Liebe ZEIT-ONLINE-Leser, heute habe ich gleich zu Beginn mal eine Frage: Wurdet Ihr zwischen 1955 und 1969 geboren, gehört also zu einem der Jahrgänge der deutschen Babyboomergeneration? Dann habe ich für Euch jetzt eine harte Wahrheit: Es ist völlig okay, wenn Leute irrationale und respektlose Statements von Euch mit "OK, Boomer" abqualifizieren. Nicht nur das: Es ist sogar ziemlich heilsam und wichtig, dass Euch das passiert. Denn "OK, Boomer" ist mehr als nachvollziehbar und noch extrem lieb und konstruktiv gegenüber dem, was die mächtige und privilegierte Boomergeneration, Eure Generation, den Jüngeren ständig vor den Kopf knallt.
Warum, das möchte ich Euch jetzt – wie gewohnt logisch (lol) – beweisen. Dafür werde
ich Euch natürlich erst einmal erklären, was es mit "OK, Boomer" auf sich hat.
"OK, Boomer" (oder "Ok, Boomer" oder "OK Boomer") ist ein Meme, das seit ein
paar Monaten im Internet immer häufiger benutzt wird. Ein Meme ist im Regelfall
ein humoristisches oder satirisches Bild oder kurzes Video, welches auf eine
den Zuschauern bekannte und in dem Kulturraum wiederkehrende Pointe
zurückgreift. In diesem Fall ist die Pointe, dass auf unnötig belehrendes, abschätziges oder weltfremdes Verhalten von Boomern schlicht mit einem
nüchternen "OK, Boomer" reagiert wird.
Die jüngste Popularität von "OK, Boomer" (oder "Ok, Boomer" oder "OK
Boomer") kann in erster Linie auf zwei virale Quellen zurückgeführt werden. Zum
einen ist da das Video einer neuseeländischen
Parlamentarierin, die während ihrer Rede Zwischenrufe älterer weißer männlicher
Kollegen mit einem nüchternen "Okay, Boomer" zum Schweigen brachte. Zum anderen sind da
auch virale TikTok-Videos (das ist eine neue Social-Media-Plattform aus China), in denen auf
despektierliche Moves von Boomern reagiert wird. Wie zum Beispiel auf einen Boomer, welcher jüngere Generationen in einem
ausführlichen Rant angreift und durch falsche Unterstellungen und
Verallgemeinerungen schlecht darstellen möchte. In beiden Fällen
stellt "OK, Boomer" (und so fort) also eine simple Antwort auf respektloses und
geringschätziges Verhalten dar, ohne sich auf das Niveau des Angreifers
herabzulassen. Natürlich gibt es bestimmt auch einzelne Fälle, bei denen der
Ausdruck unpassend und unnötig abfällig genutzt wird. Die viralen Trends, der
zugrunde liegende Joke und unzählige reichweitenstarke Beispiele tun dies allerdings
nicht.
Dass dennoch manche (!) Boomer allein durch diese Bezeichnung ein flaues
Gefühl im Magen bekommen, hat viel eher etwas mit dem Verlust des Status quo im
öffentlichen Diskurs zu tun. Für alle anderen Generationen ist es völlig
normal, dass über sie als Gruppe gesprochen wird. Zeitungen
denken und sprechen meist aus der Perspektive der Alten, die für die Jungen
irgendwelche Labels wie "Millennials" oder "Gen Z" erfinden. Wenn Boomer die
Zeitung dann zuschlagen und den Fernseher anmachen, erfahren sie die Einordnung
der aktuellen Themen von Influencerinnen wie Sandra Maischberger (Boomerin),
Frank Plasberg (Boomer), Anne Will (Boomerin), Maybrit Illner (Boomerin) oder
Markus Lanz (Boomer). Der ZDF-Fernsehrat – nur als Beispiel für den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk – besteht zu 58 Prozent aus Boomern und neben dieser Gruppe
gibt es mehr Mitglieder im gesetzlichen Rentenalter als Mitglieder unter 50
Jahren. Fun Fact am Rande: Der ZDF-Fernsehrat beschreibt seine Mitglieder als
"so vielfältig wie die Gesellschaft selbst" ... lol, OK, Boomer (guckt, so
funktioniert das Meme).
Die 15-Jahre-Generation der Boomer ist also – spätestens seitdem die 68er
Mitte der Nullerjahre für sie Platz gemacht haben – einen öffentlichen Diskurs
gewohnt, in dem ihre Peergroup der Standard ist. Natürlich ist es dann
ungewohnt, plötzlich einen Hauch von dem zu erfahren, das für die Jüngeren
völlig alltäglich ist: in vielen reichweitenstarken öffentlichen Auseinandersetzungen
kein Subjekt, sondern ausschließlich Objekt zu sein.
Die beliebte
Boomerresponse auf "OK, Boomer", wo der jeweilige Boomer dann immer glaubt,
festhalten zu müssen, dass er sich selbst ja als
Vater/Großvater/Arbeitnehmer/Öko/you name it sieht und eben nicht als Teil
einer Generation, zeigt am Ende nur, wie nötig es ist, ihm diese Zugehörigkeit
endlich mal unter die Nase zu reiben. Denn nur wer die Macht hat, kann immer
bestimmen, wer er sein will. Und muss sich nicht als Teil von
Ausländern/Frauen/dieser Jugend von heute/et cetera behandeln lassen.
Kommentare
Zwischen Boomern und Millenials sitzt mindestens eine weitere Generation, die beide hasst ;)
Das ist korrekt.
Geniale Kolumne.
(Ein Boomer).
Sieht man schon daran, dass genau die Leute, die ich hier für Boomer halte wirklich massiv getriggered sind, welche Beiträge mit Likes überflutet werden etc.
Köstlich.
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Beleidigungen. Danke, die Redaktion/ja
Ok, Boomer ... (Wie ist eigentlich die Altersverteilung bei ZON?)
Okay.
"Okaaaaay" ist der typische Spruch von Millenials , wenn sie mal wieder etwas nicht verstanden haben, aber meinen, irgend etwas blubbern zu müssen.
Und darüber soll man sich Gedanken machen ? Nun wirklich nicht.
Ok, Boomer.