Bismarck überragt Hamburg, doch die Stadt hat ihn lange kaum beachtet. Nahe der Reeperbahn steht sein Denkmal: Ein Koloss. Allein sein Schwert ist über zehn Meter lang; als wolle er Hamburg beschützen. Dabei hat die Statue selbst kaum noch Halt. Sie driftet auseinander und hat sich vor zehn Jahren fast sechs Zentimeter nach hinten geneigt.
Wie geht die Stadt mit ihrer Erinnerung um? Das Bismarck-Denkmal wirft diese Frage auf. So lange wurde geprüft und überlegt, was mit dem Monument geschehen soll, dass sich die Antwort fast erübrigt hatte. Nun hat die Stadt Fakten geschaffen – und ein Berliner Architekturbüro mit der Planung der Sanierungsmaßnahmen beauftragt, die dann wiederum von einer anderen Firma durchgeführt werden. Die Stadt geht momentan davon aus, dass 2018 mit den Arbeiten begonnen wird. Die dafür nötigen 6,5 Millionen Euro kommen vom Bund.
Im Grunde geschieht dies ein paar Jahrzehnte zu spät. Denn im Fundament unter Bismarcks Statue geht schon seit dem letzten Weltkrieg ein geschichtsträchtiger Raum kaputt, von dem die meisten Hamburger gar nichts wissen. Ein Raum, wie eine Metapher dafür, wie schwer die Last des Nationalismus wiegt:
Die Bismarck-Statue hatte es, statisch betrachtet, immer schwer, weil viele Großes mit ihr vorhatten: Schon der Bildhauer Hugo Lederer baute das Denkmal 1906 zwei Meter höher als erlaubt, wodurch es von Anfang an wacklig war. Noch instabiler wurde es dann im Nationalsozialismus. Im Zweiten Weltkrieg schlug eine Bombe neben Bismarck auf der Plattform ein. Die Nazis hatten 1939 in den Hohlraum unter der Statue einen Luftschutzbunker gebaut. Sie zogen Wände ein, verteilten zusätzlichen Beton an den Decken – und machten das Bauwerk so 2.200 Tonnen schwerer. Es wirken fortan Kräfte ein, die anfangs nicht vorgesehen waren.
Diese Kräfte haben dazu geführt, dass man hier heute einen Helm tragen muss, wo während des Zweiten Weltkrieges Anwohner Schutz suchten. Denn sonst könnten einem wie in einer Tropfsteinhöhle Stalaktiten auf den Kopf fallen. Über Jahre hinweg sickerte Feuchtigkeit in das Gebäude ein. In der Mitte befindet sich ein schmaler kegelförmiger Hohlraum, an dessen Decke über einem großen Reichsadler ein Hakenkreuz prangt, gelb auf blauem Grund. Jede der acht Kammern, die von hier abgehen, ist gestaltet wie ein martialischer Themenraum.
Bis heute ist nicht geklärt, zu welchem Zwecke die aufwändigen Wandmalereien in den Kammern erstellt wurden. Symbole wie ein Sonnenrad, das später zum Nazisymbol, dem Hakenkreuz wurde, Eichenkränze und ein Schwert sind an die Wände gemalt. Dies geschah jedoch nicht, um die Schutzsuchenden zu indoktrinieren, meint der Kunsthistoriker Jörg Schilling. Er vermutet, dass eine religiös-nationale "Pseudo-Gruft" zur Huldigung Bismarcks im NS-System entstehen sollte.
Nach dem Krieg wollte man Bismarck verstecken
Die Niederlage der Deutschen im Krieg verhinderte dies. Doch das Innenleben der Statue zeugt davon, dass ein Krieg über seine Zeit hinaus wirkt. Auch wenn die Bomben Bismarck nicht direkt trafen, zersetzen ihn die Taten der Nazis bis heute.
Dies geschah bislang unbemerkt vor den Augen der Öffentlichkeit. Nach dem Krieg wollte man Bismarck verstecken. 1954 wurden Bäume gepflanzt, um die Sicht auf ihn zu verbergen. Vier Jahrzehnte später ließ man sie dann wieder stutzen, um den Blick auf ihn zuzulassen. Seitdem ist der Umgang mit ihm nahezu unpolitisch. Vor zwei Jahren noch empfahlen die zuständigen Bauprüfer der Stadt, die Bauten mit den Malereien herauszureißen. Doch der Denkmalpfleger der Kulturbehörde, Christoph Schwarzkopf, intervenierte. Er nennt die Wandbilder auf den Betondecken eine ganz wesentliche "Zeitschicht".
