Die bis zu 35-Jährigen werden als Generation Y bezeichnet. Besonders unter Personalmanagern wird unter diesem Schlagwort diskutiert, was Arbeitgeber den jungen Beschäftigten bieten müssten. Angeblich wollten die jüngeren Arbeitnehmer nicht fest angestellt sondern flexibel arbeiten. Sie seien weniger an Karriere interessiert als an Jobs, die sie sinnvoll finden – dafür seien sie dann auch bereit, das Äußerste zu geben. Gewerkschaftsstudien haben dieses Bild noch nie belegt. Darum wollten wir von unseren Lesern wissen: Was sind Ihre Erfahrungen?
Die Rückmeldungen waren überwältigend. Unzählige junge Leser haben ihren meist prekären Berufseinstieg in Hunderten teils ausführlichen Leserartikeln geschildert. Das vorherrschende Bild von der Generation Y bestätigen die Zusendungen kaum. Stattdessen berichten sie von einer Arbeitswelt, die ihnen ein Maximum an Flexibilität abfordert, aber nicht einmal ein Minimum an Sicherheit bietet. Insgesamt waren die Leser sich einig: Das mediale Hochglanzbild einer angeblich so selbstbewussten Generation, die sich die besten Jobs auf dem Arbeitsmarkt nur so aussuchen könne, muss dekonstruiert werden.
So berichtete etwa Leserin Nadine, dass sie seit ihrem Abschluss vor zweieinhalb Jahren ihren mittlerweile sechsten Arbeitsvertrag unterschrieben hat, der ihr zum ersten Mal über ein Jahr lang Sicherheit biete. "Die letzten Monate hatte ich sogar Angst, dass meine mittlerweile zehnjährige Beziehung zerbricht, weil wir nie mal länger als sechs Monate im Voraus planen können. An Familiengründung können wir gar nicht denken. Ich empfinde es als Hohn, wenn jemand behauptet, dass die Generation Y das so will."
"Jeder ist austauschbar"
Anna Priczkat, 26, Studentin und Mutter einer zweijährigen Tochter, schreibt uns: "Flexibilität ist ein attraktives Wort. In erster Linie ist man aber für den Arbeitgeber flexibel und nicht der Arbeitgeber für mich. Es sollte nicht vergessen werden, dass jeder austauschbar ist."
Statt der Flexibilität sei den Berufseinsteigern vor allem Sicherheit wichtig, meint eine 22-Jährige, die lieber anonym bleiben möchte: "Ich habe nach dem Abitur ein duales Studium in einer Kommunalverwaltung begonnen, andere meiner Freunde haben das auch gemacht oder im gehobenen Dienst bei der Polizei angefangen. Der Grund: sicherer Arbeitsplatz, Heimatnähe, sicheres Einkommen, gewisse Vorzüge durch Beamtenstatus." Nur wenn mindestens ein Partner von beiden solch einen sicheren Job habe, sei überhaupt an eine Familiengründung zu denken, sagt diese Leserin.
Besonders leiden die jungen Beschäftigten unter befristeten Arbeitsverträgen. Gerade Verträge mit Ablaufdatum hindern auch viele unserer jungen Leserinnen und Leser daran, eine Familie zu gründen. Eine Leserin mit dem Pseudonym Azaki berichtet von vielen Zukunftsängsten beim Jobeinstieg. "Der Einstieg war unglaublich hart. Momentan arbeite ich Teilzeit als Personaldisponentin und verdiene 2.100 Euro brutto – ein Traum, wenn ich an die letzten Jahre zurückdenke, und doch nichts, das zum Beispiel eine vernünftige Altersvorsorge zulässt. Eine Vollzeitstelle ist nicht in Sicht, aber wenigstens soll diese Woche mein auf ein Jahr befristeter Vertrag verlängert werden. Wenn ich Pech habe, wird der nächste Vertrag wieder nur auf ein Jahr befristet, verlängerte Probezeit nenne ich das. Alternativen gibt es nicht. Eine Familie zu gründen würde ich mir unter diesen Umständen im Leben nicht zutrauen. Immer noch habe ich das Gefühl, in diesem Schwebezustand zwischen Studium und 'richtigem' Job zu verharren. Und ich hoffe nur inständig, nicht abzustürzen."
