ZEIT ONLINE: Wenn eine Frau Emotionen zeigt, fühlen sich Männer schnell überfordert – egal ob privat oder beruflich. Wie reagieren Chefs angemessen, wenn eine Mitarbeiterin zum Beispiel weint?
Nina Stromann: Männer sind meist schnell überfordert, wenn Frauen weinen. Und wenn es die eigene Mitarbeiterin ist, neigen viele Chefs dazu, die Situation sofort auflösen zu wollen. Das ist auch eine richtige Reaktion – allerdings erst im zweiten Schritt. Zunächst sollten Chefs diese emotionale Reaktion der Mitarbeiterin anerkennen.
Weil ein solcher Gefühlsausbruch selten etwas mit dem Chef und seiner Kompetenz zu tun hat, sollten Vorgesetzte Ruhe bewahren, der Mitarbeiterin ein Taschentuch reichen und warten, bis sie sich beruhigt hat – um herauszufinden, was los ist.
ZEIT ONLINE: Sind männliche Vorgesetzte noch hilfloser, wenn ein männlicher Mitarbeiter weint?
Stromann: Männer gehen meist anders miteinander um. In solchen Situationen klopfen sie sich gegenseitig auf die Schulter und machen sich Mut. Entscheidend ist auch, welches Männer- und Frauenbild der Chef im Kopf hat. Sieht er sich als Retter und Versorger, dann können auch Schuldgefühle aufkommen – gerade, wenn es eine Mitarbeiterin ist, die weint. Viele Männer neigen dann dazu, der Frau helfen zu wollen.
ZEIT ONLINE: Was tun, wenn ein Mitarbeiter zu aggressivem Verhalten, wie zum Beispiel Schreien oder Toben, neigt?
Stromann: Diese Mitarbeiter stehen derart unter Druck, dass sie ein Ventil benötigen. In erster Linie geht es ihnen darum, dass ihre Emotion anerkannt werden soll.
Sinnvoll ist hier, wenn ein Vorgesetzter seinem Mitarbeiter die Grenze aufzeigt. Das schafft er, indem er die Situation verbalisiert: "Herr Meyer, Sie sind jetzt aber mächtig wütend." In der Regel wird der Mitarbeiter so etwas erwidern wie: "Jaaaaa, weil der Kollege XY wieder mal nur Mist gemacht hat." Allein mit dieser Antwort ist der erste Druck raus. Jetzt ist die Chance da, gemeinsam mit dem Mitarbeiter eine Lösung für die Situation zu finden.
ZEIT ONLINE: Aber einen Choleriker wird man doch nicht verändern können.
Stromann: Wir stellen an Menschen eine gewisse Erwartungshaltung. Dabei sind wir bis zu einem gewissen Grad tolerant. Es gibt jedoch Grenzen – etwa wenn sich wiederholt Kunden beschweren und andere Kollegen sich genötigt fühlen.
Wer es mit einem Choleriker zu tun hat, sollte das Gespräch suchen. Man muss diesen Menschen aber ihre Gefühle zugestehen. Auch Choleriker brauchen Lob für ihre Arbeit, auch sie sind mit ihren Stärken Stützen im Team. Jedoch sollte man einem Choleriker auch unmissverständlich zu verstehen geben, wenn seine Gefühlsausbrüche Grenzen überschreiten – und dann muss man gemeinsam schauen, was es braucht, um das Verhalten so verändern zu können, dass es wieder im Rahmen des Tolerierbaren ist.
ZEIT ONLINE: Dann sind emotionale Reaktionen Karrierekiller?
Stromann: Wenn sie zu extrem sind, kann es sich negativ auswirken! Denn solches Verhalten ist für das Umfeld schwierig. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel die Sorge hat, dass ein Mitarbeiter schnell auf der Palme ist, sollte es das Gespräch suchen, damit es intern oder extern nicht zu negativen Konsequenzen führt. Passiert es mal, führt es in der Regel nicht zum Karriereknick.
