Wenn sich in den letzten Tagen vor der Thüringen-Wahl die
TV-Runden nochmals häufen, wird eine Frage im Zentrum stehen: Wie reagieren
Vertreterinnen und Vertreter etablierter Parteien auf den AfD-Landeschef Björn
Höcke? Kann es bei solchen Zusammentreffen überhaupt wirksame Formen des
Umgangs geben? Oder investiert nicht jede Erwiderung in Höckes Interessen?
Dass der Umgang mit Höcke als besondere Herausforderung wahrgenommen wird, liegt zu großen Teilen an seiner Rhetorik. Mit ihr gelingt ihm, wovon manch Marketingstratege träumt: Codes und Signale zu setzen, die Aufmerksamkeit erregen und Reaktionen auf breiter Linie provozieren. Es ist daher wenig hilfreich, Höckes Rhetorik mit Überbietungsgesten zu verteufeln – und ihn, wie dies zuletzt im inzwischen vieldiskutierten ZDF-Interview oder durch den Bundesvorsitzenden der Grünen Robert Habeck versucht worden ist, zur neurechten Hitler-Figur zu stilisieren. Völlig unklar bleibt, was mit diesem – gewiss gut gemeinten – Entlarvungsehrgeiz erreicht werden soll.
Was es stattdessen bräuchte, wären zwei Dinge: erstens eine Kenntnis der sprachlichen Mechanismen und rhetorischen Muster. Und zweitens ein besonnenes Nachdenken darüber, mit welchen Strategien Höckes Strategien zu entkräften sind. Denn so elaboriert, wie sie von vielen eingestuft werden, sind diese gar nicht. Im Gegenteil: Seine Tricks sind von eher schlichter Raffinesse. Allerdings: Bleiben Kenntnis und Reflexion aus, verstärkt man nur, wogegen man sich wenden möchte. Empörte Reflexe verhindern klug geführte Auseinandersetzungen, da sie in fast jede rechtspopulistische Imagebildung längst eingepreist sind. Was also tun?
Zunächst ist festzustellen, dass Höcke seine TV-Auftritte in typischer Populistenmanier vor- und/oder nachbereitet. Bei Kundgebungen auf Marktplätzen und in Bierzelten versucht er, den Blick auf die eigene TV-Rolle zu prägen, also eine Art Wahrnehmungsregie durchzuführen. Im konkreten Fall hört sich das so an: "Der Zerfall der Demokratie beginnt schon dort, wo man als AfD-Politiker in Talksendungen nicht ausreden kann. Wo man als AfD-Politiker ständig unterbrochen wird, ständig in eine Rechtfertigungshaltung gedrängt wird. Wo man ständig das Gefühl hat, einem Tribunal unterworfen zu werden – als Vertreter einer Partei, die sich zu Recht als einzige authentische Opposition in diesem Lande bezeichnet. Alles das wird in Deutschland zwangsbeitragsgenährt, -finanziert, praktisch von Staatsseite so gewollt und durchgedrückt."
Das Ziel solcher Einlassungen ist klar: Menschen sollen dazu gebracht werden, TV-Debatten mit Höcke von festgelegter Warte aus zu verfolgen – nämlich von der Position desjenigen, der nur darauf wartet, eine Bestätigung dafür zu finden, was ihm der Betroffene berichtet hat. So kann sich das Verfolgen einer TV-Runde zum gefühlten Opferschutz überschlagen: Wer zu erkennen meint, dass Höcke schon wieder vor ein TV-Tribunal gestellt worden sei, mag sich mit dem Eindruck gefestigter Solidarität belohnen. Man wähnt sich im verschwiegenen Bund der Unterdrückten und weiß zugleich, in Höcke ein Sprachrohr eigener Befindlichkeiten gefunden zu haben.
Entscheidend ist daher, wie andere Teilnehmende am Gespräch vor der Kamera auf dieses Selbstdesign reagieren. Sie sollten sich in jedem Fall darüber bewusst sein, dass Höckes Framing in den Köpfen etlicher Menschen verankert ist – dass viele also das Verhalten der Debattierenden ausschließlich auf ein Einlösen der eigenen Erwartung hin überprüfen. Der eklatante Fehler geschieht daher bereits, wenn man verpasst, das Framing als solches zum Thema zu machen. Wer die Strategie als Strategie nicht zur Sprache bringt, lässt sich auf sie ein und ist schon damit von ihr eingefasst.
Deshalb ist zunächst vor allem eines wichtig: Höckes vorherige Einlassungen in den Sendungen wortgenau zu zitieren und damit seine Strategie sichtbar zu machen. Ja, damit erhält, was er bereits gesagt hat, weitere Bühnen. Ungleich erheblicher ist allerdings, dass sich mit dieser Wendung das Format selbst und Höckes Rolle darin zur Diskussion stellen lassen. Die Zuschauer erhalten Gelegenheit, im weiteren Verlauf eine distanziertere Sicht – einen anderen Beobachtungspunkt! – einzunehmen: Wo konkret wird hier und jetzt ein Tribunal errichtet? Wie genau zerfällt die Demokratie in der soeben laufenden Sendung? Wo und wann kann nicht ausgeredet werden? Wer unterbricht wen?
Kommentare
Am besten man tut dem Mann den Gefallen nicht und versucht ihn moralisch kalt zu stellen, denn dann kann er wieder schön die Opferrolle einnehmen.
Am besten wäre eine rein sachliche emotionslose Diskussion, damit kommt er am wenigsten klar.
