Die Worte des schwedischen Premierministers Stefan Löfven kamen schnell, und sie waren deutlich: "Schweden ist angegriffen worden. Alles deutet auf einen Terrorakt hin." Noch bevor Informationen über die Identität des mutmaßlichen Attentäters von Stockholm bekannt gegeben wurden, sprach der Regierungschef an diesem Freitagnachmittag aus, was in den Medien schon kurz zuvor spekuliert worden war. Es soll also ein Terrorist gewesen sein, der mit einem gestohlenen Lkw durch die Fußgängerzone von Stockholm fuhr und dabei mindestens drei Menschen tötete. Der Täter muss demnach ein Motiv gehabt haben: das des Terrors.
Allerdings ist noch nicht publik geworden und vielleicht nicht einmal der Polizei bekannt, welche Motive der Angreifer hatte. Umso wichtiger ist es, nicht zu spekulieren, bevor die Fakten bekannt sind. "Das Wichtigste ist jetzt, Ruhe zu bewahren und zu warten, bis es verifizierte Informationen von den Behörden gibt", sagte der Terrorismusforscher Hans Brun der schwedischen Nachrichtenagentur TT. Brun ist niemand, der Risiken kleinredet, er hatte schon im vergangenen Jahr vor einer gestiegenen Terrorgefahr in Schweden gewarnt. Doch am Freitagabend war weder die Herkunft des Attentäters bekannt, noch ob er instruiert worden war und welche politische oder religiöse Motivation hinter der Tat stehen könnte.
Nun hat es also in dem Land der Willkommenskultur einen ersten größeren Anschlag gegeben. Als US-Präsident Donald Trump im Februar obskur vor schwedischen Zuständen warnte, war der Hohn groß. Jetzt dürften zwar einige Diskussionen folgen, Panik wäre aber wenig angebracht. Wer glaubt, dass Trump mit seiner Warnung recht gehabt hat, liegt selbst dann falsch, wenn sich der Täter als Islamist herausstellen sollte. Dennoch steht Schweden vor Herausforderungen, die nicht alle sehen wollen.
Völlig überzeichnetes Bild
Trump hatte damals das Interview mit dem amerikanischen Filmemacher Ami Horowitz auf dem TV-Sender Fox gesehen und daraufhin – grob gesagt – davor gewarnt, dass Einwanderung zu Zuständen wie in Schweden führen könne. Horowitz hatte im Film Stockholm Syndrome ein völlig überzeichnetes Bild von Schweden geliefert als ein Land, das von Massenvergewaltigungen durch Ausländer heimgesucht werde und sich der Islamisierung freiwillig unterwerfe. Bei all dem Spott über Trumps Schweden-Kommentar war aber untergegangen, dass es in Schweden, wie von Horowitz gezeigt, auch tatsächliche Integrationsprobleme und in einzelnen Stadtteilen immer wieder Gewalt durch Einwanderer gibt.
Schweden hat gemessen an der Bevölkerung besonders viele Flüchtlinge aufgenommen. Im Sommer 2014 hatte der damalige konservative Regierungschef Fredrik Reinfeldt seine Heimat stolz als "humanitäre Großmacht" bezeichnet. Der aktuelle sozialdemokratische Premier Löfven sprach noch im Herbst 2015 ähnlich legendäre Worte. "Mein Europa nimmt Flüchtlinge auf, die vor Krieg fliehen, solidarisch und gemeinsam. Mein Europa baut keine Mauern", sagte er Mitte September. Kurz danach machte Schweden eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik, die im Ausland womöglich viele noch nicht mitbekommen haben. Seit Herbst 2015 gibt es wieder Grenzkontrollen an der dänisch-schwedischen Grenze und zahlreiche Asylgesuche wurden abgelehnt, die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge ist wie in vielen anderen europäischen Ländern drastisch gesunken.
