Etwa neun Stunden, nachdem die Polizei in der Nacht offiziell Entwarnung gegeben hat, könnte ein ungeübtes Auge meinen, in München sei alles beim Alten und die bayerische Gemütlichkeit durch nichts zu erschüttern. Der Marienplatz im Herzen der Stadt wuselt. Touristen knipsen Selfies vor dem Glockenspiel am Rathaus. Zwei Straßenmusiker trällern Tschaikowsky. "Für einen sonnigen Samstagvormittag ist das schon mau", sagt eine Münchnerin, die gerade aus der U-Bahn gestiegen ist. "Schaun's, man kann ja sogar kurz stehenbleiben, ohne angerempelt zu werden." Das habe es, versichert die Dame, ewig nicht mehr gegeben.
Wie ein Herz, das für einen Schlag ausgesetzt hat, sucht die Stadt noch ihren Takt.
Auch nebenan auf dem Viktualienmarkt muss man etwas genauer hinschauen, um zu erkennen, dass die Münchner noch immer um ihre Normalität ringen. Unter den Kastanienbäumen im Biergarten findet man gegen halb zwölf noch Plätze. Drei alte Damen haben sich in den Schatten gesetzt. An den Biertischen gibt es nur ein Gesprächsthema: "Und dann kommen so Leute wie die Renate Künast und schreiben so einen Mist im Internet. Die Polizei muss uns doch beschützen können", sagt die eine. Künast hatte nach dem Axt-Angriff von Würzburg gewittert, warum der Täter von der Polizei erschossen worden war. Stummes Nicken auf den Bänken. Das Bier fließt schon wieder. Nirgends sonst ist der Münchner mit sich und der Welt so im Reinen wie im Biergarten. Es dauert wohl noch etwas, bis das Lachen und diese Zufriedenheit zurückkehren.
Am Brotstand duften die frischen Laibe in der Auslage. Die Marktfrau ist mit zwei Stammkunden ins Gespräch vertieft. Es geht, natürlich, um die Tat des 18-jährigen Schülers, den die Polizei als Amoklauf bewertet. Theorien machen die Runde und werden wieder verworfen. Die Schlange japanischer und australischer Touristen muss sich derweil gedulden.
Überall in der Innenstadt patrouillieren Polizisten in schusssicheren Westen. Aber eher um Präsenz zu zeigen, nicht um Panik zu verbreiten. Keine gezückten Waffen oder finstere Blicke, dafür zeigen sie Urlaubern schon mal den Weg auf dem Stadtplan.
Am Hauptbahnhof, der in der Nacht geräumt wurde, fahren die Züge wieder normal. Und auch das Publikum ist das Übliche. Junggesellenabschiede grölen durch die Haupthalle. Eine Gruppe aus Italien hat besonders gute Laune. In Reizwäsche versucht der Bräutigam Schnapsgläser zu verkaufen: "Wir lassen uns doch von diesem Stronzo nicht den Tag ruinieren", sagt er. Später wollen sie noch ins Hofbräuhaus. Dort hatte es am Abend zuvor eine Massenpanik gegeben. Für einen kurzen Moment wirkt er besorgt: "Aber ... Heute hat das doch hoffentlich wieder auf?"
Kommentare
Viel Glück dabei, liebe Münchner.
Danke
aber wir haben schon ganz andere Anschläge verarbeiten müssen
netter Nickname :-)
Es war bei aller Trauer auch etwas schönes zu lesen und zu hören, wie die Menschen in der Not zusammengehalten haben. Den Angehörigen mein Beileid.
Not zeigt Dir die Menschen, wie sie wirklich sind ... auch wenn es immer ein teurer Preis ist, das so zu erfahren.
wenn es um Politiker geht, dann ist es gut, wenn bei manchen die Maske fällt:
http://www.welt.de/politik/d…
"So instrumentalisiert die AfD die Münchner Bluttat"
Dagegen hebt sich wohltuend die Professionalität der Münchner Polizei ab, die die Menschen viersprachig über alles auf dem Laufenden hielten und die mit ihrem Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins einen herausragenden Repräsentanten haben.
