Speeddating mit Robotern – Seite 1
Erster Gedanke, als ich Emma begegne:
Ach, niedlich. Sie ist klein, etwas mehr als einen Meter groß, strahlend weiß
und rundlich gebaut. Mit schwarzen Kulleraugen schaut sie mich an. "Wollen wir
Freunde sein?" Ihre Stimme klingt seltsam kindlich und erwachsen zugleich. Kaum
hat Emma diesen Satz aufgesagt, leuchtet das Tablet auf ihrer Brust auf. Mein
Gesicht erscheint auf dem Display, daneben die Aufforderung, nun bitte meinen
Namen einzutragen – damit Emma mich abspeichern und wiedererkennen kann.
Was ein Roboter halt so unter
Freundschaft versteht.
Denn Emma ist ein sozialer Pflegeroboter und eine der acht künstlichen Intelligenzen, die an diesem Wochenende im Hammerbrooklyn.Digitalcampus, Hamburgs neuer Zukunftswerkstatt, zu sehen sind. Zu einem "Speeddating mit Robotern" wurde geladen. Die Ausstellung soll den Besuchern einen Vorgeschmack auf die schöne neue digitale Welt geben und Berührungsängste nehmen – denn Roboter, dieser Begriff weckt schnell Assoziationen an eine bedrohliche Zukunft, in der Maschinen die Kontrolle übernehmen.
Wenn ich mir Emma so anschaue, erscheint mir dieses Szenario aber eher unwahrscheinlich. Wenn ich nichts auf dem Tablet eintippe, passiert auch nichts. Sie gibt nur die aufgespielten Programme wieder. Dafür kann sie tanzen, Macarena zum Beispiel, den Gangnam Style hat sie auch im Repertoire. Und bei Bedarf könnte sie auch die Hand zur Ghettofaust ballen und dabei einen lockeren Spruch aufsagen ("Voll krasse Aktion!").
Ersetzt diese Maschine bald den Menschen?
An den Showeffekt haben die Entwickler
also gedacht. Tatsächlich soll Emma unterhalten und, auch wenn Ihre
Jobbezeichnung anderes vermuten ließe, keine fürsorglichen Tätigkeiten in der
Pflege übernehmen. Sie kann keine Menschen waschen, füttern oder tragen. Dafür
soll sie ihnen dabei helfen, geistig fit zu bleiben, mittels kleiner Quizfragen
zum Beispiel.
Einmal pro Woche wird Emma in die Demenz-WG der Diakonie
Altholstein in Kiel gebracht. Die Bewohner hätten den kleinen Roboter "sofort
ins Herz geschlossen", sagt Janine Grell, eine Studentin der Sozialen Arbeit,
die die Entwicklung Emmas mit einem vom Bund geförderten Forschungsprojekt
begleitet. "Natürlich könnte auch jemand mit der Gitarre vorbeikommen und den
Senioren was vorsingen. Aber oft ist eben keiner da."
Entwickelt wurde Emma in
Frankreich, Informatiker der Fachhochschule Kiel haben das Modell für die
Seniorenbetreuung programmiert. In Deutschland wird der Roboter bislang nur im
Rahmen einzelner Pilotprojekte eingesetzt, in Japan ist er weit
verbreitet. Ersetzt diese Maschine bald den Menschen? Keineswegs, betonen die
Forscher an diesem Nachmittag. Derzeit werde untersucht, wie der Roboter den
Pflegekräften die Arbeit erleichtern könne. Die mit der neuen Technologie
verbundenen Ängste nehme man ernst, ethische und datenschutzrechtliche Fragen
würden nicht ausgeklammert.
"Cimon" kann Sarkasmus erkennen und Astronauten aufmuntern
Ein paar Meter weiter spielen drei kleinere Versionen von Emma gerade Fußball. Ein knapp 60 Zentimeter großer Roboter tapst in kleinen Schritten über ein Stück Kunstrasen. Sein Korpus wankt bedrohlich hin und her, so als wäre er angetrunken – doch mit dem Geruckel berechnet die Maschine nur die perfekte Position zum Abschuss. Der Ball geht ins Tor, wo sich ein zweiter Roboter etwas zu spät in eine Ecke geworfen hat und zappelnd liegen bleibt. Den Torschützen hat es ebenfalls direkt umgehauen, auch er liegt wie ein Käfer rücklings auf dem Boden.
