Die Situation in den Behörden ist angespannt: Der Zuzug von Flüchtlingen sei "kaum mehr zu bewältigen", sagt Norbert Smekal, Sprecher des Hamburger Einwohner-Zentralamts. Allein in der Nacht zum vergangenen Freitag sind 298 Flüchtlinge neu nach Hamburg gekommen, nach Behördenangaben ein neuer Tagesrekord. Gleichzeitig gelingt die übliche Umverteilung in andere Bundesländer nur schleppend, weil auch dort die Aufnahmekapazitäten erschöpft sind.
Wohin mit all den Schutzsuchenden? Immer mehr von ihnen quartiert die Innenbehörde notdürftig in Zelten ein. "Es werden an allen möglichen Standorten Zelte aufgebaut", sagt Norbert Smekal. Etwa an der Wilhelmsburger Dratelnstraße oder der Altonaer Schnackenburgsallee. Die Innenbehörde scheint Mühe zu haben, den Überblick zu behalten, wie viele Flüchtlinge sie gerade auf diese Weise unterbringt. 820 seien es am vergangenen Dienstag gewesen, sagt ihr Sprecher Frank Reschreiter. "Doch die Zahlen dürften schon wieder gestiegen sein."
Am vergangenen Donnerstag wollte das Deutsche Rote Kreuz (DRK) im Auftrag der Behörde 50 Zelte im
Stadtteil Jenfeld aufbauen. Als aufgebrachte Anwohner ihnen den Weg
in den Moorpark versperrten, rückten die Helfer allerdings wieder ab. Niemand
hatte die Bewohner des Neubertbogens über das Vorhaben informiert.
Sollte der Bund die Regie übernehmen?
Erst am Dienstag zuvor hatte die Stadt beschlossen, auf der Wiese zwischen Spielplatz und Reihenhaus 800 Flüchtlinge unterzubringen. Auf eine Veranstaltung des Bezirks Wandsbek, die für Aufklärung sorgen soll, wollte sie aber nicht warten. Wenn sie diese Woche stattfindet, könnten die ersten Flüchtlinge bereits eingezogen sein.
Die späten Informationen der Behörden und die Sorge vor dem drohenden Verlust des Parks mischten sich bei den Jenfelder Anwohnern mit Vorurteilen und Ängsten. Dennoch gelang es den Helfern des DRK am Freitagnachmittag im zweiten Anlauf, die Zeltstadt zu errichten. Beistand bekamen sie dabei von etwa 50 Flüchtlingsunterstützern aus der linken Szene. Sie waren mit Fahrrädern nach Jenfeld gefahren und bauten gemeinsam mit den DRK-Helfern Stockbetten auf, in denen demnächst Flüchtlinge übernachten werden.
Im Jenfelder
Moorpark werden sich 16 Flüchtlinge ein Zelt teilen, das sowohl vor Hitze am Tag als auch
vor Kälte in der Nacht nur wenig Schutz bieten kann. Privatsphäre gibt
es dort keine. Das Gelände ist von einem Zaun umgeben, es folgen ein
Fußweg und wenige Meter dahinter die ersten Wohnhäuser. Es ist eine
Notlösung.
Auf die äußeren Umstände nimmt die Stadt bei der Errichtung neuer Unterkünfte inzwischen kaum mehr Rücksicht. Erst in der vergangenen Woche hatten die Behörden angekündigt, perspektivisch in jedem Stadtteil eine Flüchtlingsunterkunft zu errichten – Ausnahmen würden auch nicht für reiche Viertel gelten. Denn die meisten Flüchtlinge bringt Hamburg bislang in weniger wohlhabenden Nachbarschaften unter. So wie nun in Jenfeld. Das Viertel im Osten Hamburgs der Stadt gehört zu den ärmsten Hamburgs. 20 Prozent der Bewohner beziehen Hartz IV, das Jahresdurchschnittseinkommen liegt bei 22.000 Euro.
Die Oppositionsparteien in der
Bürgerschaft halten den Senat im Umgang mit ankommenden
Flüchtlingen für überfordert. Hamburgs CDU-Vorsitzender
Roland Heintze hat sogar vorgeschlagen, das
Bundesinnenministerium solle im Notfall die Regie übernehmen. "Wenn
die Lage weiter eskaliert hier in Hamburg, dann wird man darüber
nachdenken müssen, ob Unterbringung nicht in Bundeszuständigkeit
gehören soll", sagte er laut Welt.
