Drei Aschehäufchen, garniert mit einer Rose. Könnten als Trauerkärtchen durchgehen, als Parteizettel. Wäre da nicht ein Schriftzug darüber. Er lautet: "Leaked Anne Frank nudes".
Diesen Satz kann man nun lange sickern lassen, bis er sich in seiner ganzen und ekelerregenden Bedeutung erschließt. Der Satz und das Bild darunter sind Teil einer Unterhaltung in einer Facebook-Gruppe. Unter dem Bild finden sich weitere Einträge: "Die von den Nazis Ermordete würde sich im Aschenbecher umdrehen", schreibt einer. "Wo ist das verdammte Schornsteinemoji!?", fragt ein anderer scherzend in die Runde.
Zwischendurch werden Witze über Behinderte gerissen und ein Hitlermädchen gepostet, das ein Osterkaninchen in den Armen hält, zu den Füßen steht ein prall und großzügig mit Hakenkreuzfahnen gefülltes Osterkörbchen. Aber nicht nur Hitlermädchen, auch Hitlerporträts finden sich unter den Beiträgen. Wer jetzt jedoch glaubt, auf einer einschlägigen Neonazi-Seite gelandet zu sein, irrt sich gewaltig.
Jene, die sich da so menschenverachtend unterhalten, sind unter anderem Studierendenvertreter und Funktionäre der Jungen ÖVP, deren Obmann Sebastian Kurz gerade eine Machtergreifung innerhalb der Partei vollzogen hat und gern jüngster Kanzler aller Zeiten werden möchte. Ganz genau genommen stammen diese Facebookposts von Funktionären der ÖVP-nahen Studierendenvertretung Aktionsgemeinschaft, die sich gerade im Wahlkampf befindet. Noch genauer: Mitglieder der juristischen Fakultät. Jene, die sich über ein ermordetes junges Mädchen lustig machen, sind angehende Juristen. Diejenigen, die andere lustvoll erniedrigen und verhöhnen, sind zukünftige Richter. Menschen, die eigentlich mit Fingerspitzengefühl über das Schicksal anderer entscheiden sollten. Denen vielleicht in Zukunft Wiederbetätigungsprozesse anvertraut werden. Und heikle Fälle.
Antisemitismus hat an der Universität Wien eine lange und unschöne Tradition. Umso bestürzender ist es, wenn es ausgerechnet an der juristischen Fakultät kein Geschichtsbewusstsein gibt. Immerhin fordert der Dekan nun den Ausschluss der Funktionäre aus der Studierendenvertretung. Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile Ermittlungen gegen Gruppenmitglieder eingeleitet. Hoffentlich sind die zuständigen Beamten keine Brüder im Geiste.
Die geschlossene Facebookgruppe nennt sich "Fakultätsvertretung Jus Männerkollektiv". Es sind auch einige wenige Frauen dabei. Es gibt aktive und stumme Mitglieder. Weder die einen noch die anderen haben es für nötig befunden, gegen solche Worte und Bilder vorzugehen. Zukünftige Juristen wohlgemerkt. Als die Screenshots der Wochenzeitung Falter zugespielt und veröffentlicht werden, eskaliert die Lage allerdings.
Zuerst erfolgt eine Distanzierung seitens der betroffenen Studierendenvertretung Aktionsgemeinschaft (AG). Die nächste Reaktion ist eine weinerliche Verwischung der Tatsachen. Von schwarzem Humor ist da die Rede. Von Missverständnissen und Geschmacklosigkeiten. Anschließend verortet die im Wahlkampf befindliche Aktionsgemeinschaft gar ein Wahlkampffoul hinter der Veröffentlichung der Widerwärtigkeiten ihrer Funktionäre: "Viele der Screenshots sind aus dem Zusammenhang einer Diskussion gerissen, um uns vor der Wahl größtmöglichen Schaden zuzufügen", lautet eine Reaktion unter anderem. Die AG Jus schreibt: "In keinster Weise vertritt auch nur eine Person in der AG Jus so eine abscheuliche Haltung, sondern es handelt sich hierbei um die dümmstmögliche und verurteilenswerteste Art von schwarzem Humor."
Kommentare
1. Abartig das Ganze
2. Geht es darum oder darum, Kurz zu belasten?
Die Frage ist es, die hängen bleibt, gefolgt von der nächsten: Liegt das an mir oder am Artikel?
Vielleicht verstehe ich das miss, aber einmal steht da, Kurz sei Obmann also Teil dieser widerlichen Truppe, als nächstes steht da, es handele sich um eine "nahe", also andere Organisation. Was denn jetzt?
Wenn es darum geht, klar zu machen, dass solche Freaks schwer als Richter vorstellbar sind, ja.
Ist es ein weiterer Skandal, dass sich da niemand zum Aufräumen berufen fühlt? Ja.
Der Skandal ist schon über eine Woche alt, also älter als der Rücktritt Mitterlehners und die "Koalitionssprengung". Zu diesem Zeitpunkt wurde eher sogar angezweifelt, ob Kurz überhaupt Obmann werden will. Kurz kann also kaum das Ziel sein.
Die AG (Aktionsgemeinschaft) ist eine Liste in der Österreichischen HochschülerInnenvertretung, ähnlich der der Studierendenvertretungen in Deutschland, nur dass diese in Österreich auch auf Bundesebene organisiert sind. Die AG ist eng mit der ÖVP verbunden, auch finanziell. Im wesentlichen dient sie als Kaderschmiede für angehende ÖVP-Politiker.
Erschreckend ist auch, dass dieser Skandal nach wenigen Tagen schon fast zur Gänze aus den Österreichischen Medien verschwunden ist. Jetzt wäre es an der Zeit, nachzubohren und die Verantwortlichen auch von öffentlicher Seite unter Handlungsdruck zu setzen. Stattdessen macht die AG auch heute unbeirrt Wahlkampf an der Uni, vor die Füße spucken möchte man jenen Menschen, die sich für eine solche Liste hergeben.
Naja, Gesinnungshaftung haben wir noch nicht oder?
Falls Sie diese Sachen lesen würden als Mitglied, wie würden Sie reagieren? Nachteile für die Wahl wird es so oder so haben und ihre Karriere wäre im Arsch.
Also würden Sie vielleicht das versuchen zu vertuschen.
(Nur so als Hintergedanke)
https://www.falter.at/arc... falls Sie mal genauer schauen wollen.
Die Art und Weise wie hier Kurz in diese abscheulichen Vorfälle eingewoben wird, ist tiefste Ehrenbeleidigung.
Ich bin überzeigt, dass dieser unfassbare Beitrag nur einen Zweck erfüllt. Diffamierung!
Das ist - mit Verlaub - Unsinn. Es wird gesagt, dass sie der ÖVP (von Kurz) nahe stehen.
Es wird weder eine Verantwortung noch eine sonstige direkte Verbindung zu Kurz angedeutet.
Das klingt nach gelebter, latent vorhander NS-Kultur, die von Zeit zu Zeit (Ironie im Detail) an die Oberfläche schwappt und sich wieder im Untergrund der Verschwiegenheit und des Zusammenhalts verliert. Je nach "Leitkultur", die gerade vorherrscht. Mief hält sich sehr, sehr lange.
Antisemitismus ist in Österreich nicht verschwunden. Googeln Sie mal "Serfaus Juden". Das ist erschreckend und beschämend.