Frage: Herr Ruoff, Kündigungen sind in einer Rezession nichts Ungewöhnliches. Warum nimmt es die Betroffenen trotzdem oft sehr mit?
Hans Ruoff: Wenn ich Karriere mache, engagiere ich mich stark – oft auf Kosten des Privatlebens. Deshalb trifft mich eine Kündigung auch persönlich. Hinzu kommen Zweifel, wie die Frage: Wie viel Schuld liegt bei mir? Oder: Bin ich ohne die Position noch etwas wert? Tatsächlich ähnelt das, was ich nach einer Kündigung durchmache, den Phasen, die ich auch nach dem Ende einer Liebesbeziehung durchlebe: Verweigerung, Wut, Depression. Und dann – wenn es mir gelingt – die Wirklichkeit annehmen und mich wieder der Welt zuwenden.
Wie kann man damit umgehen?
Ich sollte mich diesen Gefühlen stellen und ehrlich zu mir selbst sein, zu meiner Familie, meinen Freunden und Bekannten. Nichts vertuschen oder Dinge sagen wie "Eigentlich wollte ich sowieso weg". Mir die Zeit nehmen, Bilanz zu ziehen, und mich fragen: Wo liegt mein Anteil an der Sache? War es vielleicht nicht die richtige Position für mich?
Das klingt nach Selbstzweifeln...
Nicht unbedingt. Diese Fragen helfen mir zu schauen, wo ich eigentlich hin will und was ich dafür tun kann. Ich kann mich fragen: Was hat mich an meiner letzten Stelle gestört? Wie kann ich das in Zukunft vermeiden? So gesehen birgt eine Kündigung die Chance, mich neu auszurichten.
Der Gedanke, keine feste Struktur mehr zu haben, ängstigt oft. Was empfehlen Sie?
Ich kann Dinge tun, die ich mir schon immer gewünscht habe: einen Sprachkurs machen oder eine Reise. Damit baue ich mein Selbstwertgefühl wieder auf. Auch Gespräche mit Freunden helfen.
Die Zahl der Arbeitslosen nimmt zu. Brauchen wir eine Kultur des Scheiterns?
Unbedingt. Die offizielle Lesart im Berufsleben ist immer noch: Jeder ist seines Glückes Schmied – ich habe es in der Hand, ob ich erfolgreich bin. Der Umkehrschluss ist, wenn ich etwas nicht schaffe, muss es an mir liegen. Das stimmt natürlich so nicht. Es gibt Phasen, in denen wir arbeiten, und Phasen, in denen ein Wechsel ansteht. Dann kommt etwas Neues. Das ist ganz normal. Es ist absurd, wenn ein Karrierebruch oder eine Kündigung noch als Makel gilt.
Der Autor und Journalist Hans Ruoff hat das Lebenshilfe-Buch "Die Kunst des erfolgreichen Abstiegs: Vom guten Leben jenseits der Karriere" geschrieben. Das Interview führte Tanja Könemann. Der Text erschien in Junge Karriere.
Kommentare
An der Realität vorbei...
Ein Interview für die Bessergestelltem; jene, die ausschließlich arbeiten um sich selbst zu verwirklichen. Die das Geld nur so mitnehmen, weil man es halt bekommt.
An Lächerlichkeit nicht zu überbieten der folgende Tipp:
Was empfehlen Sie?
Ich kann Dinge tun, die ich mir schon immer gewünscht habe: einen Sprachkurs machen oder eine Reise.
Von welchem Geld macht man dann die Reise, Herr Ruoff? Schnell die Reserven verjubeln? Ihr "gutes Leben jenseits der Karriere" scheint sich eher an die zu Richten, die ihre Schäflein im Trockenen haben. Schicken Sie Verteidigungsminister a.D., Herrn Jung, doch schonmal ein Exemplar.
es gibt auch dinge, die wenig oder nichts kosten, an denen die betroffene person sich aufbauen kann.
die wenigsten arbeiten nur zum spaß, viele jedoch haben nun einen zeitraum bis zur nächsten einstellung zu überbrücken. das beispiel reisen ist mit sicherheit unglücklich gewählt, doch weiß doch jeder selbst, welche freizeitbeschäftigung er neben seinem job hatte und wie er sie sinnvoll und erfüllend ausbauen kann, bis zum antritt der nächsten arbeitsstelle.
