Frage: Können wir die Lücke nicht mit Auszubildenden aus anderen europäischen Ländern schließen?
Plünnecke: Südeuropäische Jugendliche konnten über spezielle Programme der EU nach Deutschland kommen und hier eine Berufsausbildung absolvieren. Auch bei den Ingenieuren beobachten wir eine hohe Mobilität über die Hochschulen.
Brenke: Na ja.
Plünnecke: Gucken Sie doch auf die Zahlen: Unter den neu zugewanderten Erwachsenen haben wir zehn Prozent sogenannte MINT-Akademiker – also Absolventen in Studienfächern wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. In der Gesamtbevölkerung macht diese Gruppe gerade mal fünf Prozent aus.
Frage: Aber ein junger Spanier will doch bestimmt genauso wenig in der Provinz arbeiten wie ein junger Deutscher...
Plünnecke: Stimmt. Die gehen lieber nach München oder Stuttgart statt in die Peripherie, weil die Großstädte einfach mehr bieten.
Brenke: Und weil es da höhere Löhne gibt. Fachkräfte in Deutschland sind einfach nicht mobil genug.
Plünnecke: Um dem Fachkräftemangel in so manchem Ausbildungsberuf entgegenzutreten, brauchen wir beides: mehr Mobilität innerhalb Deutschlands und Zuwanderer aus den Regionen Europas mit bis zu 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit.
Brenke: Aber das Problem wird man mit ausländischen Fachkräften nicht lösen können. Ein gelernter Maurer oder Dreher aus Deutschland hat eine ganz andere Qualifikation als jemand aus dem europäischen Ausland.
Frage: Es ist also leichter, einen Ingenieur zu ersetzen als einen Maurer?
Plünnecke: Ja, denn eine Berufsausbildung wie in Deutschland gibt es nur in sehr wenigen Ländern. Universitäten hingegen gibt es überall auf der Welt – mit ansatzweise ähnlichen Standards. Einen indischen Maurer, der deutschen Ansprüchen entspricht, werden Sie nicht so leicht finden – wohl aber sehr gute Informatiker und Ingenieure.
Frage: Dann holen wir die Inder doch nach Deutschland – die Blue Card gibt es schließlich seit 2012...
Plünnecke: In Indien orientieren sich die Auswanderer traditionell eher Richtung Großbritannien oder USA. Da haben wir einen Nachteil.
Brenke: Mit der Blue Card sollten vor allem billige Ingenieure, Ärzte und Informatiker nach Deutschland gelockt werden, mit einem Jahresgehalt von 35.000 Euro – das hat nicht funktioniert. 2013 sind nur ein paar Tausend Menschen über eine Blue Card nach Deutschland gekommen. Ein guter Ingenieur oder Arzt weiß eben auch, was er auf dem Weltmarkt wert ist.
Plünnecke: Ich verrate Ihnen mal ein Geheimnis, Herr Brenke: Die 35.000 Euro sind kein vorgeschriebener Lohn, sondern ein Mindestlohn, den es zu überspringen gilt. Siemens oder Volkswagen, die ihre Ingenieure aus Indien holen, zahlen denen sowieso viel mehr.
Brenke: Das war offensichtlich der gescheiterte Versuch, Billigingenieure ins Land zu holen.
Plünnecke: Das ist absurd. Wir beide verdienen ja jetzt auch nicht 8,50 Euro, weil der Mindestlohn eingeführt wird. Die Politik hat in den vergangenen Jahren einiges getan, um den drohenden Fachkräftemangel abzuwenden.
Frage: Was denn noch?
Plünnecke: Die Rente mit 67 eingeführt.
Brenke: Die jetzt durch die Rente mit 63 wieder ins Gegenteil verkehrt wurde. Das ist abstrus. Denn das widerspricht dem Trend, den wir im Moment sehen: Menschen arbeiten freiwillig länger als 65. In den skandinavischen Ländern oder der Schweiz ist das noch ausgeprägter. Da hat Deutschland noch Luft nach oben.
Plünnecke: Da stimme ich Ihnen zu. Rente in Richtung 70.
Frage: Sie plädieren also schon für das nächste Rentengesetz?
Brenke: Nein. Ich setze eher darauf, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer von selbst auf die Anzeichnen der Knappheit reagieren. Der Jugendwahn in den Unternehmen, den sich in den Neunzigerjahren irgendwelche PowerPoint-Helden ausgedacht haben, damit der Krankenstand sinkt, ist ohnehin schon vorbei.
Kommentare
So ein Quatsch
Ich sudiere noch Maschinenbau und kenne sehr viel, die schon ihr Studium abgeschlossen haben. Bekommen die sofort einen Job? Nein! 40-50 Bewerbung quer durch Deutschland und ein Jahr nach dem Abschluss klappt es dann ab und zu bei denen, die einen wirklich guten Abschluss hatten. Ist das jetzt ein Mangel oder Überschuss? Wohl eher letzteres.
Leider ja!
Ich kenne auch junge Elektro-Ingenieure, die sich mit Zeitarbeit und befristeten Verträgen über Wasser halten. Ganz zu schweigen von erfahrenen Ingenieuren ü50, die arbeitslos sind und sich notgedrungen mit Werkverträgen als Freelancer über Wasser halten - nie wissend, ob sie nach Projektabschluss was neues finden.
Wenn es einen Fachkräftemangel bei Ingenieuren gäbe, dann wären die Löhne schneller gestiegen als die Arbeitsproduktivität und es gäbe weder atypische Beschäftigung noch Arbeitslose in diesem Bereich.
