ZEIT ONLINE: Was macht Mitarbeiter glücklich, Frau Segschneider?
Dorette Segschneider: Geld und Sachwerte allein machen es jedenfalls nicht, auch wenn natürlich Geld immer wieder gefordert wird. Eine US-Studie zum Verhalten von 200.000 Mitarbeitern kommt sogar zu dem Ergebnis, dass intrinsische Motivation dreimal besser wirkt.
Lob ist effektiver und nachhaltiger. Mitarbeiter, die gelobt werden, stecken sich höhere Ziele, um dem Lob auch gerecht zu werden. Biochemisch ist interessant, was im Hirn passiert: Beim Lob wird Dopamin ausgeschüttet, was vom Gehirn als positives Erlebnis im Langzeitgedächtnis abgespeichert wird.
Allerdings funktioniert das nur bei einem ernst gemeinten Lob. Äußert sich eine Führungskraft aus strategischen Gründen anerkennend, kann das sogar negative Folgen haben. Wir können ganz gut erkennen, ob wir angelogen werden oder ob jemand etwas ernst meint. Deshalb ist es für Führungskräfte wichtig, zu ihren Mitarbeitern echte Beziehungen aufzubauen. Das funktioniert allerdings nur, wenn Sie sich als ganze Person mit Empathie einbringen.
ZEIT ONLINE: Was können Firmen für das Glück der Mitarbeiter tun?
Segschneider: Sie sollten unbedingt wertschätzend sein. Denn das führt zu Wertschöpfung und ist damit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Menschen, die motiviert und begeistert sind, arbeiten in der Regel produktiver, entwickeln bessere Lösungen, haben eine positive Ausstrahlung und ziehen damit attraktive Kunden an. Darüber hinaus zieht eine wertschätzende Unternehmenskultur (potenzielle) Mitarbeiter an. Das ist ein Wettbewerbsvorteil.
Die Zufriedenheit – und damit auch das Glück – fördert außerdem, wenn die Stimmung am Arbeitsplatz gut ist. Dafür sollten Unternehmen ihren Mitarbeitern beispielsweise ermöglichen, soziale Beziehungen auch während der Arbeitszeit zu pflegen (etwa der Schnack mit Kollegen in einem einladenden Pausenraum, der Plausch mit dem Chef in der Kaffeeküche, der gemeinsame Stammtisch einmal im Monat). Das verbessert das Betriebsklima, schafft eine gemeinsame Kultur und damit auch Bindung. Schließlich sind soziale Beziehungen der wichtigste Glücksfaktor.
Und außerdem sollten die Chefs begeistern können. Erst ein Chef, der selbst mit Begeisterung seinem Business nachgeht, entfacht auch Begeisterung bei seinen Mitarbeitern. Vorbild sein heißt die Lösung. Dabei lässt sich die Fähigkeit zur Begeisterung trainieren.
ZEIT ONLINE: Wie geht das?
Segschneider: Wir neigen heutzutage dazu, uns nicht mehr über die kleinen Dinge zu freuen. Unser Fokus ist oft auf das gerichtet, was gerade nicht so gut läuft – aber mit so einer problemorientierten Einstellung lassen wir uns vor allem von schlechten Stimmungen leiten. Es geht jedoch auch in die andere Richtung. Dazu müssen wir wieder lernen, uns auch für kleine Dinge zu begeistern. Man stärkt sich auch selbst, wenn man seine Gedanken auf Dinge fokussiert, die Spaß machen und einem gut tun.
ZEIT ONLINE: Wie das?
Segschneider: Indem Sie es tun und nicht künstliche Begeisterung kurzfristig einstudieren sondern nachhaltig Ihre grundsätzliche Haltung überprüfen. Begeisterung ist ein Verhalten. Wer etwa lernt, sich auch für kleine Dinge zu begeistern – anstatt den Fokus auf Probleme zu richten – stärkt sich selbst und strahlt diese Begeisterung dann auch aus.
ZEIT ONLINE: Wie das?
Segschneider: Die Körpersprache hat Einfluss darauf, wie wir uns fühlen. Das können wir bewusst nutzen. Lächeln signalisiert der Psyche beispielsweise: Mir geht es gut. Ein Experiment der Psychologin Tara Kraft von der University of Kansas etwa hat zeigt, dass bereits das Verziehen von Gesichtsmuskeln eine positive Wirkung auf Körper und Psyche hat. Die Psychologin ließ einen Teil der Probanden Essstäbchen mit ihren Lippen festhalten und unter Zeitdruck am PC Aufgaben lösen. Der andere Teil der Probanden sollte die Aufgaben mit einem neutralen Gesichtsausdruck lösen. Die, die die Essstäbchen mit dem Mund hielten, verzogen dabei automatisch ihre Gesichtsmuskeln wie bei einem Lächeln – und hatten dabei einen deutlich niedrigeren Puls als die Probanden ohne Essstäbchen. Das Experiment beweist, dass das Lächeln unsere Psyche auch dann beeinflusst, wenn wir gar nicht bewusst lächeln.
ZEIT ONLINE: Wie kann mir das im Joballtag helfen?