Unweit der Reeperbahn steht das Denkmal mittlerweile seinem Umfeld seltsam entrückt da. Der Neubau der Tanzenden Türme auf der anderen Straßenseite erhält mehr Beachtung. Aufsehen erregte Bismarck zuletzt, als ihm eine Künstlergruppe einen Steinbock auf den Kopf setzte. Doch der ansonsten überwiegend gleichgültige Umgang mit ihm ist gefährlich. Er lädt dazu ein, dass andere, die Bismarck als Gründervater des Deutschen Reichs ideologisieren, die Stille nutzen und laut werden. So wie Anfang des 20. Jahrhunderts, als Nationalkonservative und völkische Lager Fackellaufmärsche vor dem Denkmal veranstalteten.
Kommentare
Einem Antiparlamentarier in einer seit Jahrzehnten stabilen demokratischen Republik eine prominente Bühne zu bereiten, halte ich für nicht unproblematisch. Helmut Schmidt sollte anstatt von Bismarck seinen Platz bekommen.
Bismarck wäre vermutlich heute ideologisch in der AfD beheimatet. Als Gedankenanregung.
Es ist immer ziemlich zweifelhaft, einen Politiker, der vor 150 Jahren gewirkt hat, in die heutige politische Landschaft einzuordnen. Bismarck ist eine historisch Figur, die man sehr kontrovers betrachten kann,aber zu seinen Lebzeiten hatten vermutlich 90% der Abgeordneten Ansichten, die aus heutiger Sicht sehr weit rechts zu verorten sind. Die Sozialisierung und die Umgebung, in der Bismarck und die Anderen politisiert wurden, war schlichtweg eine völlig andere als heute. Wenn er heute aufgewachsen wäre, wären Bismarcks Ansichten vermutlich anders. Dazu kommt, dass auch an Persönlichkeiten erinnert werden sollte, die wir nicht als rein positiv betrachten. Genau diese Auseinandersetzung mit der Geschichte macht es uns ja erst möglich, diese Personen in einen gewissen Kontext einzuordnen und uns ein eigenes Bild von unserer Geschichte zu machen und uns davon ausgehend überlegen können, wie unser Staat heute aufgebaut sein sollte.
Zur Nutzung des Denkmals nach der Sanierung: Wie wäre es denn mit der Gründung eines Vereins, der Spendengelder sammelt und über diese eine "geringfügig beschäftige Stelle" schafft, die Führungen in kleinen Gruppen an Wochenende durchführt?
Über weitere Spendengelder könnte man vielleicht sogar über die Jahre Stück für Stück die museale Nutzung und historische Einordnung aufbauen.
Manche User haben wohl etwas Nachholbedarf in Geschichte und politischer Bildung nötig. Kann man ja auch touristisch anbieten als Kontrastprogramm zu den Kiezführungen. Oder in die schon bestehenden Stadtgänge einbinden. Ideen gibt es da viele.
"Bismarck bröckelt"?
Lasst ihn bröckeln.
Was wir von hm brauchen, das haben wir. Es steht in den Geschichtsbüchern.
Was wir nicht von ihm brauchen, das soll bröckeln dürfen:
Ein Monument. Lasst es bröckeln.
Das ist der einzig angemessene Umgang damit.
"Lasst es bröckeln. Das ist der einzig angemessene Umgang damit"
Also grundsätzlich keine Monumente pflegen? Steht ja alles in den Geschichtsbüchern?
Warum kann denn der Clan der Bismarcks und Schönhausens kein Scherflein beitragen? Ist es denen denn nicht peinlich, vor Ort das Denkmal ihres Vorfahren so verfallen zu lassen?
Im übrigen ist Bismarck auch der Vater der Sozialgesetzgebung. Was wir heute als Kranken- und Rentenversicherung haben, das verdanken wir seinem Wirken, und dafür werden wir international beneidet. Allein dafür gebührt ihm schon ein Denkmal. Arbeitgeberanteile und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sind nämlich nicht wie Manna vom Himmel gefallen. Etwas mehr Geschichtsbewusstsein täte da wohl gut, wenn man Bismarck nicht auf Pickelhaube und Hering reduzieren will.
Antiparlamentarier - ich glaub es hackt!
Warum kann denn der Clan der Bismarcks und Schönhausens kein Scherflein beitragen?
In dem Augenblick wo Sie die Instandhaltung öffentlicher Denkmäler Ihrer Ahnen finanziell unterstützen oder sogar komplett bezahlen, wird man Ihnen Ahnenkult und Absichten zur Re-Monarchisierung unterstellen. Außerdem können Sie keine Grenzen ziehen, wer von den Verwandten wie viel beitragen soll, denn ein toller Name macht einen noch lange nicht reich - da gibt es fernere Verwandte mit sehr viel Geld und nahe Verwandte, die nur ihr mageres Angestelltengehalt haben.