Zweifelhafte Tipps...
...für diejenigen, die nicht mit einer großzügigen Abfindung nach Hause in die Arbeitslosigkeit gehen. Sprachkurs? Reisen gar? Wovon? Von dem bisschen ALG, das man erhält? Kein Wunder, dass das Interview ursprünglich in "Junge Karriere" abgedruckt wurde. Da hätte es von mir aus auch gerne bleiben können.
Ursachenforschung
Schon die Herangehendsweise ist falsch. Wenn eine Kündigung 'verarbeitet' werden muss, wenn es 'Trennungsphasen' zu bewältigen gilt und wenn die Kündigung mit positiven Erlebnissen oder Erfolgen 'kompensiert' werden muss, dann bedeutet das, dass der Kündigte doch irgendwie Anteil an den Ursachen der Kündigung hat.
Das ist jedoch seltenst der Fall. Man muss sich immer der Schuldfrage stellen - und diese liegt seltenst beim Gekündigten selbst. Es Kündigung ist, wie von der Arbeitgeberseite gerne so dargestellt, auch keineswegs ein unabwendbares Ereignis ähnlich einer Naturkatastrophe, die unausweichlich zu ertragen ist.
Meistens sind es die Fehler, das Missmanagement oder schlichtweg die Gier eben jener Arbeitgeber, die zur Kündigung führen. Und selbst wenn es nicht der eigene chef ist, dann sind es vergleichbare Chefs an anderer Stelle, deren Dummheit und Arroganz zur Kündigung führt. Das allein muss man sich vergegenwärtigen, um nicht irgendwelche Trauerphasen verarbeiten zu müssen, sondern um festzustellen: es gibt Schuldige - reale Menschen, die für die Kündigung verantwortlich sind.
Ursachenforschung
Noch vor kaum mehr als einem Jahrhundert war es in Amerika - unserem grossartigen Vorbild in Sachen Freiheit und Demokratie - üblich, einen Mann, der einem Anderen Pferd und Gewehr stahl, aufzuhängen, da er mit der Tat dem Bestohlenen die Möglichkeit nahm, seinen Lebensunterhalt zu verdienen und damit seine Existenz vernichtete.
Eine Kündigung ist im Grunde nicht anderes als ein solcher Diebstahl, denn es ist in heutiger Zeit keineswegs sicher, dass man problemlos und ohne grosse Einschnitte einen neuen Job, also eine Existenz aufbauen kann.
Eben jene, die für die meisten Kündigungen verantwortlich sind, wachen mit Argusaugen über jeden Bruch im Lebenslauf, nehmen jede Unregelmässigkeit in der Biographie als Makel war, der als Ausschlusskriterium dient.
Eine Kündigung muss nicht verarbeitet werden - sie muss geahndet werden. Die Arbeit daran wird über jeden Selbstzweifel hinweghelfen ... und ansonsten gilt: Bewerbungen schreiben, einen neuen Job finden und ALLES dafür tun, diesen auch zu behalten. JEDES Mittel ist dazu Recht. Verbünden Sie sich mit anderen, bilden Sie Betriebsräte und Arbeitnehmervertretungen, suchen Sie den Kontakt zu den Gewerkschaften, engagieren Sie sich politisch gegen den neoliberalen Industrielobbyismus von schwarz-gelb und haben Sie keine Konsequenzen. Gute Arbeit und Leistung haben noch nie vor einer Kündigung geschützt - die ANGST einer Firmenleitung vor den Konsequenzen schon.