Es gibt nur einen Mangel an Menschen, die sich zu beliebig schlechten Konditionen ausbeuten lassen. Selbst der Fachkräftemangel in Kranken- und Altenpflege ist hausgemacht - oder warum verlassen so viele Menschen diesen Beruf nach wenigen Jahren, kriegen burnout oder wandern nach Schweden und in die Schweiz aus?
Auf die Gefahr hin mich nochmal zu wiederhohlen
Ein netter Vergleich bezüglich Fachkräftemangel. Er ist nicht von mir und ich kann ihn auch nur Sinngemäß wiedergeben. Trotzdem finde ich ihn sehr treffend.
Ein Mann sucht ein gebrauchtes Auto der Marke XXX. Er findet in einer Online Autobörse 50.000 Autos. Jetzt noch die Details:
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-Nie einen Unfall. Noch 200
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-Weniger als 4000 € Kosten : 0
Fazit: Es gibt zu wenig Autos der Marke XXX in Deutschland ;)
Ich kenne einige junge Ingenieure die Arbeitslos sind und Herrn Plünnecke nur zu gerne wiedersprechen würden....
Die Unternehmen suchen aber häufig die Eierlegendewollmilchsau.
Jung, Erfahren, hoch Spezialisiert und günstig müssen die Bewerber sein.
Ich kenne zwei junge Ingenieure die Arbeitslos sind und Herrn Plünnecke nur zu gerne wiedersprechen würden....
Zu Herrn Plünnecke sollte man sagen, das er Leiter des Kompetenzfelds Bildung, Zuwanderung, Innovationen beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. ist. Dieses wird von Verbänden und Unternehmen der privaten Wirtschaft finanziert, die natürlich ein Interesse daran haben möglichst viele
Ingenieure auf dem Arbeitsmarkt vorzufinden um die Lohnkosten zu drücken.
Trägervereine sind die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie.
MfG
Ein PS
Der Satz:
"Ich kenne einige junge Ingenieure die Arbeitslos sind und Herrn Plünnecke nur zu gerne wiedersprechen würden...."
Ist nicht korrekt,.Es sind wirklich nur zwei, wie man ein paar Zeilen spatter lessen kann. Man will ja nicht übertreiben.
Die Jobs werden abgeschafft
Industrialisierung, Globalisierung, Automation ...
Dann werden auch Ingenieure überflüssig.
Ökonomie
In der Volkswirtschaft gibt es einen global Satz der Saldenmenachnik der besagt das die Ausgaben immer genauso groß sind wie die Einnahmen.
Eine Wirtschaftsordnung bei der ein großer Teil der Bevölkerung Arbeitslos ist und nicht am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt wird, kann auch keine (oder weniger) Waren und Dienstleistungen erwerben.
Wenn sie das nicht können, bricht irgendwann die Wertschöpfungskette mangels Nachfrage zusammen. Unabhängig davon wie viele Computer und Roboter für Menschen arbeiten. Denn das was sie produzieren, findet dann einfach keine Abnehmer mehr.
Ich denke also nicht das ihr Horrorszenario realistisch ist, auch wenn ich durchaus verstehen kann warum sie so denken.
Deutschland ist dafür ein gutes Beispiel. Denn hier werden die Arbeitnehmer zu einem großen Teil nicht am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt, was zur relativen Stagnation des Binnenmarktes geführt hat.
Durch die massiven Exportüberschüsse müssen sich dann andere Verschulden (kein wirtschaftlicher Erfolg ohne Schuld), was irgendwann nicht mehr möglich ist.
Ein Umdenken ist in Deutschland vorerst zwar nicht in Sicht, wird aber zwangsläufig kommen müssen. Denn der Saldenmechanik kann man einfach nicht entkommen.
MfG
Schwachsinn
Deutschland gehen die Ingenieure selbstverständlich nicht aus. jedenfalls nicht aktuell.
Es ist schon interessant, wie der Neoliberalismus überall auch für den Arbeitsmarkt das freie Spiel der Marktkräfte propagiert, aber für Ingenieure soll das auf einmal nicht gelten. Ja was denn nun? Haben wir einen Markt oder nicht?
Wenn wir keinen haben, ist der Mangel egal.
Wenn wir einen haben, dann müßte ein Mangel klare Indizien zeigen: exorbitante Lohnangebote(nicht -forderungen!), massive Headhunter-Aktivität und Abwerbeversuche quer durch die Republik.
Die gibts aber nicht. Weder existieren nennenswert Stellengesuche für Ingenieurstätigkeiten, die ein 7-stelliges Anfangsgehalt, keine Probezeit, Vertrauensarbeitszeit und Umzugs- oder Pendelhilfen in Aussicht stellen - komischerweise ist das bei Stellen für Manager schon im mittleren Preissegment alles überhaupt kein Thema - noch wurde irgendeinem mir bekannten Ingenieur in letzter Zeit ein wirklich lukratives Headhunter-Angebot gemacht.
Im Gegenteil, man hält die technisch kompetenten Leute in aller Regel möglichst von wichtigen (Fehl-)Entscheidungen fern, weil deren kompetentes "Techno-Babbel" ja nur die ach so wichtigen BWLer dabei stört, die Firma in den Sand zu setzen.
Tatsächlich fehlt es nicht an Ingenieuren, sondern an Leuten, die dämlich genug sind, unterbezahlte Leistung zu liefern, anstatt für ein überzogenes BWLer-Gehalt im Wesentlichen Heißluftblasen abzusondern.