Berit Kramer unterrichtet Menschen, deren
Muttersprache nicht Deutsch ist. Zu ihren Schülern gehören erwachsene Männer
und Frauen, die in ihren Heimatländern Syrien, Irak, Afghanistan meist studiert oder
bereits in akademischen Berufen gearbeitet haben. Die Germanistin mit der Zusatzausbildung Deutsch als Fremdsprache lehrt auf Oberstufenniveau. Ihr Wochenpensum: 36
Unterrichtseinheiten an einer Volkshochschule, Vor- und Nachbereitung nicht
inbegriffen. Im vergangenen Jahr betrug ihr Jahresbruttogehalt 14.928 Euro.
Kramer arbeitet als Honorarkraft. Und wie viele in der Branche ist sie in den Semesterferien auf Hartz IV angewiesen.
Kramer möchte ihren echten Namen lieber nicht nennen, zu groß ist die Sorge, dass sie ihre Auftraggeber sonst verlieren könnte. Sie ist
keine Ausnahme. Allein an den Volkshochschulen arbeiten bundesweit rund 192.488
nebenberufliche und freiberufliche Kursleiter. Nicht erfasst sind
jene Honorarlehrkräfte, die an privaten Sprachschulen oder Weiterbildungseinrichtungen tätig sind. Allein an den Volkshochschulen liegt der Anteil der auf Honorarbasis beschäftigten Lehrer bei 94,5 Prozent – in der Weiterbildungsbranche generell bei 61 Prozent, hat das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung in Bonn ermittelt. Und für die meisten ist es schwer, finanziell über die Runden zu kommen.
Besonders schwer haben es die sogenannten DaZ/DaF-Lehrer, also Lehrer, die Deutsche als Zweit- oder als Fremdsprache unterrichten. Sie geben Alphabetisierungs- und Orientierungskurse und nehmen Sprach- und Einbürgerungsprüfungen ab. Dafür brauchen sie eine Zulassung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf).
Der
Bedarf an diesen Fachkräften ist groß: Nach dem Zuwanderungsgesetz haben Migranten einen Anspruch auf einen Integrationskurs. Doch Dozenten, die Deutsch als Fremdsprache
unterrichten, werden ungleich bezahlt. Mitte 2016 gab es eine Erhöhung für Lehrer in vom Bamf finanzierten
Integrationskursen. Seither werden statt 23 Euro Stundenlohn 35 Euro bezahlt. Wer andere Deutschkurse für Geflüchtete oder Deutschförderkurse unterrichtet, wird im Schnitt deutlich schlechter bezahlt.
Wie groß die Unterschiede sein können, zeigt dieses Beispiel: Hanna Timm (55) unterrichtet ebenfalls Deutsch als Fremdsprache. Sie hat zwei Auftraggeber: Das Bamf und die Volkshochschule Düsseldorf. Doch für die gleiche Leistung bekommt sie unterschiedlich viel Geld: Vom Bamf wird sie für eine Unterrichtseinheit mit 35 Euro Stundenlohn bezahlt, die Volkshochschule zahlt ihr seit Februar 22 Euro pro Unterrichtsstunde. "Das versteht niemand. In beiden Kursen ist der Unterrichtsstoff fast identisch", sagt Timm, die ebenfalls ihren realen Namen lieber nicht nennen möchte.
Anspruchsvollere Kurse werden schlechter bezahlt
Dass die Mehrheit der Sprachkurse für Flüchtlinge deutlich schlechter bezahlt werden als die Bamf-Integrationskurse, findet auch Anne Voß, bei der Gewerkschaft ver.di zuständig für den Bereich Weiterbildung, nicht akzeptabel. Im Gegenteil: "In den Integrationskursen geht es um den Spracherwerb auf Niveau B1. Weiterführende Kurse sind nicht minder anspruchsvoll", sagt Voß. Den meisten Arbeitgebern, die einen Geflüchteten beschäftigen wollen, reiche das Niveau B1 aber nicht. "Daher buchen die Menschen mehrheitlich die weiterführenden B2/C1-Kurse." Für Anne Voß ist es absurd, dass anspruchsvollere Lehrtätigkeit schlechter vergütet wird als das Unterrichten des einfacheren Stoffes. Für ver.di ist der Weiterbildungsmarkt unter wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten seit vielen Jahren prekär.
Auch Ulrike Pfeifer arbeitet als freie Honorarkraft. An der Volkshochschule Leipzig unterrichtet sie hauptsächlich geflüchtete und eingewanderte Akademiker. Alle sechs Wochen bekommt sie einen neuen Kurs und muss sich auf neue Menschen einstellen. Sie hat es nie mit homogenen Gruppen zu tun. Stattdessen trifft sie auf Frauen und Männer aus unterschiedlichen Herkunftsländern und Kulturen. Jeder für sich hat seine eigene Geschichte, sein eigenes Lernniveau und Tempo. Zudem ist ein Kurs oft der einzige authentische Berührungspunkt mit dem Alltagsleben in Deutschland für die Teilnehmenden. "Leicht ist das nie. Auch der Unterrichtsstoff verlangt mir einiges ab: Psychologie, Soziologie, Medizin oder Naturwissenschaften. Auch ich lerne jeden Tag dazu. Es kommt immer darauf an, worauf die Kursteilnehmer beruflich vorbereitet werden müssen", sagt die Dozentin. Sie ist froh, dass das Bamf die Bezahlung der Dozenten erhöht hat. Davon würden auch alle anderen Honorarlehrer profitieren. Auch ihr Auftraggeber habe die Stundenlöhne seither erhöht – von 23 auf 30 Euro. Doch zufrieden ist die 35-jährige Sprachlehrerin nicht: "Es ist trotzdem zu wenig. Jede Unterrichtseinheit muss vor- und nachbereitet werden. Es gibt kein Kilometergeld und wenn ein Kurs nicht zustande kommt, dann verdiene ich eben nichts."