Kaum Unterschiede nach Ausbildung, Beruf oder Branche
Dabei scheinen die Sorgen sich kaum nach Ausbildung, Beruf oder Branche zu unterscheiden. Wir haben gleichermaßen Zuschriften von Akademikern mit einem Abschluss in Mathe, Ingenieurswissenschaften, Naturwissenschaften oder Technik – den sogenannten viel gefragten MINT-Berufen – erhalten, als auch von Geisteswissenschaftlern und jungen Beschäftigten, die eine Berufsausbildung gemacht hatten, ein Handwerk erlernt oder nur eine Tätigkeit angelernt hatten. Leser Martin Kolle etwa erzählt von Hungerlöhnen im Gesundheitswesen und in der Pflege. "Oft wird an allen Ecken und Enden gespart, dass selbst so mancher Chefarzt vom Burn-out nicht mehr nach Hause kommt. So müssen im Freizeitausgleich Schichten übernommen werden und ab und zu kommt auch mal ein Zeitarbeiter, der dann alleine die Nachtschicht übernimmt. In den Tagespflegestationen wird zudem das Essgeschirr erst bei der nächsten Mahlzeit abgeräumt. Spare wo du kannst. Außer bei den Überstunden, da laufen mal gern 160 Stunden auf. Wann man dann Kinder bekommen soll? Wenn der Job mit 40 vielleicht einmal entfristet ist." Martin Kolle schlägt eine reduzierte Wochenarbeitszeit bei Lohnausgleich vor, um dieses Problem zu lösen.
Wirtschaftswissenschaftlerin Julia Seliger schildert, wie sie nach einer Ausbildung zur Bürokauffrau im öffentlichen Dienst nur befristete Verträge bekam. Also studierte sie BWL. Als Absolventin fand sie jedoch keinen Job: "Plötzlich hieß es: ohne Praktikum auch keine Einstellung." Also absolvierte sie Praktika gegen ein paar Hundert Euro Bezahlung und kaum besser bezahlte Volontariate, zog für diese Jobs sogar um. "Der Arbeitsalltag war sehr abwechslungsreich, die Büros sehr schick und das Gehalt musste angeblich so gering sein, ich hatte ja schließlich keine Berufserfahrung. Aber der Arbeitsalltag war gefüllt mit Projekten, die parallel koordiniert werden mussten. Täglich wurde bis 22 Uhr und am Wochenende aus dem Homeoffice gearbeitet." Nach Vertragsende stand sie wieder auf der Straße. "Also folgte wieder Zeitarbeit, weil ich bei direkten Bewerbungen nur Absagen aufgrund von fehlender Erfahrung kassierte. Schon wieder zu wenig Erfahrung? Ich fand mich also in der gleichen Situation wieder wie fünf Jahre zuvor. Nur dass ich jetzt ein Studium absolviert hatte, wofür noch ein Studentenkredit und das Bafög zurückgezahlt werden wollten. Insgesamt habe ich bis heute 13 Arbeitsverträge gehabt. Inzwischen arbeite ich für einen Konzern in der Industrie als Einkäuferin, allerdings auch wieder nur ein befristetes Projekt. Und den Fahrweg von zwei Stunden nehme ich selbstverständlich in Kauf."
Der Lebenslauf von unserem Leser Max Gresser, 27, liest sich ähnlich. Nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann wurde er nur befristet übernommen. Es folgten "Zeitarbeit, Leiharbeit und Arbeitsvermittlung. Jetzt habe ich aktuell wieder eine neue Stelle. Leiharbeit. Aber mit Aussicht auf einen Festvertrag." Er fragt sich, wie es weitergehen soll, wenn es auch diesmal nicht klappt mit der Übernahme in ein festes Beschäftigungsverhältnis. "Was bringt einem Jobflexibilität, wenn man die Familienplanung aufgrund fehlender Sicherheiten immer weiter verschieben muss? Mit 27 ist das kein Problem, aber was ist mit 30 oder 33? Wo sieht man sich in fünf Jahren, oder in zehn?"
Kommentare
Wie kommt es nur, dass die Realität so anders ist, als
das, was medial verbreitet wurde?
Danke, Zeit.
Sollte diese Y- Generation möglichst lange veralbert werden?
Das kommt daher ...
... dass Journalisten immer nur mit Unternehmern reden, aber nie mit Angestellten - oder gar mit solchen, die es gern wären.
Das hat auch ökonomische Gründe - wozu 1000 Arbeitnehmer befragen, wenn man 10 Arbeitgeber mit je 100 Angestellten befragen kann?
Ein anderer Grund ist: Gleich und gleich gesellt sich gern. Journalisten verorten sich in der oberen Mittelschicht auf gleicher Stufe wie die Unternehmer, immer nur einen Hauch unterhalb der Oberschicht. Entsprechend fallen auch die Wertungen und Blickwinkel in den Artikeln aus.
Oder, um ein Bild von Volker Pispers zu bemühen: Der Zug rast auf einen Abgrund zu, aber die Journalisten glauben, dass sie in dem Waggon sitzen, der oben an der Kante hängen bleiben wird... genauso, übrigens, wie ihre Leserschaft - denn diejenigen, die wissen, dass sie in die Tiefe stürzen werden, haben ohnehin kein Geld und keine Zeit zum Totholzlesen.
generation y
ist tatsächlich ziemlich in der Zwickmühle. Die Besten erhalten adäquate Beschäftigungsverträge. Dann kommen noch mal 30 oder 40% die halbwegs ordentlich unterkommen.
Die Hälfte wird sich irgendwie durchschlagen dürfen.
Die Industrie wartet bereits sehnlich auf diese Alterskohorte um die Einstiegslöhne zu drücken und spielt die minder Qualifizierten noch gegen Migranten und EU-Einwanderer aus.
