Das Aufsehen um die Geburtenstation in der Helios Mariahilf Klinik hat einen traurigen Höhepunkt erreicht: Am 1. Februar ist dort eine Gebärende in der Klinik gestorben, das wurde nun durch das Hamburger Abendblatt bekannt. Das Baby hat überlebt. Unterdessen spitzen sich die internen Konflikte in der Klinik zu: Seit vergangenem Montag kursiert in der Klinik nach ZEIT-Informationen eine Unterschriftenliste gegen die dortige Chefärztin. Sie hatte die Zustände auf der Geburtenstation kritisiert und gekündigt. Von sieben Oberärzten bleiben nur zwei in der Abteilung.
Die Mariahilf Klinik war nicht nur durch die Kündigungswelle in die Schlagzeilen geraten, sondern auch, weil sie am ersten Februarwochenende aus Personalmangel den Kreißsaal schließen musste. Es passiert in allen Kliniken ab und an, dass Schwangere in ein anderes Haus müssen, weil alle Kreißsäle besetzt sind, derart lange Sperrungen sind allerdings außergewöhnlich. Brisant ist das vor dem Hintergrund, dass das Mariahilf Krankenhaus inzwischen die einzige Geburtsklinik im Hamburger Süden ist. Die benachbarte Asklepios Klinik in Harburg hatte ihren Kreißsaal Ende 2016 komplett geschlossen.
Der nun bekannt gewordene Todesfall ereignete sich ausgerechnet an dem Wochenende, an dem die Harburger Klinik
Schwangere über lange Zeiträume hatte abweisen müssen. Die Klinik
schreibt in einem Statement, dass der Tod der Frau sich außerhalb der Sperrzeit
ereignet habe und in "keinem Zusammenhang" damit stehe. Die ärztliche Besetzung
sei "vollumfänglich" gewesen. Medienberichten zufolge hinterlässt die Frau sieben Kinder.
Dass eine Mutter bei der Geburt stirbt, passiert
äußerst selten. Laut den jüngsten Zahlen des Hamburger Krankenhausspiegels gab
es in der Stadt im Jahr 2016 bei rund 25.000 Geburten keinen einzigen solchen
Todesfall, 2015 einen in Hamburg, 20 in ganz Deutschland.
Die Ereignisse treffen den privaten Klinikkonzern Helios in einer äußerst angespannten Situation: Ende des vergangenen Jahres hatten in der Geburtenstation vier von sieben Oberärzten und die zuständige Chefärztin Maike Manz gekündigt, obwohl diese erst 2017 ihren Dienst angetreten hatte.
Nach ZEIT-Informationen hat inzwischen eine weitere Oberärztin der Geburtshilfe gekündigt
In einer Art internen Abschiedsbriefs, der der ZEIT vorliegt, hatte das Team den anderen Mitarbeitern ihre Gründe dargelegt: "Unter den derzeit existierenden Rahmenbedingungen können wir unseren Ansprüchen an die medizinische Versorgung, die patientenfreundliche Organisationsstruktur und den Umgang mit Mitarbeitern nicht mehr gerecht werden." Unterschrieben hatten nicht nur die Chefärztin und die Oberärzte, die gekündigt hatten, sondern das gesamte Oberarztteam. Man wünsche den verbleibenden Hebammen und Ärzten "Arbeitsbedingungen, unter denen eine gute und zeitgemäße Geburtshilfe auch in Zukunft möglich ist."
Nach ZEIT-Informationen hat inzwischen eine weitere Oberärztin der Geburtshilfe gekündigt, was die Klinik bestätigt. Von den sieben Oberärzten bleiben damit nur noch zwei in der Abteilung.
Woran das System der Geburtshilfe in Deutschland grundsätzlich krankt, hatte die Chefärztin Maike Manz vor Kurzem in einem Interview mit der ZEIT erklärt. Derzeit werden in der Mariahilf Klinik Unterschriften gegen die Ärztin gesammelt. In dem Haus kursiert ein entsprechendes Schreiben, das der ZEIT ebenfalls vorliegt. Unter der Überschrift "Wir sehen das anders!" schreiben dort Mitarbeiter der Klinik, dass man die Sichtweise der Chefärztin Frau Manz nicht nachvollziehen könne: "Wir erleben den Umgang mit unserer Klinikgeschäftsführung und das Gespräch über diese Rahmenbedingungen als fair, kompromissbereit und konstruktiv." Man stehe weiterhin geschlossen hinter der Helios Mariahilf Klinik Hamburg.
Unklar ist, wer die Unterschriftenaktion initiiert hat. Manche Flugblätter sind mit Post-its versehen. Auf einem steht: "Es wäre gut, wenn viele unterschreiben würden. Hr. Fröschle will es der Ärztekammer vorlegen!!" Gemeint ist Phillip Fröschle, der Geschäftsführer von Helios Mariahilf. Die kleine Notiz nährt die Vermutung einiger Mitarbeiter: Die Geschäftsführung habe das Schreiben selbst in Auftrag gegeben, um sich gegen den steigenden öffentlichen Druck zu wehren. Zu dieser These passt eine weitere Notiz auf den Unterschriftenlisten, die die Mitarbeiter dazu aufforderte, bis zum 10.02. zu unterschreiben. Am 12.02. beschäftigt sich die Bürgerschaft mit dem Thema. Geschäftsführer Fröschle soll sich dann im Gesundheitsausschuss den Fragen der Politiker stellen. Rückendeckung könnte er da gut gebrauchen.