Ausschreitungen in Stadtvierteln mit hohem Anteil von Bewohnern mit Migrationshintergrund gibt es in Schweden schon seit Jahren, auch wenn längst nicht so viel passiert wie in den französischen Banlieues. Die Politik hat versäumt, das Problem ausreichend zu diskutieren oder zu bekämpfen. Dieser Part in Horowitz' Schweden-Film war korrekt und wurde von vielen Medien aber ebenfalls ignoriert. Womöglich werden entsprechende Diskussionen nach dem Stockholmer Anschlag wieder zunehmen. Insbesondere falls sich herausstellen sollte, dass der Täter aus solch einer Gegend kommt.
Rechte Parteien erstarkt
Es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Stockholm vom Dschihad-Terror getroffen werde, schließlich sei die ganze westliche Welt unter Angriff, schrieb der Journalist Wolfgang Hansson kurz nach der Tat bei der gewerkschaftsnahen Boulevardzeitung Aftonbladet. Es hatte bereits im Dezember 2010 einen Terroranschlag in Stockholm gegeben. Nur etwa 100 Meter entfernt von der Stelle, an der am Freitagnachmittag der Lastwagen ins Kaufhaus Åhléns fuhr, hatte sich damals ein Attentäter in die Luft gesprengt. Nur durch Zufall kam lediglich er selbst dabei ums Leben. Terroristen hatte es in Stockholm auch zuvor schon gegeben. Im April 1975 stürmten sechs RAF-Attentäter die deutsche Botschaft in Stockholm und ermordeten zwei ihrer Geiseln.
In Schweden wird, auch nachdem das Asylrecht strikter gehandhabt wird, längst nicht so gegen Einwanderer polemisiert, wie es im Nachbarland Dänemark der Fall ist. Doch dass sich alle ein weltoffenes Schweden wünschen würden, ist auch nicht der Fall. Die stark rechtsgerichteten Schwedendemokraten (SD) sind in jüngster Zeit erstarkt. Laut einer im März von der Zeitung Svenska Dagbladet veröffentlichten Umfrage ist SD aktuell zweitstärkste Partei. Nur Löfvens Sozialdemokraten würden, wenn jetzt Wahl wäre, mit 27 Prozent erheblich besser dastehen als SD, die auf 18 Prozent kämen. Reinfeldts Moderate landen allerdings nur ganz knapp dahinter bei 17 Prozent. Noch sind Forderungen führender SD-Politiker als Reaktion auf den vermeintlichen Terroranschlag von Stockholm ausgeblieben.
Kommentare
"Sollte es einen islamistischen Hintergrund geben, dürften einige Diskussionen folgen."
Das Problem ist, dass es keiner Bomben bedarf, um Terroranschläge zu verüben.
Dass mit einem PKW oder Lastwagen jeder, der aus-welchem-Grund-auch-immer Menschen ermorden möchte, mit einem Fahrzeug diese Möglichkeit hat.
Ich glaube eher, dass das Problem Menschen sind, die gerne Massenmorde begehen wollen.
Das sieht man nunmal keinem an der Nasenspitze an.
Und wenn früher die Polizei den Einkauf potentiellen Bombenmaterials als Indiz für die Vorbereitung einer Straftat werten konnte:
http://www.faz.net/aktuell/g…
"Ein Mann kauft Chemikalien in einem Baumarkt und gerät unter den Verdacht, eine Bombe bauen zu wollen."
...so ist jetzt jeder verdächtig, der ein Fahrzeug besitzt?
Und dass es religiös-politische Systeme gibt, die es solchen Menschen leicht machen, ihre Rechtfertigung aus ihnen zu schöpfen.
"Sollte es einen islamistischen Hintergrund geben, dürften einige Diskussionen folgen."
Ich frage mich, was dieser Satz in dem Artikel soll.
Falls es keinen solchen Hintergrund gegeben hat, dann gibt es keine Diskussionen oder wie ist das zu verstehen?
Fast schon verblüffend, dass es bei einem derartigen Gewaltakt "nur" 4 Tote gab. Das klangt erst noch viel schlimmer. Das ist furchtbar genug, keine Frage, und wer weiß, wie langfristig schlimm die Schwerverletzten getroffen sind. Aber vielleicht sind es wenig genug Opfer, um diese Art von Attentaten für die Terroristen weniger interessant erscheinen zu lassen.