ZEIT ONLINE: Und was können Mitarbeiter tun, wenn ihr Chef zu solchen emotionalen Reaktionen neigt?
Stromann: Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Zum einen muss der Mitarbeiter schauen, wie gut er die Reaktion aushalten kann, wenn es in dem Gespräch zu einer Eskalation kommt. Zum anderen kann die Konfrontation beruflich negative Folgen haben.
Wer eine Familie und dementsprechend viele Verpflichtungen zu erfüllen hat, sollte sich in diesem Fall überlegen, ob er vermeintlich negative Konsequenzen einer Auseinandersetzung abfedern kann. Ansonsten gilt auch hier, durch das Verbalisieren den Druck aus der Situation zu nehmen.
ZEIT ONLINE: Wenn ich die Konfrontation nicht suchen möchte oder kann, ist dann Abstand eine Lösung?
Stromann: Ja, ein echter Abstand jedoch wird nur gelingen, wenn Sie innerlich unabhängig sind. Denn nur so können Sie sich wirklich von den Reaktionen anderer unabhängig machen. Es sich mantramäßig vorzubeten wird hier in der Regel nicht ausreichen.
Kommentare
Gefühlsausbrüche zeigen mangelnde Professionalität. Ökonomie ist eine zweckrationale Angelegenheit und nichts für Heulsusen. Wer nicht begriffen hat, dass er bloss Lohnsklave ist und die Sache nicht persönlich nehmen darf, hat darüber hinaus noch ein intellektuelles Manko.
Das gilt auch für die Brüllaffen vom anderen Geschlecht, die einen Betrieb mit einer Affenhorde und deren Rangkämpfe verwechseln.
Sichtweisen wie diese sind mit ein Grund warum die Wirtschaft nicht vorankommt in Sachen menschlicher werden. Wer als Führungskraft solch ein Bild des Menschen auf Arbeit zeichnet und entsprechend abweichendes Verhalten abstraft, ist ein Teil des Problems während er sich fleißig einredet, dass nicht er sondern "das System" das Problem ist.
""Männer sind meist schnell überfordert, wenn Frauen weinen.""
Liegt vielleicht daran, dass man sich als Vorgesetzter den Grund der Tränen teilweise überhaupt nicht vorstellen kann.
Ich z.B. hatte mal eine iunge Mitarbeiterin, die eines Morgens vollkommen in Tränen aufgelöst ins Büro gekommen ist. Natürlich habe ich sofort gedacht das etwas schlimmes passiert ist, ein Unfall, ein Familienangehöriger gestorben oder ein Haustier. Vielleicht auch eine recht harte Trennung, es gibt da viele Möglichkeiten.
Um es kurz zu machen, nach ungefähr 10 Minuten des Trosts spenden, ist heraus gekommen, dass sie ihr I-Phone selbst reparieren wollte und es verpfuscht hatte. Das schlimmste dabei war ja noch nicht einmal, dass es jetzt viel mehr Geld kostet das wieder in Ordnung zu bringen, sondern der "mögliche" Verlust ihrer Kontaktdaten. und dass sie es jetzt ein paar Tage nicht benutzen kann.
Ich habe auch ähnliches schon mit abgebrochenen Fingernägel erlebt und weiß heute noch nicht, wie ich darauf hätte reagieren sollen. Vielleicht sollte man mal einsehen, dass ein Chef kein ausgebildeter Psychiater ist und deshalb auch mal mit seiner Weisheit am Ende sein kann.
Jep - und bei solchen mittleschweren Katastrophen darf man ruhig mal sagen, dass jetzt deswegen nicht so ein Faß aufgemacht werden kann. Man braucht nicht allen wandelnden Egokomplexen immer ihr Spoitlight zu verschaffen.
