Was hingegen völlig offenbleiben darf, ist das Wort "Integration". Denn im Kontext des hier verwendeten Framings steht es für eine Pflicht zur Assimilation an eine als homogen gedachte Gesellschaft. Diese Deutung von Integration ist in der deutschsprachigen Debatte fest etabliert. Ähnlich wie in der hart aber fair-Sendung wird dabei ein Deutungsrahmen der ethnischen Herkunft aktiviert. Hier geht es um die Frage: Welche Informationen über einen Menschen sind zur Einordnung und Beurteilung seines Handelns relevant? Je nach Rahmung kann ethnische Herkunft als einer von vielen Faktoren angenommen werden – oder als der alles entscheidende.
Einer der prominenteren Vertreter des Deutungsrahmens "ethnische Herkunft" ist Thilo Sarrazin. In Deutschland schafft
sich ab stellte er Statistiken vor, die besagen, Menschen aus
arabischen Ländern und muslimisch geprägten Kulturen hätten in
Deutschland durchschnittlich schlechtere Noten und
Bildungsabschlüsse. Ausgeblendet wurde dabei die Debatte um die
Situation von Arbeiterkindern in Deutschland und generell um soziale
Positionen, die sich über Generationen reproduzieren.
Ein Blick auf
diese Positionen zeigt empirisch, dass Arbeiterkinder es schwerer haben als Bürgerkinder,
einen höheren Bildungsabschluss zu erreichen. Türkische Migranten
wurden als kostengünstige Arbeitskräfte nach Deutschland geholt, ihre
Kinder sind dementsprechend meist Arbeiterkinder. Arabischstämmige US-Amerikaner hingegen besitzen nach Angaben des "Arab American National Museum" fast doppelt so häufig einen höheren Bildungsabschluss als der amerikanische Durchschnitt. Nimmt man in der deutschen Diskussion die ethnische Herkunft als den
entscheidenden Faktor an, dann werden solche Zusammenhänge aus dem Bild
geschnitten. Der konkurrierende Deutungsrahmen der sozialen Position hätte sie sichtbar gemacht.
Man kann nicht nicht "framen"
Im Juli machte sich Jakob Biazza in der Süddeutschen Zeitung Gedanken über das Wort "Flüchtlingswelle". Er erklärt zu Recht, dass dieser unverhältnismäßig bedrohliche Assoziationen wecke. Doch dann fragt er sich, welcher Begriff wohl "weniger framend" sein könnte. Die Absicht dahinter ist gut: Wie lässt sich das Ganze sachlicher beschreiben? Aber alle Begriffe und Bilder haben die Funktion der Rahmensetzung, die Zusammenhänge sichtbar macht. Wir können nicht jeden Fakt gleichzeitig erfassen. Darum müssen wir bestimmte Aspekte, Setzungen und Kausalbeziehungen hervorheben und andere ausblenden. Weniger rahmen geht nicht. Es lässt sich nur anders rahmen.
Wer vorgibt, die Dinge zeigen zu können, wie sie eigentlich sind, gibt vor, die Dinge vereinzeln zu können. Das Nachdenken über Deutungsrahmen bringt die Erkenntnis, dass nicht die Dinge selbst gezeigt werden, sondern ihre Verknüpfung: was ist das gleiche, was dasselbe, was Ursache oder Wirkung, welcher Faktor ist entscheidend? Neutralität gibt es dabei nicht. Im Journalismus ist das eine problematische Einsicht, denn hier zählt das Ideal der freien und aufrichtigen Berichterstattung. Aber aufrichtig zu sein, heißt nicht, etwas als neutral zu präsentieren, sondern transparent zu machen, warum man wie berichtet.
Wenn es eine Debatte zu einem Thema gibt, so sind die dabei verwendeten Deutungsrahmen weder zufällig noch notwendig vorgegeben. Sie werden immer ausgewählt, und man kann jederzeit danach fragen, wie diese Auswahl zustande kommt. Entscheiden wir uns, über Chemnitz als eine "Hetzjagd auf Ausländer" zu sprechen, oder reden wir von "rechtsradikalen Ausschreitungen", die "ein Viertel der deutschen Bevölkerung" zum Ziel haben? Gerade in einem aufrichtigen Gespräch wird genau diese Auswahl immer auch ein Element der Debatte sein. Anderenfalls wird sie fremdbestimmt.