Oder einen Führerschein besitzt ... kein Scheiß, gabs hier im Forum schon als Lösungsvorschlag für den Auto-Terrorismus ... weil ist ja klar, Jemand der bereit ist, sich selbst und viele andere zu töten, extrem darauf achtet ob er/sie eine gültige Fahrlizenz hat ...? Fassungslos ..
Wann ist noch mal die Linksradikale RAF hier oder Brigate Rosso in Italien verschwunden, 1990? Was war 1990? Wieso ist die ausgerechnet zum Ende des Systemkonflikts verschwunden? Ok, weil die Sowjetunion dann abrauchte ... aber wieso ist Terrorismus heute wieder da? Hat da noch immer die Sowjetunion ihre Finger im Spiel, obwohl es die gar nicht mehr gibt? Ach ja, jetzt ist es ja die One-Man-Show Putin, Sowjetunion quasi im Taschenformat ... Schnallt hier eigentlich noch irgend wer, irgend was?
Ob die berühmten Helsinki-Konferenzen, allein die Existenz der UNO, das Österreich, Schweden und die Schweiz bis heute KEINE Nato-Mitglieder sind, obwohl doch die Nato die Friedensdividende, also mehr vom BIP für die Bürger (die BRD erhöht gerade den Kriegshaushalt um 30 Mrd.!) und ganz lieb allen Ländern auf der Welt helfen will ... löst nicht die Frage aus: Warum? Warum helfen wir Flüchtlingen mit 23 Mrd. pro Jahr hier, und erhöhen den Kampfhaushalt um 30 Mrd.? Warum akzeptieren wir ökonomische Flüchtlinge, und schließen mit Afrika Handelsabkommen, die ökonomische Flüchtlinge produzieren?
Es wirkt alles so unlogisch - wenn man die Interessen aller Menschen berücksichtigt. Ist nur mir aufgefallen?
Entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Die Redaktion/sq
Auch wenn das jetzt vielleicht pietätlos klingt, aber ich bin immer wieder überrascht, wie ineffektiv die meisten Terroristen sind. Da wird sich monatelang vorbereitet, da wird das eigene Leben für eine Sache gegeben, und trotzdem passieren gravierende Fehler und irrationale Aktionen.
Aber wahrscheinlich wurden sie genau deshalb erst zu Terroristen: sie waren Versager. Und die tun bis zum Schluss, das was sie am besten können: Versagen.
"...so ist jetzt jeder verdächtig, der ein Fahrzeug besitzt?"
Nein, aber jeder der einen LKW entführt. Zurecht möchte ich meinen.
Immerhin könnte diese Art Terrorangriffe als Ansporn dienen endlich teilautonom agierende Fahrzeuge auf deutschen Straßen zuzulassen.
"LKW nimmt Terrorist gefangen", das wäre doch mal eine Schlagzeile!
Ich möchte gerne erweitern um
"Menschen, die Aufmerksamkeit wollen"
entweder für ihr persönliches Leben/eigene Erfahrungen (München), Weltanschauungen (Breivik), Klassenkampf (RAF), Religion (ausreichend Beispiele mehr als nur einer Religion)
oder womöglich nur aufgrund der Tatsache, dass die eigene Existenz die Folge hemmungsloser, evolutionärer Willkür ist
Ach wissen Sie, sie verteidigen Kinderehen!
Sie sollten mir erklären warum unsere Gesellschaft, nochmals einer religiösen Reformation bedarf?
"Ich glaube eher, dass das Problem Menschen sind, die gerne Massenmorde begehen wollen."
Und die Fälle häufen sich - wo und warum? Motive fehlen also ganz?
Das Problem mit "Menschen, die gerne Massenmorde begehen wollen", mag existieren. Allerdings werden wohl viele mit diesen Gewalt-Phantasien diese eben nicht ausleben - sonst würden wird jeden Tag davon lesen.