Segschneider: Entscheidend ist, dass Sie die unzähligen Tipps nicht nur lesen sondern auch nachhaltig umsetzen. Angenommen Sie haben das Gefühl, im Hamsterrad festzustecken und keine Anerkennung für Ihre Leistungen zu erhalten. Dann fangen Sie bei sich selbst an und konzentrieren sich bewusst auf die positiven Seiten. Gehen Sie achtsam mit den guten Dingen um, die Ihnen im Leben passieren. Langfristig entwickeln Sie so ein Bewusstsein für das Gute in Ihrem Leben oder in Ihrem Job. Oder es führt dazu, dass Sie motiviert einen neuen Job suchen, in dem Sie Anerkennung bekommen. So oder so führt Achtsamkeit zu Zufriedenheit. Und die macht glücklich.
ZEIT ONLINE: Sparen Firmen mit einer hohen Anzahl glücklicher Mitarbeiter Geld, lässt sich das beziffern?
Segschneider: Glück ist ein knallharter Wirtschaftsfaktor. Das Hamburgisches Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) hat errechnet: Jährlich gehen der deutschen Wirtschaft 364 Milliarden Euro verloren, weil Mitarbeiter an ihren Arbeitsplätzen unglücklich sind.
Durch die Glücksökonomie, die mittlerweile an einigen deutschen und internationalen Hochschulen gelehrt wird, erkennen auch immer mehr Manager, wie wichtig das Thema für den wirtschaftlichen Erfolg ist. Bodo Janssen von Upstalsboom beispielsweise änderte nach einer vernichtenden Mitarbeiterbefragung konsequent die Unternehmensführung und bezog den Glücksfaktor mit ein. Die Mitarbeiterbindung stieg daraufhin um fast 80 Prozent und der Umsatz hat sich verdoppelt. Ein Mentalitätswechsel, der sich nachhaltig gerechnet hat.
Kommentare
Ja, das ist wohl
leider so. Wenn man Menschen menschlich behandelt, anstatt sie als Kostenfaktor Nr. 0815 zu sehen und zu behandeln, hilft das beiden Seiten.
Wenn allerdings explizit psychisch Erkrankte bevorzugt als Führungskräfte eingestellt werden,
http://www.taz.de/!151336/
können die sich gar nicht so verhalten, wie es für die Firma gewinnbringend wäre.
Geld ist nicht ganz unwichtig
Aus Studien ist ersichtlich, dass eine überdurchschnittliche Bezahlung nicht nachhaltig zufriedener macht. Eine unterdurchschnittliche macht aber in der Regel auf Dauer unzufrieden und lässt sich auch nicht durch Chichi ausgleichen. Eigentlich klar, denn die Bezahlung drückt ja auch Wertschätzung aus. Man hat bei diesen Ratschlägen manchmal den Eindruck dass Motivation ohne leistungsgerechte Bezahlung angestrebt wird.
Auch mir drängt sich der Eindruck auf,
dass Dorette Segschneiders Tipps vor allem darauf zielen, mit wenig Aufwand - vor allem keinem finanziellen - aus dem Mitarbeiter noch mehr Leistung herauszuholen. Man könnte ein solches Arbeitgeberverhalten auch schäbig nennen.
Business Case for Ethics
HIer handelt es sich m.E. um ein typisches Beispiel für den sogenannten Business Case for Ethics, also die Ansicht, dass ethisch richtiges Verhaltens sich im Wettbewerb zumindest langfristig auszahlt - was impliziert, dass auch nur diejenigen Unternehmen langfristig im Wettbewerb überleben, die sich ethisch richtig verhalten. Diese These kann in ihrer Pauschalität sicher als empirisch widerlegt gelten.
Diesem Verständnis folgend ist ethisch richtiges Handeln, wie in diesem Fall die Steigerung des Glücks der Mitarbeiter, nur insofern von Bedeutung, als es der Produktivitätssteigerung dient. Die Norm ist dabei nach wie vor die Maximierung des Gewinns bzw. die Erlangung eines Wettbewerbsvorteils und nicht etwa die ethische Richtigkeit des Handelns, wie die Begründung in obigem Text schon deutlich macht: "Sie sollten unbedingt wertschätzend sein. Denn das führt zu Wertschöpfung und ist damit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor."
Zudem werden mögliche Konflikte zwischen Glück und Produktivität, bzw. allgemein zwischen ethisch richtigem Handeln und Gewinnerzielung ausgeblendet: was ist bspw., wenn jemand sein Glück gerade dadurch steigert, dass er/sie weniger produktiv ist? Letzlich dienen derartige unreflektierte Harmoniethesen also nur der Scheinlegitimation des Gewinnmaximierungsprinzips.
Glücklich sein fängt bei der Wertschätzung an
und dies ist eine anständige Bezahlung, die es dem Mitarbeiter ermöglicht, seiner Arbeit nachzugehen, ohne sich permanent mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die Resttage des Monats noch überbrückt werden können.
Wertschätzung ist auch eine Berücksichtigung des Lebensumfelds der Mitarbeiter. Nur wer dort genug Freiräume läßt, schätzt auch den Mitarbeiter. Massenhafte Überstunden, lange Arbeitszeiten oder Kita-unfreundliche Meetings gehören nicht dazu.
Wertschätzung ist auch Planungssicherheit für die Mitarbeiter. Wer permanent umstrukturiert, mal eben die die Standorte der Abteilungen verlegt, erreicht das komplette Gegenteil.
Aber alle diese Wertschätzungen sind teuer. Dann lieber der fixen Idee nachhängen, dass ein gelegentliches Schulterklopfen alle Unbill vergessen läßt.