ZEIT ONLINE: Herr Beyer, Sie wollen mit dem Bundesverband Bürohund gegen Burn-out kämpfen. Meinen Sie das ernst?
Markus Beyer: (lacht) Ja. Wir sind davon überzeugt, dass man
dem Anstieg von psychischen Erkrankungen im Arbeitsleben
mithilfe von Hunden am Arbeitsplatz entgegenwirken kann. Jeder vierte Mann in
Deutschland und jede dritte Frau leidet unter chronischem Stress. Die Anzahl
der Fehltage im Job aufgrund von psychischen Symptomen ist seit 1997 um 165
Prozent gestiegen. Erst kürzlich stellte der Gesundheitsreport der Techniker
Krankenkasse fest, dass die 40 Millionen
Arbeitsunfähigkeitstage im vergangenen Jahr vor allem auf Stress und Überlastung zurückzuführen sind.
ZEIT ONLINE: Und ausgerechnet ein Hund im Büro soll für weniger Stress sorgen?
Beyer: Ja, denn Hunde wirken sich positiv auf den Menschen aus. Die Tiere berühren etwas in unserem Inneren. Das Wohlbefinden steigt, der Stresslevel sinkt. Wenn ich für eine Beratung mit meinem Hund Chester in ein Unternehmen komme, gehen wir als erstes zusammen mit dem Chef durch den Betrieb. Was glauben Sie, was dabei passiert?
ZEIT ONLINE: Die Mitarbeiter entdecken Ihren Hund und wollen ihn streicheln?
Beyer: Genau. In 98 Prozent aller Fälle sind die Menschen entzückt und begeistert. Sie wollen Chester streicheln und mit ihm spielen. Sie werden für einen Moment zwar aus ihrer Arbeit gerissen, aber sie freuen sich. Gesichter, die eben noch versteinert und angespannt waren, lächeln auf einmal. Es ist jedes Mal wie ein kleines Wunder. Ich habe noch nie Ablehnung oder Angst erlebt.
ZEIT ONLINE: Was ist mit Menschen, die schlechte Erfahrungen mit Hunden gemacht haben oder Allergikern?
Beyer: Natürlich müssen Menschen mit Angst vor Hunden sensibel an das Thema herangeführt werden. Wir werben ja auch nicht für Hunde mit einer sozialen Störung, sondern für erzogene, ausgebildete Hunde. Und es versteht sich von selbst, dass Allergiker geschützt werden. Allergien können ein Grund
sein,
warum keine Tiere im Büro möglich sind. Es muss ohnehin klare Regeln geben. Dazu zählt neben dem Allergiker-Schutz die Frage, wo sich die
Tiere aufhalten und welche und wie viele überhaupt erlaubt sind.
ZEIT ONLINE: Und was ist mit Unterbrechungen oder lautem Bellen?
Beyer: Die Hunde müssen selbstverständlich sozialisiert sein, und dann bellen sie nicht stundenlang. Unterbrechungen durch den Hund machen aber gar nichts – im Gegenteil, sie sind erwünscht. Genau das führt ja dazu, dass der Stress sinkt. Studien zeigen, dass kleinere Unterbrechungen die Produktivität steigern und die Konzentration wiederbeleben. Darum sind bei der Arbeit auch Pausen wichtig. Arbeitsmediziner haben herausgefunden, dass die Konzentration schon nach etwa 20 Minuten nachlässt und wir etwa alle 60 bis 90 Minuten einige Minuten Unterbrechung brauchen. Ein Bürohund ist somit eine positive und angenehme Abwechslung. Aber ein sozialisierter Hund wird niemanden alle 20 Minuten unterbrechen.
ZEIT ONLINE: Warum?
Beyer: Hunde leben in Familienverbänden und achten auf ihr Herrchen oder Frauchen. Außerdem schlafen sie sehr viel. Wenn sie mit ins Büro kommen, brauchen sie einen Rückzugsort – etwa unter dem Schreibtisch seines Besitzers oder in einer Ecke. Dann guckt der Hund vielleicht kurz, was Herrchen oder Frauchen tut, und wenn er das Signal bekommt, dass alles in Ordnung ist, wird er in der Regel einen großen Teil des Arbeitstages einfach ruhen. In der Mittagspause mit dem Hund Gassi zu gehen, tut auch dem Besitzer gut. Schon 15 Minuten Bewegung am Tag senkt das Herzinfarkt- und Krebsrisiko deutlich.
ZEIT ONLINE: Ist denn wirklich belegt, dass Bürohunde sich positiv auf die Beschäftigten auswirken?
Beyer: Randolph Barker von der Virginia Commonwealth University hat im Jahr 2002 untersucht, welchen Einfluss Hunde im Büro auf die Mitarbeiter haben. Dazu wurde den Probanden Blut abgenommen und die Konzentration der Stresshormone darin im Laufe des Tages gemessen. Am stärksten nahmen die Stresshormone im Blut der Mitarbeiter ab, die ihren Vierbeiner mit zur Arbeit nehmen durften. Aber auch bei den hundelosen Probanden sank der Stresslevel. Sie berichteten außerdem, dass sie die Anwesenheit der Hunde ihrer Kollegen als wohltuend empfanden.