Die zwei Roboter spielen
im Team B.Human, es ist Teil eines Forschungsprojekts der Universität Bremen
und des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Sieben
Mal haben sie schon den RoboCup gewonnen, so heißt die Weltmeisterschaft der
Roboterfußballer.
Es sei alles andere als leicht, den Maschinen einen komplexen
Sport beizubringen, in dem es um Koordination und Schnelligkeit gehe, erklärt
Alpay Yildiray, Informatikstudent der Uni Bremen. Inzwischen könnten sich die
mit zwei Kameras ausgestatteten Roboter selbstständig auf dem Spielfeld
orientieren. Die Regeln – die denen des echten Fußballs gleichen – haben sie
verinnerlicht, sie entscheiden ganz allein, auf welcher Position sie spielen.
Weit mehr als eine nette Spielerei soll dieser Sport sein, der erlernte
Orientierungssinn soll den Entwicklern zufolge zum Beispiel Tiefseerobotern
helfen.
Ein wohl kaum zu überschätzender
Effekt: Kleine Männchen, die Fußball spielen – bei diesem drolligen Anblick
lassen sich schon kleine Kinder für modernste Technik begeistern. In
"Hammerbrooklyn" jedenfalls fiebern zwei kleine Jungs eine ganze Weile am
Spielfeldrand mit.
Hamburg will das Zukunftsthema nicht verschlafen
Weniger alltäglich und umso
futuristischer kommt Cimon daher: Ein kugelförmiger, schwebender Roboter, der
bereits Alexander Gerst auf die Weltraumstation ISS begleitet hat. Er soll eine
Art fliegender persönlicher Assistent sein, der Astronauten bei Routineaufgaben
unterstützen, die Mission mit Fotos und Videos dokumentieren oder Gespräche
führen kann. Mehr noch, Cimon soll auch in der Lage sein, Gesichtszüge zu
analysieren, Sarkasmus zu erkennen und den Astronauten aufzumuntern, sollte
dieser in eine Depression verfallen. Die Idee stammt von Airbus,
entwickelt wurde der Roboter dann in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum
für Luft- und Raumfahrt (DLR) und IBM.
Das Speeddating zwischen Mensch und
Maschine steht Hamburg dieser Tage gut zu Gesicht: Die Stadt will sich später
nicht vorwerfen lassen, eine der großen Schlüsseltechnologien verschlafen zu
haben, und gibt sich große Mühe, das Thema künstliche Intelligenz voranzubringen.
Zumal darin ein lukrativer Markt der Zukunft liegt und viele Start-ups bislang
lieber nach Berlin oder München ziehen. Das Signal ist deutlich: Die digitale
Zukunft umfasst nicht nur Virtual Reality, Blockchain oder autonomes Fahren – Hamburg hat verstanden.
800.000 Euro pro Jahr lässt die Stadt in das Kompetenzzentrum fließen
Anfang Oktober gab Wirtschaftssenator
Michael Westhagemann den Startschuss für ein neues Kompetenzzentrum für künstliche Intelligenz (KI). Die branchenübergreifende Initiative aus Wirtschaft,
Wissenschaft und Politik soll technisches Know-how bündeln und Unternehmen und Forschung
besser vernetzen. Hinter dem Zentrum steht der kurz zuvor gegründete Verein
Artificial Intelligence Center Hamburg (ARIC). 800.000 Euro lässt die Stadt in
den kommenden zwei Jahren in den Aufbau dieses Zentrums fließen, hinzukommen
sollen jährlich 100.000 Euro aus Mitgliedsbeiträgen des Vereins.
Ein weiteres Großprojekt ist der "KI-Space für intelligente Gesundheitssysteme", ein Forschungszentrum für die
Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz in der Medizin. Die Universität Hamburg ist gemeinsam mit drei weiteren norddeutschen Hochschulen daran
beteiligt. Der Bund hat dafür eine Fördersumme von rund zehn Millionen
Euro zugesagt, die binnen der nächsten drei Jahre ausbezahlt werden soll. 2020
wollen sich die Forscher an die Arbeit machen, im Fokus sollen intelligente
Gesundheitssysteme stehen – das können sogenannte Smart-Living-Home-Assistenten
sein oder robotische Assistenzsysteme, die bei der Diagnose von Krankheiten
helfen sollen.
