Ab morgen herrscht in Köln Ausnahmezustand, dieses Mal mit Ansage: Bis Aschermittwoch wird die Betriebstemperatur in Promille gemessen, die Zahl der Einbrüche, die von Clowns verübten werden, wird ansteigen wie die Geburtenzahl der sogenannten Malörche zum Jahresende. Und allerorts grölen schwankende Gestalten karnevalistisches Liedgut, dessen Text und Melodie sie allenfalls rudimentär beherrschen.
"Do steiht ene Schutzmann, dä hätt de janze Tach noch nix jedonn" ist einer dieser gekrächzten Klassiker der fünften Jahreszeit. Angeheiterte Jecken umringen dabei einen Uniformierten und wiederholen diese Zeile hopsend wieder und wieder. Besagter Schutzmann lacht dann ebenso amüsiert verlegen, wie an Wieverfastelovend, wenn ab 11.11 Uhr entfesselte Hausfrauen mit etlichen Pikkolöchen intus versuchen, ihm die Mütze abzunehmen, bevor ein Bützchen droht.
Der Kölner Karneval
hat die längste Zeit das Bild des Polizisten als gutmütiger Mann in Grün befestigt. Weniger bewaffneter Vertreter der Staatsmacht als Freund und
Helfer, entspricht dieser Ordnungshüter im Sinne und Geiste der Comicfigur Oskar,
der freundliche Polizist. 58 Jahre wurde uns der stumme Wohltäter mit dem beinahe
türkisch anmutenden dicken schwarzen Schnauzbart auf der Kinderseite des Kölner Stadt-Anzeiger
als Autorität mit Herz präsentiert. Eine Bildsprache aus den fünfziger Jahren, die
sich weit ins neue Jahrtausend gerettet
hatte, so wie das moosgrün-cremefarbene Uniformdesign des Modeschöpfers Heinz
Ostergaard, der bereits für Zarah Leander schneiderte.
Der freundliche Polizist wurde zum Scheißbullen
Natürlich zog mit dem Ende der 1970er Jahre auch im harmonietrunkenen Köln der Punk ein. Dabei avancierte nicht nur in meiner von Wandzeitungen und Schulstreiks durchgerüttelten Gesamtschule im Betonbezirk Chorweiler der freundliche Polizist zum Scheißbullen. Regelmäßig wurde "de Schmier" auf dem weitläufigen Schulhof mit Schmährufen und Farbbeuteln attackiert, wenn sie dort auflief, um Kiffer und KBWler einzusammeln.
Das Grün der Protestbewegungen der Achtziger biss sich mit dem der Oestergaard-Uniformen. Und das Bild des freundlichen Polizisten mit dem seiner weniger freundlichen Kollegen an der Starbahn-West oder im Hamburger Kessel. Im Spiel mit den Bildern hatte die Polizei auch in Köln für eine ganze Dekade lang die Arschkarte gezogen.
Genau wie ihre Sympathisanten: Ralf, ein Michael-Moriarty-hafter
Hänfling, war bereits in der Mittelstufe durch das Tragen eines – ebenfalls
grünen – Bundeswehrparkas unangenehm aufgefallen. Gleichwohl verstanden wir
beide uns gut bis hin zu einer keuschen Zuneigung. Als wir Schüler kurz vor dem
Abitur im Deutsch-LK erzählen sollten,
was wir so vorhätten im Leben, nuschelten die meisten etwas von "Weltreise oder
so …" und "Mal gucken". Ralf hingegen
blickte kurz zu mir, dann errötend nach unten auf sein Pult und sagte trotzig:
"Ich geh zur Polizei."
Alles im grünen Bereich
Das fand keiner so wirklich cool, aber Willy Millowitschs gesungene Devise "Wir sind alle kleine Sünderlein" überzeugte wenige Jahre später auch vormals renitente Gesamtschüler und bereits beim zehnten Klassentreffen galt auch für Ralf wieder das sechste "kölsche Jebot": Jede Jeck es anders.
Ohnehin hatte in den 1990er Jahren die Folklore einer Ordnung, die nicht erkämpft, sondern gehütet werden muss, Einzug ins karnevalistisch konditionierte Kölner Gemüt gehalten: die Bürger als Schäfchen, die mal die Partymusik zu laut drehten, mal mit dem einen Bier zu viel intus angehalten wurden und ins Röhrchen pusten mussten – alles im grünen Bereich beliebter TV-Serien von Großstadtrevier bis Die Wache.
Kommentare
Meine Freundin und ich gehen seit 8 Jahren zum erstenmal nicht mehr zum Karneval. Das Risiko eines islamistischen Attentats oder eines sexuellen Übergriffes ist uns einfach zu groß!
Und was ist mit islamistischen Übegriffen? Oder gar sexuellen Attentaten?? Wir leben in einer unsicheren Zeit...
Guter Text.
Was fehlt beim "Es ist nicht gut gegangen" das "warum": Weil D. geschlafen hat und am tiefsten haben die geschlafen, sie früher ein Anrecht auf politische Wachheit für sich in Anspruch genommen haben.
Das eigentliche Problem aber: Es wollen zuviele nicht aufwachen, weil damit das Eingeständnis verbunden wäre, einer Lebenslüge aufgesessen zu sein.
Benennen Sie doch Ross und Reiter, anstatt nebulöse Phrasen zu verbreiten. Aber bitte erwecken Sie nicht den Eindruck, als gebe es nur zwei klare Gegenpole: Nämlich entweder die totale Ablehnung der Aufnahme von Flüchtlingen/Asylbewerbern, oder den Blick durch die rosarote Brille und völlige Negierung aller möglichen negativen Auswirkungen. Es gibt noch viele mögliche Positionen dazwischen, also etwa die grundsätzliche Zustimmung zu einer Aufnahme von Asylbewerbern/Flüchtlingen bei gleichzeitiger Anerkennung der Probleme, die das mit sich bringen kann.
"Ab morgen prallt Folklore von gestern auf Probleme von heute"
Den Islam als "Folklore von gestern" zu beschreiben, ist extrem rassistisch!
Also prallt der Islam auf den Islam?
Das multikulturellen Köln mit seinem Haussender WDR... mir tun die zig Anwärter leid, die nun wg fehlender echter Pzei ran müssen. Handlungsarm was für eine nette Umschreibung für Unfähigkeit. Gibt's schon Abmeldungen bei den Promis auf den Zugwagen??