Kommentare
"Diese Darstellung hat er nun nach Medienberichten in einem internen Rapport an das Innenministerium revidiert"
Maaßen hat sich die Strategie der Afd schnell angeeignet - hieß es nicht in einem internen Afd-Strategiepapier sinnbildlich "erst verbal provozieren und dann den Wind aus den Segeln nehmen"?
Fazit aus dem Petry Schreiben:
"Negative Reaktionen müssten daher "ganz bewusst" einkalkuliert werden."
https://www.tagesschau.de...
und was hat ihr Kommentar nun mit diesem Artikel zu tun? Es ging hier eigentlich um das Framing, nicht um Herrn Maaßen oder Frau Petry.
Hetzjagd oder nicht Hetzjagd, für manche Politiker scheint das die Frage des Moments zu sein.
Hetzjagd oder nicht Hetzjagd, für manche Medien scheint das die Frage des Moments zu sein.
Wort ausgetauscht und es stimmt trotzdem noch.
Faszinierend.
""Hetzjagd" oder "Nachsetzen"; "Ausländer", "Menschen mit Migrationshintergrund" oder "ein Viertel der deutschen Bevölkerung"; diese Bezeichnungen schaffen einen Rahmen, der die Wirklichkeit ganz unterschiedlich darstellt."
Genau so ist es und gerade deshalb, sollten sich auch die Medien ihre Wortwahl gut überlegen, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren. So schlimm der Vorfall in Chemnitz auch war, aber für mich hat das mit Hetzjaden und den damit verbundenen Assoziationen rein gar nichts zu tun. Nach den Vorkommnissen in Chemnitz würden Hetzjagden ansonsten zum Alltag in Deutschland gehören! Hier ging es vielmehr darum das Thema zu instrumentalisieren.
Ein weiteres Beispiel ist, wie die Art von Protest beschrieben wird, in einem Fall ist es eine Demonstration, im anderen Fall ein Aufmarsch. Diese tendenziöse Berichterstattung führt nur zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft!
"Wir erleben, wie die Politik sich in einen Kampf um Deutungen verwandelt. Es geht um das "Framing" von Wirklichkeit."
Jepp, so ist es. Da werden aus Terroristen gern mal die netten Aktivisten von Nebenan. Aber nur, wenn sie nicht bei uns in Deutschland aufschlagen, dann sind es laut BGH wieder Terroristen.
btw, Nazis sollte man beim Namen nennen, genau so wie Terroristen.
Man sieht an Ihrer Antwort, wie schwierig die Angelegenheit mit der Sprache ist: Sie sehen das Problem, aber an Ende sagen Sie doch, man solle "es sagen, wie es ist".
Wer darf denn sagen, dass jemand Terrorist ist? Wann? Die Zeitung? Der IS? Die Regierung? Die Person selbst? Alle problematisch, vielleicht sogar letztere. Denn mancher 'Terrorist' ist womöglich in erster Linie psychisch krank und rutschte so erst in den Terrorismus.
Die Lehre dahinter ist eine alte:
Einfachen Antworten ist zu misstrauen.
Sie machen aus etwas eine Krise die gar keine ist
Ich denke mal im journalismus macht man im Studium doch hoffentlich eine Vorlesung zum Thema sprachgeschichte.
Das was sie jetzt als framing beschimpfen ist ein ganz normaler Teil der sprachgeschichte.
Uns Menschen fehlt trotz Sprache immer noch sehr viel in der Kommunikation.
Selbst viele definition lassen Diskussionen entstehen. Das gab es schon immer, schon lange bevor wir alle geboren wurden.
Und Sprache kann schon innerhalb eines kleinen Gebiets Unterschiede haben.
Als Beispiel könnte man das Wort "Semmel" nehmen. Für den einen sind es normale Brötchen für den anderen ganz spezielle und für noch jemanden könnte es gar nix mit Brötchen zu tun haben.
Also auch alles ein Kampf um die Deutungshoheit oder einfache sprachentwicklung.
Der Begriff Amoklauf wurde durch die Medien auch einfach neu bestimmt. Da hat sich auch keiner darum gekümmert was es eigentlich bedeutet.
Es ist nur insofern keine Krise, dass es des Problem schon immer gab. Kritisch war es immer. Und krisenhaft ist, dass in der letzten Zeit vermehrt Kapital daraus geschlagen wird, insbesondere von den Rechten. Der Populismus grassiert, und dies ist eines seiner Zeichen.