ZEIT ONLINE: Frau Stokowski, Sie wollten eigentlich Physik studieren, haben sich dann aber für Philosophie und Sozialwissenschaften entschieden – um nicht immer die einzige Frau zu sein. Ihr Buch wäre mit einem Physikstudium vermutlich nicht entstanden. Müssen wir dankbar sein, dass berufliche Gleichberechtigung noch nicht gelebt wird?
Margarete Stokowski: Das ist eine lustige Frage. Ich weiß tatsächlich nicht, was aus mir geworden wäre, hätte ich Physik studiert. Gleichzeitig habe ich mir damals die Frage gestellt: Hätte ich es machen müssen, einfach, weil ich es konnte? Müssen alle Frauen, die gut in diesen Bereichen sind, sich überwinden und das machen?
ZEIT ONLINE: Sollten sie?
Stokowski: Nein, auf keinen Fall. Das ist dann ja auch keine Freiheit, wenn man sich opfert, weil man eine Frau ist.
ZEIT ONLINE: Entscheidend für Ihren Berufswunsch war die Lektüre der Biografie von Marie Curie. Braucht es weibliche Vorbilder, um sich für sogenannte männliche Berufe zu entscheiden?
Stokowski: Es braucht sie nicht unbedingt, aber es hat einen total erleichternden Effekt, wenn es gegangene Wege gibt, die gar nicht so absurd sind und funktionieren. Wenn man Leute kennenlernt, die Sachen machen, die man sich selbst nie erlaubt hätte. Dann merkt man: Krass, das geht. Man muss dann nicht so sehr gegen vermeintliche Widerstände ankämpfen.
ZEIT ONLINE: Gleichzeitig muss es ja erste Frauen in den herkömmlichen Männerbranchen geben.
Stokowski: Ja, und es gibt ja auch ständig erste Frauen in diesen sogenannten Männerbranchen, es geht ja voran. Aber eben nicht so schnell wie man meinen könnte. Entweder man muss stark genug sein, um Klischees und Widerstände einfach zu ignorieren, oder man muss aktiv gegen sie ankämpfen – beides kostet Kraft.
ZEIT ONLINE: War das auch ausschlaggebend für Ihre Berufswahl?
Stokowski: Ja, obwohl ich meine komplette Jugend hindurch Physikerin werden wollte, war dann Philosophie für mich irgendwie doch das größere Abenteuer.
ZEIT ONLINE: Lag das an der Außenseiterposition als Frau oder waren das einfach andere Leute, unabhängig vom Geschlecht?
Stokowski: Es ist ja nicht so, dass ich keine Physiker mag, um Himmels Willen. Aber wenn ich in der Schule das einzige Mädchen im Physikkurs war, hatte ich das Gefühl, ich müsse viel mehr beweisen: Wenn ich scheiterte, heißt es, dass Mädchen es nicht können.
Kommentare
Sie hätte ohne Probleme Physik studieren können und bei entsprechender Leistung Nobelpreisträgerin werden können und kein Mensch dieser Welt hätte sie daran hindern können. Frauen steht in dieser Welt alles offen, oft werden sie auch gefördert und sogar bevorzugt.
Bei mir kommt bei solchen Artikeln nur undefinierte Jammerei an.
Es ist ja allerdings ein Problem, dass einige Branchen halt sehr viele Nachteile bringen - vA auch in der Bezahlung - und dass diese Branchen gerade von Frauen in der Hauptsache bedient werden.
"Aber wenn ich in der Schule das einzige Mädchen im Physikkurs war, hatte ich das Gefühl, ich müsse viel mehr beweisen: Wenn ich scheiterte, heißt es, dass Mädchen es nicht können. "
Ideal wäre natürlich gewesen, bei den anderen Mädchen für das Fach Physik zu trommeln. Ich denke, ein großer Teil der "Nichtgleichberechtigung" liegt in den Köpfen der Frauen.
Man muss wohl noch unterscheiden zwischen "Köpfen der Frauen" und "Köpfen der Mädchen". Junge Menschen sind, Rebellion hin oder her, Normen viel stärker ausgesetzt als Erwachsene. Da kommt es eben auf die gesamte Gesellschaft an. Auf Väter und auf Mütter (und letzten Endes auch auf alle anderen).
Frei nach Josef Hader: Man kann es auch übertreiben mit der Genderisierung in unseren Rucolabezirken ;-)
"Man kann es auch übertreiben mit der Genderisierung "
es wird schon übertrieben. Für Studiengänge, in denen Frauen deutlich unterrepräsentiert sind, gibt es separate Frauenstudiengänge, damit sie sich nicht so allein fühlen. Auch Zeit Online berichtete schon.
In Lehramtsstudiengängen studieren zu 85%Frauen. Niemand käme auf die Idee, auch Männern die gleichen Rechte auf so etwas zu gewähren. Wer auch, es gibt nur Frauenbeauftragte.
Wieso gelten Frauen grundsätzlich als diskriminiert wenn sie irgendwo unterrepräsentiert sind? Männer sind in diesen Fällen immer selbst schuld.
"Stokowski: Es gibt nicht das Mittel für Gleichberechtigung"
Es ist nicht Gleichberechtigung, wenn ausschließlich Frauen ein Recht auf Gleichstellung haben und Frauensonderrechte stapeln. Sie nennen es nur so.
"Aber wenn ich in der Schule das einzige Mädchen im Physikkurs war, hatte ich das Gefühl, ich müsse viel mehr beweisen: Wenn ich scheiterte, heißt es, dass Mädchen es nicht können. "
Für ihre Gefühle kann der Rest der Menschheit aber nichts. Vielleicht sollte man mal damit aufhören, seine höchst individuelle Gefühlslage andauernd zum Gegenstand gesellschaftskritischer Debatten zu machen.
"Vielleicht sollte man mal damit aufhören, seine höchst individuelle Gefühlslage andauernd zum Gegenstand gesellschaftskritischer Debatten zu machen"
Wichtig ist nur, man wirft dann nicht anderen vor postfaktisch zu agieren :-)