Wer die Bluttat wofür instrumentalisieren wird, das ist noch abzuwarten.
Bei dem altdeutschen "Ruhe ist die erste Bürgerpflicht" wird es wohl nicht bleiben.
Ob die AfD was äußert oder der Bauer Gülle fährt ... beides stinkt, aber beeinträchtigt einen sonst nicht weiter. Ok, beim Bauern hat der Mist später noch einen positiven Effekt.
Ich freue mich lieber über viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Ecken, die Solidarität gezeigt haben, und trauere mit denen, die Angehörige verloren haben bzw, noch in Sorge sind. Die Idiotie Einzelner hat es zum Glück doch immer mal schwer gegen die Hilfsbereitschaft vieler.
da muss man nicht mehr viel abwarten, das wurde gestern schon deutlich:
http://www.sueddeutsche.de/p…
"Rechtspopulisten blamieren sich mit München-Kommentaren"
Im Internet gab es in zahlreichen Foren mehr davon. Selbst heute wird noch nachgelegt, obwohl mittlerweile klar sein sollte, dass der Täter kein IS-Terrorist war.
Auch aus dem Ausland kommen Sprüche der üblichen Verdächtigen:
http://www.welt.de/politik/a…
Ungarns Premier Orbán: "Europa nicht in der Lage, seine Bürger zu schützen"
Manche sind so fakten-resistent, dass sie nicht einmal die geänderte Nachrichtenlage zum Umschwenken bewegt.
>> Wer die Bluttat wofür instrumentalisieren wird, das ist noch abzuwarten. <<
Die AfD instrumentalisiert doch schon längst.
Ist ja nicht nur der Link von Atech, der darüber berichtet.
(http://www.faz.net/aktuell/p…)
>> Deutsche verblendete GutmenschInnen geifern aber herum. Ihr habt Mitschuld! <<
Entfernt. Bitte achten Sie auf eine angemessene Wortwahl. Danke, die Redaktion/nw
Werden nicht die Diskussionen schon in Richtung Killerspiele geschoben? Ist das nicht eine Form der Instrumentalisierung der Tat?
Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde mittlerweile entfernt. Danke, die Redaktion/nw
Da kennen Sie die Münchner aber schlecht. Ich sage nur: Bierruhe.
Quelle? CNN?
Er hatte sich intensiv mit vergangenen Amoktaten beschäftigt. Sagen die Medien.
Aha, wer monatelang warnt und den Finger auf die Wunden legt, die der politische Einheits-mainstream so unisono zu verstecken sucht, wird genauso unisono verunglimpft und verleumdet.
Jetzt holt Euch die Realität ein, und eure Scheinargumente enttarnen sich als Sozialphantastereien und eine Wunschwelt.
Noch vor 2 Jahren waren 74% der dt. Bevölkerung der Meinung, ein islamischer Anschlag sei kein Thema in Deutschland. Da haben wir bissel dazugelernt, gell?
Der tatsächlich wohltuend sachlichen Information von Marcus da Gloria Martins halte ich hier mal das sinnlose Geblubber von Kanzleramtschef Peter Altmeier entgegen.
München bleibt bunt. Mit ganz viel Rot drin.
Quelle?
Ihr Innenminister.
und man muss auch nicht lange warten, bis es weiter geht, schon spricht der Inneninister vom Waffenrecht und die nächsten Experten von Ballerspielen.
Da sind schon Einige zügig am Nutzen der Untat für ihre jeweilige Agenda, die AfD war nur schneller und platter.
Hat jemand eine Analyse des "Dialogs" mit dem Attentäter, was auf youtube ist/war? Also was genau er sagt?
Es ist so surreal aber wie die sich beschimpfen wirkte fast banal, in Anbetracht des Abgründigen was eigentlich gerade passiert.
Ich bin Münchner und habe gestern auch Leute bei mir aufgenommen. Aber bei diesem Video musste ich tatsächlich lachen.
Da schießt der Typ noch drei mal auf ihn und er beschimpft ihn danach, dass man ihm wohl "ins Gehirn geschissen" hat. Hatte fast was von Slapstick.