Nein - das (neue) Problem sind Menschen, welche aus einer bestimmten Motivation Menschen ermorden wollen. Wie viele Morde und Mordversuche mit LKWs gab es in den letzten Jahren, in denen pure Mordlust die Motivation war? Und was steckte hinter den Morden in Nizza, Berlin und London? Und nun in Stockholm?
Das haben sie tatsächlich falsch verstanden.
Das ist eine Schlussfolgerung, keine Äquivalenzrelation.
...es ist immer eine bestimmte Sorte Menschen, insofern sieht man denen das schon an...oder... (trotzdem hilft Generalverdacht natürlich nicht wirklich weiter)
Es sind die hinter diesen Gestalten, die gefährlich sind.
Die Prediger des Hasses und der Unmenschlichkeit, die Anstifter, die sich ein Werkzeug suchen.
Und gegenüber denen sind wir zu tolerant.
"Wer glaubt, dass Trump mit seiner Warnung recht gehabt hat, liegt selbst dann falsch, wenn sich der Täter als Islamist herausstellen sollte." Das ist - sorry - Unsinn. Die schwedischen Zustände meinen eben nicht nur terroristische Anschläge. Es ist auch denkbar unsympathisch, wenn die Apologeten bestimmter konfliktträchtiger Gesellschaftsmodelle den Kritikern, die schlussendlich machtlos zusehen müssen, wie sich ihre düsteren Prognosen bewahrheiten, auch im Nachhinein noch den Mund verbieten wollen. Die Welle islamistischen Terrors, die inzwischen praktisch jedes europäische Land treffen kann, gäbe es ohne die Masseneinwanderung muslimischer Unterschichten nicht. Auch die vermeintlich gute Tat, hunderttausende echte und angebliche Flüchtlinge ins Land zu lassen, hat diese Problemgruppe nur noch weiter vergrößert.
Die seit den 1960er Jahren erfolgte Einwanderung von Muslimen lässt sich ebenso wenig rückgängig machen wie der Irakkrieg, ohne den es den IS auch nicht gäbe. Es trägt also zur konstruktiven Lösung des Problems wenig bis nichts bei, zu sagen, dass man es besser fände, wenn es das nicht gegeben hätte. Vielmehr ist die Präsenz von Muslimen ein unumstößliches Faktum, und es geht darum, dass gemeinsame Zusammenleben optimal zu gestalten. Und Asyl für Menschen, die oft vor dem IS fliehen, ist ein Grundrecht, dessen Geltung nicht von einem statistisch vernachlässigbaren Terrorrisiko abhängt.
"Noch ist völlig unklar, welche Motive der Angreifer von Stockholm hatte. Sollte es einen islamistischen Hintergrund geben, dürfte einige Diskussion folgen"
warum so zaghaft? die letzten 2 Tage wurde uns Lesern doch ausführlichst gezeigt, daß es keiner großen Beweisführung bedarf.
... und dabei gibt es ganz konkrete Aufrufe von islamistischen Terroristen und ihren Führern zu solchen Taten; denen auch schon einige in der EU folgten.
Der Giftgasangriff/-vorfall in Syrien spielt dagegen Islamisten in die Hände, die von Luftschlägen und anderen Maßnahmen gegen die säkulare syrische Regierung profitieren. Da ist man sich der Täterschaft dann aufeinmal sicher.
Ach, die Schweden diskutieren diesbezüglich nicht so gerne. Das Land scheint den deutschen Herbst 2015 als emotionalen Dauerzustand gepachtet haben. Das war nämlich nicht der erste inakzeptable Zwischenfall in Schweden ohne Konsequenz. Der Vergewaltigungs-Livestream durch Asylanten auf Facebook http://www.spiegel.de/panora… wurde auch schnell zu den Akten gelegt. Es darf halt nicht sein, was leider ist.
Konsequenzen aus Verbrechen richten sich in einem Rechtsstaat gegen den Verbrecher selbst, nicht gegen unschuldige Leute, die zufällig der gleichen Religion anhängen oder der gleichen Nation angehören.