Das liegt daran, dass Hunde bei Menschen einen ähnlichen Effekt haben wie Babys: Der Umgang mit ihnen regt im menschlichen Organismus die Produktion des Glückshormons Oxytocin an. Wir werden zufriedener und ruhiger. Das hat Auswirkungen auf unsere psychische und körperliche Gesundheit. Andere Studien zeigen, dass die Anwesenheit von Tieren im Büro Mitarbeiter motivierter und engagierter macht. Viele identifizieren sich auch stärker mit ihrem Arbeitgeber. Und für die Hunde ist es ebenfalls gesünder: Die Studie aus Virginia zeigte, dass die Tiere im Büro viel weniger unter Stress litten als zurückgelassene Hunde. Das überrascht nicht, denn Hunde sind Gruppentiere, die enorm unter einer Trennung von ihren Besitzern leiden.
ZEIT ONLINE: Was müssen Arbeitgeber beachten, die Hunde im Büro erlauben wollen?
Beyer: Generell haben Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch, ihr Haustier mit zur Arbeit zu bringen. Erlaubt der Chef, dass die Hunde mitkommen, tragen die Halter die Verantwortung für ihr Tier. Prinzipiell sollten die Regeln für die Anwesenheit von Hunden im Büro schriftlich fixiert sein. Sie müssen die Rahmenbedingungen festlegen: Wer darf seinen Hund mitbringen, wie viele Tiere sind erlaubt und bietet der Betrieb überhaupt genügend Platz und die Möglichkeit dafür? Und natürlich muss der Hund gesund, geimpft und erzogen sein. Geeignet sind Hunde, die eher ruhig und freundlich sind und Berührungen auch von anderen Menschen mögen. Die Hunde dürfen nicht aggressiv sein. Sinnvoll ist am Anfang auch eine Probezeit. Klar ist auch, dass der Arbeitgeber seine Zusage jederzeit zurückziehen kann, wenn es nicht klappt. Er trägt auch die Fürsorgepflicht für die Beschäftigten – das heißt, Allergiker müssen geschützt werden.
ZEIT ONLINE: Und was brauchen die Hunde im Büro?
Beyer: Zunächst mal muss ein geschützter Platz gefunden werden, der weder zu warm noch zu kalt oder zu zugig ist. Die Hunde brauchen eine bequeme Decke oder einen Korb. Außerdem muss immer genug Wasser da sein sowie Futter zur gewohnten Zeit. Dass der Tierschutz eingehalten wird, versteht sich von selbst – das heißt, die Hunde werden nicht im Fabrikationsbereich gehalten und sie sind nicht Lärm, Dämpfen oder giftigen Substanzen ausgesetzt.
Kommentare
Wie ist das denn mit Delphinen?
Das sind doch auch sehr verspiele, friedliche Tiere.
Ich kann beschwören, daß diese Behauptung des Hundeliebhabers:
"Das liegt daran, dass Hunde bei Menschen einen ähnlichen Effekt haben wie Babys: Der Umgang mit ihnen regt im menschlichen Organismus die Produktion des Glückshormons Oxytocin an"
nicht auf alle Menschen zutrifft. Für mich und drei Kolleginnen, die mir sofort zu dem Thema einfallen, sind Hunde purer Stress. Im Gegensatz zu Babies.
Es wurde im Artikel hinreichend dargelegt,
dass die Voraussetzungen stimmen müssen, um einen Hund an den Arbeitsplatz mitzubringen. Die Argumente sind jedoch stichhaltig und die wissenschaftlichen Daten über die positiven Auswirkungen der Anwesenheit von Hunden sind lange bekannt und belastbar. Nicht umsonst werden Hunde in der Therapie (u.a. bei Angststörungen) und für Besuchsdienste in Altenheimen eingesetzt. Kein Grund also, einen solchen Ansatz zu zerreden, nur weil es hin und wieder eine Ausnahme von der Regel gibt.
Übrigens fördert nicht nur der in dem Artikel genannte Verein die Anwesenheit von Hunden am Arbeitsplatz; auch vom Deutschen Tierschutzbund gibt es schon lange eine Aktion "Kollege Hund".
Vielleicht nicht für jeden, aber ein guter Ansatz
Muss denn wirklich jeder gute Vorschlag, jede Möglichkeit das Arbeitsleben etwas positiver und gemütlicher zu gestalten, direkt zerredet und niedergemacht werden?
Bestimmt ist nicht jeder Betrieb und jede Arbeitsgruppe dafür geeignet, einen Bürohund dabei zu haben. Aber es gibt bestimmt eine Menge Arbeitnehmer, die davon profitieren würden, ab und an mal in ein freundliches Hundegesicht zu schauen, statt nur ihre ebenfalls gehetzten Kollegen um sich zu wissen.
Na klar senken Hunde den Arbeitsstress
Schließlich arbeitet man ja kaum noch wenn unsere pelzigen, vierbeinigen Freunde anwesend sind. Und wenn man dann noch einen Verbündeten hat, der zurückknurrt, wenn der Chef knurrig ist und man für fast alles die Ausrede "ohh.. das hat gerade mein Hund gefressen" benutzen kann, da sinkt der Stresspegel enorm.