Zitat: >>> Vielleicht sollte man mal einsehen, dass ein Chef kein ausgebildeter Psychiater ist und deshalb auch mal mit seiner Weisheit am Ende sein kann.<<<
Ich bitte Sie. In der neuen Zeit wird so lange gestuhlkreist, bis auch der letzte Choleriker "wieder im Rahmen des Tolerierbaren ist" und die letzte Träne durchanalysiert, immer mit dem Blick auf die Karriereauswirkungen und die Gemütsverfassung des restlichen Teams natürlich.
Spaß beiseite. Ich durfte einige Zeit in einem ansonsten reinen Frauenteam mit weiblicher Leitung mitwirken, in dem die Vorgesetzte irgendwann eine sachliche Kritik einiger Kolleginnen persönlich nahm und in Tränen ausbrach. Tagelang berieten die Kolleginnen, was nun zu tun sei und wie man der Chefin vermitteln könne, dass die Kritik rein sachlich gemeint sei. Ich saß nur ratlos davor. Gelernt habe ich (wieder einmal), dass ich mit der Kommunikation in Männer-Teams deutlich mehr anfangen kann.
Sie schließen also von einer Erfahrung gleich auf alle?
Zitat: >>>Sie schließen also von einer Erfahrung gleich auf alle?<<<
Nein, und Sie? Ich habe eine spezifische Situation mit Ihnen geteilt, in der ich(!) entsprechende subjektive(!) Vorerfahrungen bestätigt gesehen habe, denen zufolge ich(!) mit der Kommunikation in Männer-Teams deutlich mehr anfangen kann. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich bisher im Beruf noch keinen Mann sah, Frauen zuweilen schon. Klischeegemäß. Ebenso klischeegemäß habe ich Auseinandersetzungen zwischen männlichen Kollegen oder Vorgesetzten i.d.R. als direkt und zuweilen laut erlebt, während ich intrigantes Mobbing bisher nur unter Kolleginnen miterleben musste.
Anderslautende Erfahrungen können noch kommen. Schließen Sie aus diesen persönlichen Erfahrungen bitte, was Sie wollen.
* Es sollte heißen: "noch keinen Mann weinen sah"
Ich füge dann mal gleich meine Berufserfahrungen als Frau hinzu, die ähnlich wie die vom Weltoffenen Realisten abliefen. Die Frauen haben gezickt und/oder geweint, waren lange beleidigt, egal ob als Mitarbeiterin oder Vorgesetzte, haben hinterrücks gelästert und intrigiert. Letzteres kam bei Männern auch vor, aber die wurden meistens dann doch eher laut und aggressiv. Ich arbeite übrigens lieber mit Männern zusammen, mir ist so ein Uurumpel, wie es so schön in Hessen heißt, lieber als ein Dutzend süßholzraspelnde Bitches mit dem Messer hinter dem Rücken.
Klischees sind auch deshalb Klischees, weil sie irgendwoher ihren Ursprung haben müssen und nicht vom Himmel gefallen sind ;-)
Paßt perfekt als Fortsetzung zum ZON-Artikel "Demotivieren Regeln die Grundschüler?" vom 18. Januar. Aus Grundschülern, die nie Triebkontrolle lernten, werden junge Erwachsene, die man als Kollege oder Vorgesetzter noch erziehen muß.
Nicht, dass sich am Arbeitsplatz keine Vertrauensverhältnisse bilden. Manche Kollegen dürften in einigen Fällen weit mehr als der Partner ins Vertrauen gezogen werden. Hier haben sich aber Arbeitnehmer gerade gegenüber einer Nicht-Vertrauensperson nicht im Griff.
Irgendwann sollte man gelernt haben, wann und wo der richtige Zeitpunkt ist.
"Weil ein solcher Gefühlsausbruch selten etwas mit dem Chef und seiner Kompetenz zu tun hat, "
Das habe ich aber genauso schon erlebt. Woher weiss die Dame, dass das selten ist?