Kommentare
Es ist die Gleiche miese Masche wie mit dem Lehraufträgen an der Universität und den Lehrkräften, mit denen die Lücken im Schulsystem gestopft werden sollen. Eigentlich unglaublich, dass solche Menschen trotz des großen Bedarfs so mies bezahlt und behandelt werden. Die Monopolstellung der öffentlichen Hand macht es möglich.
Bildung (und vieles andere) darf in diesem Land möglichst wenig kosten. Sie hat schließlich keinen unmittelbaren wirtschaftlichen und damit steuerlichen Mehrwert. Die daraus resultierenden Folgen sind zwar langfristig weitaus schädlicher aber das interessiert einen Politiker nicht, der nur in 4 Jahres Dimensionen denkt, denken muss. Die (neoliberale) Demokratie in dieser Form wird dieses Land früher oder später gründlichst abgwwirtschaftet haben.
Naja von der Monopolstellung der öffentlichen Hand kann man ja hier wohl nicht reden. Denn die meisten Kurse werden von privaten Weiterbildungseinrichtungen organisiert und durchgeführt, nicht wie hier suggeriert von der öffentlichen Hand. Das da wenn man hinter die Kulissen schaut, oftmals enge Familienbande zur öffentlichen Hand bestehen ist sicherlich nur Zufall.
Und so neu ist das Thema doch nun wirklich nicht, auch das B1 für die fast nur Akademiker unter Flüchtlingen nicht ausreicht, ist doch auch klar. http://www.europaeischer-...
Obwohl es eigentlich verwunderlich ist, da doch die meisten, wenn man die Berichterstattung während des bisherigen Höhepkt. der Migrationskrise nimmt, alle mehrere Sprachen fließend sprechen und darunter auch viele Deutsch. Oder waren das nur alternative news.
Aber die Lehrer sind auch selber Schuld, anstatt sich zu organisieren, nehmen sie die Jobs an, um bloß nicht als H4-Empfänger dazustehen. Wenn sich keiner mehr verhurt, müssen die Auftraggeber sich drehen und die Vergütung geht nach oben, denn die meisten Führungskräften in dieser Branche, können nicht eine Unterrichtsstunde mit ihren Abschlüssen in BWL oder Sozialwissenschaften halten.
Das hat System.
Solange die so wenig verdienen, können sie es sich nicht leisten zu streiken.
Zumindest so lange sie sich nicht solidarisieren und organisieren.
"Im vergangenen Jahr betrug ihr Jahresbruttogehalt 14.928 Euro." Wieso arbeitet eine Akademikerin für dieses Geld? Noch dazu auf selbständiger Basis, also ohne die Sozialleistungen die Angestellte erhalten. Da hat die Dame wahrscheinlich mehr Geld, wenn sie Hartz IV bezieht und ihren Hobbies nachgeht.
Das Problem ist ja auch, dass Arbeitgeber gar kein Interesse haben (müssen) mehr zu zahlen, wenn sich Leute finden die für dieses Geld arbeiten.
Die meisten Menschen wollen eben etwas mit ihrer Zeit anfangen, was ihnen sinnvoll erscheint. Sonst gäbe es in Deutschland wohl wesentlich mehr Hartz-IV-Empfänger - schließlich verdienen viele Menschen kaum mehr als das, was ihnen der Staat auch so zahlen würde.
Ich wäre vorsichtig, der Dame selbst die Schuld für ihre schlechte Bezahlung zu geben, wie es Ihre zweite Bemerkung m.E. impliziert. Auch wenn sie ggf. andere Möglichkeiten hätte, kann man sich je nach Situation nicht immer aussuchen was man beruflich tut und es mag sogar Menschen geben, denen die sozialen Aspekte ihrer Tätigkeit wichtiger sind als ihr Einkommen - was aber kein Grund ist, diese Menschen ungerecht niedrig zu bezahlen.
Das Wesentliche steht im Artikel: Da müsste ein Tarifvertrag her.
Ich unterrichte Integrationskurse für eine private Sprachschule und kann dem nur zustimmen. Wenn die 35 Euro nicht vorgeschrieben wären, dann würden wir sie auch nicht bekommen. Einige unterrichten parallel in anderen Flüchtlingskusen, der Inhalt ist genau der gleiche, nur dass man auch auf den Beruf vorbereiten muss. Da gibt es 18 Euro. In den meisten anderen Kursen zahlt der Chef zwischen 13 und 17 Euro.
Davon gehen dann die knapp 20% Rentenversicherung ab, ca. 15% Krankenkasse und dann noch Steuern.
So ein Stundenlohn klingt auf den ersten Blick nach echt viel, aber da bleibt nicht viel übrig. Und wenn man krank wird, gibts kein Geld. Also schleppt man sich krank zur arbeit, verschleppt die Erkältungen und Grippen und fühlt sich monatelang schlecht, kann aber nicht wie ein normaler Arbeitnehmer sagen "Ich bleibe eine Woche zuhause und erhole mich", weil sonst am Ende des Monats kein Geld mehr da ist.
Ein paar Festanstellungen auf dem Niveau anderer studierter Lehrer wären schon ganz nett...
Gibt es viele arbeitssuchende Lehrer? Anders kann ich diese übertriebene Unterbezahlung nicht erklären.