Es ist tatsächlich ein Aufstand erforderlich. Doch den müsst Ihr Y´er schon selbst organisieren. Wir "Alten" oder 50+ werden dies kaum tun.
Bis dahin kann man nur raten, möglichst wenig langfristige Verbindlichkeiten einzugehen (Lebensversicherung, Immobilie...). Auch Partnerschaften oder Kinder gehören in diese Kategorie - leider!
Schöne Märchenwelt
""Die Besten erhalten adäquate Beschäftigungsverträge. Dann kommen noch mal 30 oder 40% die halbwegs ordentlich unterkommen.""
Die Verträge gehen doch nicht an die besten. Wäre ja schön wenn sich Leistung tatsächlich durchsetzen würde, aber bedauerlicherweise ist dies nicht so. Es war schon früher so, dass die "richtigen Leute zu kennen" massiv dazu beigetragen hat, auf die Erfolgsspur zu kommen.
Heute ist dass noch viel intensiver als früher, aber was macht die Generation Y? Anstatt z.B. in Vereinen auf sich aufmerksam zu machen, die meisten Vorstände haben beste Verbindungen zu der Wirtschaft, sitzen sie zuhause vor dem PC und heulen sich in den sozialen Netzwerken aus. Gewerkschaften oder politische Parteien sind auch verpönt. Hallo, da liegen eure Eintrittskarten in ein besseres Leben und ihr wollt sie nicht.
Deshalb frage ich mal anders. Warum sollte ich euch einstellen, wenn ihr keinerlei Kontakte mitbringt? Wie soll ich an euch glauben, wenn ihr euch noch nicht einmal selbst zu helfen wisst?
Keine Antwort? Dann fragt euch doch mal selbst, wieso bestimmt 95% der freiwilligen Feuerwehr in einem guten Job unterkommen.
Es gibt Mittel und Wege, ihr müsst sie nur zu nutzen wissen.
Darum kümmert sich aber keine Partei.
Darum kümmern sich auch nicht ernsthaft die Medien.
Darum kümmert sich kein A...
Mal eben Afrika oder den Nahen Ostern oder Griechenland aufbauen,
null problemo, machen wir ja mit links, easy Alter...Maulhurerei.
Die Leute unter 30 lässt man links liegen. Gut ausgebildet, das angebliche
Allheilmittel hilft doch auch nicht. Irgendwie in den Staatsdienst kommen,
das ist die Devise, wenn nicht, Pech gehabt.
Diese Jugend ist aber auch schuld, weil sie nicht für sich selbst
kämpft, lieber für Spinner, die ein bedingungsloses Grundeinkommen
usw. fordern oder was weiß ich für Wohltaten.
Sie sollte wissen auf welche Kosten Wohltaten gehen.
Was schreiben Sie für einen Unfug?
Mal eben Afrika oder den Nahen Ostern oder Griechenland aufbauen,
null problemo, machen wir ja mit links, easy Alter...
Wie wurde der nahe Osten aufgebaut? Von wem? Irak? Libyen? Mal dagewesen in den letzten 10 Jahren?
Und was bauen wir in Griechenland auf? wo doch die "Hilfgelder" zum allergrößten Teil direkt zur Schuldentilgung gefräßiger Investoren dient, die halt so fahrlässig waren und einem bereits überschuldeten Staat immer noch weiter Geld zu leihen.
Vielmehr bauen wir ab - in Griechenland, im nahen Osten, überall wo es geht, demnächst in der Ukraine; Bodenschätze, Infrastruktur, entrechtete Humanressourcen billig aus dem Meer der Massenarbeitslosigkeit gefischt.
Diese Jugend ist aber auch schuld, weil sie nicht für sich selbst
kämpft, lieber für Spinner, die ein bedingungsloses Grundeinkommen
usw. fordern oder was weiß ich für Wohltaten.
Sie sollte wissen auf welche Kosten Wohltaten gehen.
Genau das ist doch das Dilemma! Die kämpfen jeder für sich nur für ihre ganz pekuniären Privatinteressen; weil ihnen die neoliberal-sozialdarwinistische Verdummungspropaganda genau das jahrelang eingebläut hat: "Unter Strich zähl ich" - und am besten immer auf Kosten anderer! Ich oder Du! Konkurrenz statt Kooperation.
Aber wenn man sich selbst als Mittelpunkt der Erde sieht, und es für nicht nötig hält nach links oder rechts zu schauen, wird man auch die möglichen Verbündeten an der eigenen Schulter nicht erkennen.
Leserumfrage
da sich ja zumeist Menschen melden die unzufrieden sind gebe ich kurz unsere Situation wieder, die natürlich nicht repräsentativ sein muss.
Aber es gibt eben auch Menschen die unter 30 sind und einen festen Job ohne Zeitvertrag, Ausbeutung usw. haben.
Also, bleibt dran und nicht nur von negativen Beispielen runterziehen lassen.