Im Zentrum der Oppositionskritik steht die Kommunikation zwischen
Behörden und Bürgern. Jennifer Dutschke, flüchtlingspolitische
Sprecherin der FDP, sagte, der Senat setze mit seinem Vorgehen
"Willkommenskultur und Aufnahmebereitschaft in Hamburg aufs Spiel".
Kommentare
Das die Städte und Kommunen
immer mehr überfordert werden ist klar. Sie können sich den Wohnraum auch nicht schnitzen. Wenn die letzte Landgemeinde nicht mehr kann, werden einige Politiker in Erklärungsnöte kommen.
Fehlender kommunaler Wohnungsbau
Es rächt sich nun, dass man vorhandene Kapazitäten Anfang der 2000er abgebaut hat, wo man aber eigentlich schon wissen konnte, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der nächste Flüchtlingsstrom kommt. Gleichzeitig hat man es von kommunaler Seite sträflich versäumt, in den Wohnungsbau zu investieren, im Gegenteil wurde häufig veräußert, was an städtischem Wohnraum noch zur Verfügung stand.
Jetzt muss dafür halt die Zeche gezahlt werden. Im Zweifel erfolgt halt eine Einquartierung, was 1947 ging, kann man heute auch machen. Ich persönlich würde auch ein bisschen schadenfroh aus der Wäsche schauen, wenn in einer der zahlreichen luxussanierten Wohnungen, die de facto leer stehen oder nur sporadisch genutzt werden Flüchtlinge gegen eine geringe Aufwandsentschädigung einquartiert werden.
Er sollte es doch eigentlich besser wissen
"Hamburgs CDU-Vorsitzender Roland Heintze hat sogar vorgeschlagen, das Bundesinnenministerium solle im Notfall die Regie übernehmen. "Wenn die Lage weiter eskaliert hier in Hamburg, dann wird man darüber nachdenken müssen, ob Unterbringung nicht in Bundeszuständigkeit gehören soll","
Als ob der Bund sich irgend etwas von der Flüchtlingsproblematik annimmt. Die sorgen nur dafür, dass die Flüchtlinge hier nach Deutschland kommen. Vielleicht noch etwas Geld an die Ländern, dann ist aber auch gut. Gute Ratschläge geben sich reichlich.
Schon seit langem mit der Wohnraumbeschaffung überfordert
Die Stadt Hamburg und der Senat scheiterten bereits zum Anfang des Jahrtausends daran, für die Masse ihrer Bewohner genügend Wohnraum bereitzustellen. Gewerbeflächen und Reichenghettos gingen und gehen vor. Die dann hinzukommende Selbstbelobigungsmaschinerie "Wachsende Stadt" wirkte ebenfalls nicht Entspannend auf den Wohnungsmarkt.
Wo eine Stadt bereits an der Daseinsvorsorge für ihre Bewohner scheitert, ist nicht zu erwarten gewesen, dass sie bei der Unterbringung von Flüchtlingen brilliert. Die Zeit, in der die Huggenoten und Sephardim nach Hamburg flüchten konnten ist lange, lange vorbei.
Entfernt. Bitte kommentieren Sie sinnvoll und verzichten Sie auf polemisierende Kommentare. So kann keine spannenden und differenzierte Debatte entstehen, wie wir sie uns auf Zeit Online wünschen. Die Redaktion/lh
Was war hier polemisierend
Ist doch logisch, wenn Menschen in Not in der Fläche untergebracht werden. Aber dazu gehören auch Bürger die in besseren Lagen ihr Daheim haben und nicht nur die in Städten mit leerstehenden Gebäuden, die das Ganze schultern sollen. Ich bitte Sie: Wie soll sich das in Zukunft fortsetzen? Das hat nichts mit Polemik zu tun. Unsere Politiker sind gefordert die Sache zu ende zudenken. Das endet sonst in der inneren Katastrophe, wenn die Ursachen dafür nicht ausgeschalten werden. Ist doch toll, Sonntagsreden zu halten, aber das eigene Revier bleibt "sauber". So nehmen wir eben die halbe Welt auf. Ach man ...
Anmerkung: Bitte kommentieren Sie den Artikelinhalt, nicht die Moderationsentscheidungen. Die Redaktion/lh