Alle wollen zu den Dax30, keiner zu einem Mittelständler? Bei Berufseinsteigern mag das stimmen. Bei den Führungskräften über 40 Jahren dagegen verlieren Konzerne als Arbeitgeber immer mehr an Strahlkraft. Sind in Familienunternehmen immerhin 75 Prozent der Befragten zufrieden oder sehr zufrieden, so sind dies bei den Konzernen nur noch 65 Prozent der Fach- und Führungskräfte. "Dieser Unterschied ist signifikant, denn noch immer gelten die Großkonzerne als die beliebtesten Arbeitgeber – in der Praxis sind sie aber zu Verwaltungsburgen verkommen", sagt Unternehmensberater Boris Gloger aus Baden-Baden, Chef von Boris Gloger Consulting.
Er hat zusammen mit dem Lehrstuhl der Wirtschaftsprofessorin Erika Regnet von der Hochschule Augsburg eine Befragung von 389 Fach- und Führungskräften über 40 Jahren – quer durch alle Branchen und in allen Unternehmensgrößen – durchgeführt, die den Konzernen diese sinkende Mitarbeiterzufriedenheit attestiert.
Wenn Kollegen Konkurrenten sind
Die Studie zeigt auch, dass die Sorge um den Arbeitsplatz in den Konzernen stärker gestiegen ist, als in Familienunternehmen. 50 Prozent der Befragten bestätigen, dass sie die Arbeitsplatzsicherheit heute als viel geringer einschätzten als vor zehn Jahren. Entsprechend ist der Konkurrenzdruck erheblich gestiegen: Wer die drohende Arbeitslosigkeit – zumal als über 40-Jähriger – permanent vor Augen hat, sieht in den Kollegen irgendwann eher Konkurrenten als Mitstreiter. Der Grund dürften die hohen Entlassungszahlen und ewigen Restrukturierungen der vergangenen Jahre sein, die in den meisten Unternehmen zum Dauerzustand geworden sind.
Hinzu kommt: "In Konzernen nehmen taktische Spielchen und Meeting-Wahn überhand", hat Gloger beobachtet. Die Folge für die Großunternehmen: "Führungskräfte entfremden sich immer weiter von ihren Teams, was bei den Mitarbeitern für Angst und Frust sorgt."
Auch Ergebnisdruck und Stress sind signifikant angestiegen, wogegen sie bei Familienunternehmen konstant geblieben sind. Das Problem: "Statt Managern unternehmerischen Freiraum zu geben, wo auch Fehler vorkommen dürfen, werden Projekte in endlosen Meetings kollektiv totgequatscht", so Gloger. Das Schlimmste aber daran sei, dass alle wissen, dass dies der falsche Weg ist – aber aus Angst um die eigene Karriere machen alle mit. Dem Betriebsklima und der Motivation ist das nicht sonderlich zuträglich.
Jugendwahn und seine Folgen
Außerdem sei ein Generationenkonflikt in den Konzernen absehbar. Der Jugendwahn, den die Unternehmen schon lange Jahre pflegen, sorge nun dafür, dass sich die Jungen überschätzen und für besonders motiviert und innovativ halten. Sie sehen die Erfahrenen unter den Kollegen nicht mehr als Vorbild an, sondern belegen sie mit Klischees wie "unnachgiebig, beharrend und konservativ".
Doch in den oberen Etagen kommen diese Konflikte der Belegschaft meist gar nicht an. "Aus Angst, menschlich und mit allen Unzulänglichkeiten wahrgenommen zu werden, meiden Führungskräfte den Kontakt mit ihren Mitarbeitern außerhalb der beruflichen Sphäre", sagt Gloger.
In Familienunternehmen ticken die Uhren anders. Die Eigentümer denken in 10- bis 15-Jahreszeiträumen statt in Quartalen wie Konzerne, vergleicht Andreas Schüren, Partner und Unternehmensberater bei Ebner Stolz, einem der größten Beratungshäuser in Deutschland. In Familienunternehmen seien zudem weniger von Hierarchien geprägt und arbeiteten stärker ergebnisorientiert, ergänzt Managementberater Gloger: "Das führt alles in allem zu mehr Zufriedenheit bei den hochmotivierten Fach- und Führungskräften."
Kommentare
Gute Personalführung in großen Unternehmen? Ist doch gar nicht gewollt.
Ist doch praktisch wenn der Zeitarbeiter gar nicht weiß, wer das entscheidet dass er nicht übernommen wird, weder den Namen noch das Gesicht kennt (oder ob der überhaupt am Standort ist).
Im Großen Unternehmen hat der Teamleiter, dessen Chef und der Chefchef gar nicht genug zu sagen, um so etwas wie einen Arbeitsvertrag auf den Tisch zu kriegen. Kostet ja Geld.
Zufriedenheit, das ist eben ein Opfer, das gebracht werden muss - solange es nicht die eigene Zufriedenheit ist.
Was stellt die Studie denn nun gegenüber? Unternehmen unterschiedlicher Größe (Mittelstand zu Großunternehmen)? Unternehmen unterschiedlicher Eigentums- und Führungsstrukturen (Familienunternehmen zu Nichtfamilienunternehmen, z.B. Publikumsgesellschaften )? Wenn man sich beispielsweise Dr. Oetker anschaut, zeigt sich, dass Familienunternehmen und Mittelstand nicht das gleiche sind.
