid-gefährdeten Patienten auch eine Gefahr für andere Mitmenschen ausgeht?
Wenn die Antwort "ja" lautet, und das scheint so zu sein:
http://www.welt.de/politik/d…
Ansbach: Therapeut warnte schon 2015 vor "spektakulärem Selbstmord",
dann fragt es sich, ob man für solche Fälle nicht eine "Meldepflicht" einführen sollte.
Die Meldungen hierzu sind widersprüchlich. Und manche lehnen eine solche Meldepflicht geradezu ab, weil sonst behandlungsbedürftige Personen "abgeschreckt" werden könnten, sich ihren Therapeuten vertrauensvoll zu öffnen:
http://www.sueddeutsche.de/p…
"Wann Therapeuten ihr Schweigen brechen dürfen"
Siehe auch:
http://www.faz.net/aktuell/p…
"Adel Kermiche war das jüngste von fünf Kindern der franko-algerischen Familie, ein verhaltensauffälliger und gewaltbereiter Schüler seit der Grundschule. Im Alter von zwölf Jahren kam er in psychiatrische Behandlung"
Es ist wie immer im Leben: es gibt keine Sicherheit.
Man ist in Fällen, die in § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten) beschrieben sind, nicht an die ärztliche Schweigepflicht gebunden und sogar gefordert, die Schweigepflicht zu brechen. Man kann allerdings Menschen eben auch nur vor den Kopf schauen und mit dem arbeiten, was man von ihnen und über sie erfährt.
Und was soll uns das sagen?
Ich bin für ein gesetzlich veranktertes Verbot, Amokläufer oder Terroristen beim Namen zu nennen oder Fotos zu veröffentlichen. Das müsste doch machbar sein oder?
Noch heute nach 5 Jahren(!) sieht man die, sorry, Fresse von Anders Breivik (ja ich kenne den Namen und das Gesicht dazu auch noch) immernoch wie er in die Kameras grinst und sich über seinen Ruhm freut. Vermutlich hat er TV und ergötzt sich an den Nachahmern.
Kann mich jemand aufklären woran so ein Verbot scheitern könnte?
das halte ich für eine sehr gute Idee, keine Bilder mehr von Terroristen oder Amokläufern zu veröffentlichen.
SPON meldet, dass sich die französische Zeitung "Le Monde" genau dazu schon entschieden hat:
http://www.spiegel.de/kultur…
"Die französische Tageszeitung "Le Monde" hat entschieden, keine Bilder von Terroristen mehr zu zeigen. Um eine "posthume Glorifizierung" zu vermeiden."
Das hat aber nur Wirkung, wenn sich wenigstens alle seriösen Medien darin einig wären.
Was nichts daran ändern dürfte, dass es im Internet weiterhin Bilder geben wird und dass insbesondere der "Islamische Staat" weiterhin die Storys seiner Terroristen verbreiten wird.
deshalb hatte ich die Links gesetzt: die behandelbnden Therapeuten der Attentäter von Ansbach aber auch des französischen Attentäters schienen ja durchaus über die Fantasien und Pläne ihrer Patienten informiert zu sein.
Trotzdem führte das nicht zu einer "Sicherheitsverwahrung".
Die Frage, die wir heute nicht beantworten können: was wussten die Theraputen wirklich. Ein "könnte eventuell ..." kann in einem Rechtsstaat nicht ausreichen, um jemanden langfristig wegzusperren.
Ich habe gerade über Ihre Idee nachgedacht - doch, finde ich gut. Wenn ein Großteil dieser Knalltüten mal vom Bildschirm und (hoffentlich machbar) vom Netz verschwindet, entfällt ein Gutteil der angestrebten Glorifizierung. Je länger ich über Ihren Vorschlag nachdenke, umso besser gefällt er mir. Chapeau!
Allerdings werden wir uns mit einem Shitstorm abfinden müssen, der ungefähr so aussieht: Lügenpresse! Gezielte Desinformation! Uns wird etwas unterschlagen! Wir werden manipuliert! Links-grün versiffte.... usw.
Habe ich was vergessen?
Hochzeit für Amokläufer
Bannenberg: Dieses Jahr ging es wieder los, weil durch die Terrorberichterstattung auch Tatgeneigte angeregt werden.
Dazu ein alter Kommentar (zum Münchener Attentat) :
"Grenzenlose Macht für Amokläufer
Mit jedem Schritt der staatlichen Aufrüstung erhalten Amokläufer mehr Macht. Die überbordenden Reaktionen des Staates bzw. seiner Sicherheitsbehörden dürfte ihnen zunehmend Gewissheit geben, ganz Großes zu bewegen.
Deshalb liebe Politiker, anstatt die krankhaften Macht-Fantasien von Amokläufern weiter zu beflügeln, einmal innehalten und nachdenken."
Wenn es so weiter geht mit der politisch inszenierten Panikmache, , den überbordenden und unverhältnismässigen Großeinsätzen , den politischen Schnellschüssen und dem populistischen Geschwätz (Einsatz Bundeswehr), dann darf man sich nicht wundern, dass weitere Attentäter die Gunst der Stunde nutzen, um ihren Hass auf die Gesellschaft zu zelebrieren.
Man stelle sich das Gefühl vor. Man gibt einen Schuss ab und binnen MInuten spürt man wie die ganze Stadt zum Stillstand kommt und sich Polizei und evtl. Militär zu tausenden zusammenzieht. Das muss ein Rausch sein im Leben eines gekränkten Narzissten.
Und dank der nuttenhaften Medien (bitte nur den Satz kürzen) weiss er mit GEWISSHEIT, dass er auf ewig berühmt bleibt.