"eine rein sachliche emotionslose Diskussion"
das liegt dann allerdings in der Hand der Journalisten. Ich bezweifle, dass die dann so emotionslos sein können.
Höcke hat sich ja selbst in der rechtsextremen Ecke positioniert und damit für alle die Rechtsextremismus irgendwie für moralisch verwerflich halten auch selbst kalt gestellt.
Es soll auch nicht darum gehen Du,Du,Du zu sagen von der Sendungsmoderation, sondern Höcke ganz sachlich als das darstellen was er ist, ein Rechtsextremist mit Nazi-Ideologie.
Wenn man, wie die Moderatorin des MDR, Höcke als zum bürgerlichen Lager zugehörig erklärt ist das ein verdrehen von Tatsachen.
++ Am besten wäre eine rein sachliche emotionslose Diskussion, damit kommt er am wenigsten klar. ++
Das funktioniert auch nicht, weil seine Anhänger Fakten, die entgegen deren kruden Weltbild stehen, nicht akzeptieren.
Und selbst wenn sie bei der sachlichen Linie bleiben, wird jemand wie Höcke doch versuchen, hochemotional zu antworten, bzw. überhaupt nicht auf die Frage zu antworten. Wenn dann der Fragesteller auf das Beantworten der Frage drängt, wird Höcke einfach behaupten, er würde verhört. Das ist da der klassische Trick.
Allein sich schon groß Gedanken darüber zu machen, wie man ihm begegnen soll, ist der falsche Ansatz.
Das einzige was man machen sollte, und das gilt für Gespräche mit allen Menschen auf dieser Welt:
Bei sich bleiben und authentisch bleiben!
Dann macht man alles richtig.
"Fertig ist die Laube"
Bei "rein sachlich" dürfte so mancher Journalist ebenfalls ins Schleudern kommen...
Naja, rein sachlich ist bei Journalisten zumindest weiter verbreitet als bei den dauerempoerten Anhaengern der sogenannten AfD die, wenn wass sie sagen nicht von vornherein erstunken und erlogen ist, keinem sachlichen Argument mehr zugaenglich sind und dauernd ueber diesen oder jenen in der Filterblase ausgedachten Empoerungsgrund ("linksgruene Islamisierung") in der Gegend umherbruellern wie kleine Kinder.
Das diskutieren mit solchen Leuten ist Lebenszeitverschwendung, richtig. Darum geht es allerdings nicht. Die Verlorenen sind Verloren. Rattenfänger müssen aber identifiert werden um den Schaden den sie anrichten zu minimieren.
Mimimi
Eventuell als Mensch behandeln und einen Diskurs entlang der politischen Ansichten liefern?
Woher die Panik?
Eventuell als Mensch behandeln
Sie finden, Höcke wird nicht als Mensch behandelt? Geben Sie mal ein konkretes Beispiel.
und einen Diskurs entlang der politischen Ansichten liefern?
Würde man ja gerne. Allerdings verweigert sich Höcke einem sachlichen Diskurs.
Er schürt lieber hemmungslos Ängste, spaltet, und hat i.A. keine konstruktiven Vorschläge.
Und sobald man das thematisiert, beklagt er sich, dass er "unmenschlich", d.h. nicht mit dem nötigen Respekt behandelt wird.
Woher die Panik?
Sie meinen, dass Panik herrscht - vermutlich unter Journalisten, Politikern und Leuten, die nicht AfD wählen?
Da gibt es bestimmt einige, die Panik haben, aber ich sehe hier keine generell panische Stimmung. Der Artikel z.B. kommt ziemlich reflektiert daher.
Sie verwechseln vielleicht Panik mit Sorge. Ja, viele Leute haben Sorge, dass Höcke noch mehr Unheil anrichtet.
Aber ich gehe davon aus, dass das Phänomen Höcke seinen Zenit schon überschritten hat. Die Entzauberung schreitet voran. Die Leute lassen sich nicht mehr so einfach von Höckes Panikmache verrückt machen - um den Kreis zum Begriff "Panik" zu schließen.
Vielen Dank für den konstruktiven Bericht!
Ich hadere mit dem Vorschlag den Rechten mit Ironie zu begegnen, weil viele Menschen mit Ironie nichts anfangen können.
Und.. die Begriffe des Framings würden weiter verbreitet werden.
Ich stimme voll zu dass Aufklärung bzgl. der rhetorischen Mittel der Rechten dringend vorgeführt werden sollen.
Vor allem die angesprochene Opferrolle eines Unterdrückten, die sich für selbst erfüllte Prophezeiungen bestens eignet.
"Heul' doch!" möchte ich am liebsten reinrufen.
Zur Sprache der AfD ist der Autor Detering interessant.
Der redet sich nicht um Kopf und Kragen. Darauf kann man lange warten. Der wird getragen von seinem rechten Pöbel und so einen Auftritt wird der locker als Sieger verlassen.
Das ist ja der Fehler wir haben diesen Haufen viel zu lange unterschätzt.
"Das ist ja der Fehler wir haben diesen Haufen viel zu lange unterschätzt."
Das ist auch der Fehler von einigen Medien ('welt'), die lange vor dem Erstarken der AfD, und teilweise auch jetzt noch, genau die gleichen kruden Thesen verbreiten, bzw. in den Kommentaren durchgehen lassen. Sie machen das nur nicht so plulmp. Aber inhaltlich gibt es erstaunliche Parallelen.