Stimmt!
Familienunternehmen sind Firmen, die noch "Familienhand sind". Nicht jede mittelständische Firma kann dies von sich behaupten. Ich denke im übrigen, dass das Fokussieren auf die kurze Frist (um mögliche Boni zu kassieren) nicht sehr förderlich für Unternehmen ist. Glücklicherweise gibt es momentan ein Umdenken, sodass Boni auch an nachhaltiges Wirtschaften (in der langen Frist) vergeben werden. Große Konzerne müssen sich daher über lang oder kurz auch etwas von den erfolgreichen, kleinen Unternehmen abschauen. Sehr zu empfehlen ist daher für jede Exekutivkraft "Hidden Champions - Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer" http://www.amazon.de/gp/prod…
Die Quellen sind natürlich sehr leicht zu verwerten für den Urheber dieses Textes, wahrscheinlich sehr "passend" als "Journalisten"-Pressemeldung versandt.
Dabei sind diese "Unternehmensberater" sicherlich eher daran interessiert ihre eigene Klientel positiv hervor zu heben, McKinsey, Boston Consulting und Bain Company werden sicherlich konträres zu vermelden haben.
Sehr gerne würde ich zu diesem Thema mal etwas wirklich, ehrlich recherchiertes lesen?
Die Aussagen die in dieser Pressemeldung stehen sind von keinerlei Informationswert, da jeder mit etwas Verstand diese Zustände systemimmanent Herleiten kann.
Riesen-Konzern mit starkem Betriebsrat/Gewerkschaft-> Sicherheit und hohes Gehaltsniveau
Kleineres Unternehmen ohne ausgeprägte Mitbestimmung -> Freiheiten
Bitte als Aufforderung zur weiteren, ernsthaften Beschäftigung mit dieser Thematik verstehen...
Also ich habe einige Jahre im Weltkonzern gearbeitet und einige Jahre in kleinen Betrieben von 15 Mann bis 300.
Interessant fand ich vor allem die Lernkurve. Im Mittelstandsunternehmen habe ich in einem Jahr so ziemlich jeden Controllingbereich kennen gelernt. Von der Produktion, Projekten, Finanzcontrolling, Marketingcontrolling und habe mich sogar wieder in die Buchhaltung eingearbeitet.
Das war spannend, wenn auch anstrengend. In meiner Zeit im Konzern habe ich mich die ganze Zeit nur gefragt, wieso ich eigentlich studiert habe. Weil die Arbeit kann so gut wie jeder erledigen, es ist ja alles starr strukturiert mit einer passenden Anleitung. Ich könnte meinen Job dort machen, ohne irgendeine Vorbildung zu besitzen.
Gehaltstechnisch ist es ein riesen Unterschied. Im Mittelstand habe ich deutlich weniger verdient. Es gab auch keinen kostenlosen Kaffee, die Kantine war weniger subventioniert etc.
Das innerhalb der Abteilung ein Unterschied bestehen würde ist mir jedoch nicht aufgefallen. Ich hatte immer großartige Kollegen. Und weil ich ein positiv eingestellter Mensch bin, wage ich zu behaupten, dass 80% aller Menschen nette Leute sind mit denen man gut arbeiten kann. Von daher ist es auch keine große Leistung.
Zu McKinsey und Co:
Ich kenne jemanden der arbeitet dort. Sie sagt, jeder Mitarbeiter wird vorzüglich behandelt, egal was da ist. Krankheit, Urlaub etc. Es wird sich rührend gekümmert, natürlich aus finanziellen Gründen, aber was solls.
Leider kann ich viele der im Artikel vorgestellten Missstände nur bestätigen!
Der Anfang vom Ende beginnt spätestens wenn die gute alte Personalabteilung, in der man eventuell noch jemanden kennt zu HR (Human Recources) wird.
Neue, frisch ausstudierte, vom Betrieb und seinen Anforderungen meißt nichts wissende, junge dynamische Menschen die dann, über die Köpfe von Abteilungsleitern und höher die Personalpolitik gestallten.
Da fällt es nicht schwer an den Frust und die Unzufriedenheit zu glauben
Gruß aus TLS,
Jay
Da kann ich ihnen beipflichten. Ich erinnere mich an ein Vorstellungsgespräch in einer der größten Firmen Deutschlands. Hier saß ich einer Praktikantin und einem Jungspund mit einem Jahr Arbeitserfahrung gegenüber.
Das Gespräch war ein absolutes Debakel und ich habe den Job nicht bekommen. Die stellten Fragen und hatten keinen Plan von der Antwort. Der Fachbereich war nicht mit dabei, von daher bewegte sich das Gespräch auf einem sehr seltsamen Niveau. Es wurden explizite Fragen zum Controlling gefragt, die Antwort wurde jedoch nicht vestanden, da das Fachwissen hierfür nicht vorhanden war.
Dann gab ich zum Schluß ein zusammenfassendes Statement zu meinen Fähigkeiten und den Anforderungen der Position ab, quasi als Schlußplädoyer und der Typ sagte zu mir ernsthaft: "Tolle Rede, Mann!".