Private Akteure drängen auf den Markt
Zudem erkennen immer mehr private Akteure das Potenzial künstlicher Intelligenz: Ende August wurde etwa das Health AI Hub im Astraturm auf St. Pauli eröffnet, eine weitere Schnittstelle zwischen Forschung und Wirtschaft. Vier junge Hamburger Start-ups haben sich darin zusammengeschlossen, darunter das Unternehmen MindPeak, das eine Software entwickelt hat, die Brustkrebszellen in einer Gewebeprobe innerhalb kurzer Zeit erkennt.
Neu und ambitioniert ist auch die Initiative AI.Hamburg des Unternehmerpaars Petra Vorsteher
und Ragnar Kruse. Sie soll Unternehmen bei der Anwendung von KI-Technologien unterstützen und zu diesem Zweck ab 2020 Workshops anbieten.
Nein, an düstere Zukunftsvisionen lassen die knuffigen Roboter in Hammerbrooklyn ganz sicher nicht denken. Auch wenn die humanoide Form so mancher Maschine zwar niedlich, dann aber doch irgendwie befremdlich wirkt. Und eine Gewissheit liegt an diesem Wochenende über der ganzen Ausstellung: "In ein paar Jahren werden wir sowieso in allen Lebensbereichen mit künstlicher Intelligenz konfrontiert sein, also sollten wir uns mit dem Gedanken anfreunden", sagt einer der Airbus-Entwickler. "Wir rufen der Waschmaschine etwas zu und die weiß dann schon selbst, was zu tun ist. Und wir werden uns darüber freuen – weil es so wahnsinnig praktisch ist."
Kommentare
"Wir rufen der Waschmaschine etwas zu und die weiß dann schon selbst, was zu tun ist".....
Technisch wohl machbar. Aber ich bin zu faul zum sprechen. Ich tippe lieber. Die komplette Jugend tippt lieber anstatt zu telefonieren. Eine Fernsteuerung der Waschmaschine über eine App wäre ok.
Wobei KIs wohl eher im Durchforsten der von uns angehäuften Datenbergen ihre Anwendung finden werden.
"Eine Fernsteuerung der Waschmaschine über eine App wäre ok."
Für mein Verständnis: Bislang stand man vor der Waschmaschine, weil man da infolge des Befüllens eh gerade ist, dreht an einem Knopf, drückt ne Taste und fertig.
Künftig muss ich zum Handy und kann Knopf und Taste durch Tip Tip Wisch Tip Tip Tip ersetzen?
Was für eine Erleichterung ;-)
"Deutschland" und "Informatik" ist ein Trauerspiel.
Recht gut zusammengefasst wird es im Artikel
"Deutschland spart sich bei der KI-Forschung ins Abseits
Allein die chinesische Metropole Tianjin will Künstliche Intelligenz mit rund 13 Milliarden Euro fördern. Deutschland wird abgehängt, warnt eine Studie."
https://www.handelsblatt.com…
Und natürlich wird mal wieder viel Geld in soziologische und juristische Fragen gesteckt, die uns wirtschaftlich oder wissenschaftlich auch nicht einen Millimeter weit voran bringen.
"Für die Stellen sollen nicht nur Forscher*innen aus technischen Fachbereichen nominiert werden, sondern explizit auch solche, die sich "mit den sozio-ökonomischen, ethischen oder rechtlichen Aspekten der Künstlichen Intelligenz befassen."
https://www.br.de/nachrichte…
So ist das eben , und ganz interessant dabei ist, das die Chinesen wohl zusammen mit den Japanern zukuenftig dominieren werden, da sie schon frueh erkannt haben was alles moeglich ist.
Dabei haben uns doch Sci Fi Sendungen wie Star Trek oder babylon 5 gezeigt wie nuetzlich KI Systeme sein koennen.
Ich möchte es noch einfacher! Ich will der Wäsche sagen "wascht euch" und sie tut es mit anschließendem trocknen!
Ja, und ich hätte auch noch gerne "Tischlein deck dich, Esel streck dich, Knüppel aus dem Sack".......
Die halbe Hundertschaft Roboter, die nichts anderes tut als mir den ganzen Tag lang hinterherzuräumen tät' mich schon irgendwann nerven...
Das gute an diesen Dingern ist, man kann ihnen einen Zeitplan diktieren und sie arbeiten dann nur in diesem.