Auch der neue Präsident der Hamburger Ärztekammer und erster Vorsitzender des Marburger Bundes in Hamburg Pedram Emami war bereits auf die Kündigungswelle im Mariahilf Krankenhaus aufmerksam geworden und hatte auf Facebook kommentiert: "Ist das ein Wunder, dass das Thema Privatisierung im Gesundheitswesen für viele ein rotes Tuch ist?" Man höre im Marburger Bund derzeit nichts Gutes über den aktuellen Führungsstil.
Nach der Unterschriftenliste gefragt, teilte der Geschäftsführer schriftlich mit: "Die Idee hierfür kommt aus der Pflege und wurde durch den Betriebsrat unterstützt ... Potentielle Empfänger und Zielstellung des Schreibens sind der Klinikleitung bisher nicht bekannt."
Dies ist ein Artikel aus dem Hamburg-Ressort der ZEIT. Hier finden Sie weitere News aus und über Hamburg.
Kommentare
Ich hoffe dass sich in diesen Fall auch die Staatsanwaltschaft einschaltet. Ich will nicht unterstellen dass Helios oder jemand anderes Schuld hat, weil so ein Unglück immer passieren kann, aber die Umstände würden sicherlich eine Untersuchung auf Fahrlässigkeit rechtfertigen.
Das andere Thema ist, wie es zu so einer schlechten Versorgungslage kommen kann, wenn es laut Artikel das einzige Krankenhaus mit Kreißsaal im Umkreis ist.
Ich stimme Ihnen zu, man muss abwarten, bis etwas genau sagen.
"Nach Abendblatt-Informationen handelt es sich bei der Verstorbenen um eine 42 Jahre alte Frau, die ihr siebtes Kind erwartete.
Inzwischen ist auch die Hamburger Staatsanwaltschaft in den Fall eingeschaltet: „Wir haben ein Todesermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet“, bestätigt die Sprecherin, Staatsanwältin Liddy Oechtering, und ergänzt, es sei ein staatsanwaltliches Aktenzeichen angelegt worden (7202 UJS 667/19).
In einem Fall wie diesem werde ein solcher Vorgang automatisch in Gang gesetzt, so Oechtering weiter. Die Polizei übersende die Akte an die Staatsanwaltschaft, die wiederum leite sie weiter an das Institut für Rechtsmedizin. So geschehe es auch jetzt: „Wir warten nun auf das Ergebnis der Obduktion.“"
https://www.abendblatt.de...
Zustände wie in der Diktatur - Die Chefs lassen Unterschriften sammeln.
Nicht außergewöhnlich in Hamburger Kliniken.
"Brisant ist das vor dem Hintergrund, dass das Mariahilf Krankenhaus inzwischen die einzige Geburtsklinik im Hamburger Süden ist. Die benachbarte Asklepios Klinik in Harburg hatte ihren Kreißsaal Ende 2016 komplett geschlossen."
Ich kenne das aus meiner eher ländlichen Gegend, dass unser Kreiskrankenhaus die Geburtsstation geschlossen hat, was beträchtliche Anfahrtswege an andere Kliniken zur Folge hat. Dass das auch Metropolen betrifft, macht mich fassungslos.
Dazu die ständig erschwerten Arbeitsbedingungen für freiberufliche Hebammen - und die Diskussion über die Gleichstellung von Frauen in unserem Land. Geburten sind Frauensache, die Begleitung und Betreuung auch - und nach wie vor gibt es hierfür keine Lobby.
Die Gründe für KH-Schließungen in Metropolen sind aber andere. Nämlich zunehmende Spezialisierung anstelle geringer Auslastung. Die Anfahrtswege werden dort auch nur unwesentlich länger, da es immer noch mehrere Geburtskrankenhäuser gibt, die über die Stadt verteilt sind.
Die Bedingungen für Hebammen sind tatsächlich nicht optimal, aber deutlich off-topic hier. Gleichstellung umso mehr. Geburten werden als gesamtgesellschaftliche Aufgabe von der Allgemeinheit bezahlt - ebenso die Begleitung und Betreuung danach. Dass die Geburt selbst Frauensache liegt in der Natur der Dinge und wird sich so schnell auch nicht ändern.
Helios.
Asklepios.
Früher hießen die Häuser AK, und ich kann mich nicht erinnern, dass in einem solchen Allgemeinen Krankenhaus der Kreißsaal zugemacht wurde.
Ob das eine gute Idee war, solche Basisstationen gesellschaftlicher Versorgung in privatwirtschaftliche Hände zu geben?
Die Spezialisierung hat nur bedingt etwas mit der Privatisierung zu tun. Es ist statistisch nachweisbar, dass es in spezialisierten Krankenhäusern zu weniger Komplikationen und Todesfällen kommt (der Fall hier ist ein tragischer statistischer Ausreißer, der zunächst aufgearbeitet werden muss ). Und man kann sich nunmal nicht auf alles spezialisieren.