Zu Beginn des Films wirft ein Flugzeug weiße Säcke ab, irgendwo in Afrika über einer staubigen Savanne. Ein Pulk von Menschen rennt los zum Ort des Abwurfs, sie kauern sich hin und scharren vom Boden auf, was sie kriegen können. Jeder will möglichst viel von der Hilfe ergattern, die da vom Himmel fiel.
Wer sich mit derartiger Energie auf abgeworfene Getreidekörner stürzt, steckt entweder in einer lebensbedrohlichen Notlage – oder er hat sich so sehr an die Lieferung aus der Luft gewöhnt, dass er gar nicht mehr auf die Idee kommt, sich aus eigener Kraft zu versorgen.
Das ist die Botschaft des Films Süßes Gift : Entwicklungshilfe macht abhängig und lethargisch. Sie zerstört jede Motivation, sich selbst anzustrengen, denn man bekommt sie gratis und ganz ohne Mühe. Zugleich ist sie ein Geschäft, dessen Profite vor allem westliche Unternehmen einstreichen – die Armen aber, die Hilfe am dringendsten bräuchten, gehen leer aus.
Die Kritik ist nicht neu.
Einige ihrer prominentesten Vertreter sind der ehemalige Weltbank-Ökonom Bill Easterly, der von der US-Ostküste aus immer wieder die missionarische Haltung vieler Entwicklungshelfer und -ökonomen attackiert, die sambische Ökonomin
Dambisa Moyo
und ihr kenianischer Kollege
James Shikwati
. Geändert haben sie an der Praxis bislang freilich wenig.
Eine Fischfabrik für Nomaden, ohne Strom
Süßes Gift zeigt das Versagen der Helfer anhand von drei Beispielen aus Kenia , Mali und Tansania . In Kenia wollte man die Turkana, traditionell ein nomadisches Hirtenvolk, zu Fischern machen, um sie vor den Folgen einer Dürre zu bewahren. Mit norwegischem Geld wurde also eine Fischfabrik gebaut, um den Fang zu vermarkten. Doch es gab weder Strom, um die Fische zu kühlen, noch ausreichend sauberes Wasser, um sie zu reinigen. Die Fabrik nahm ihren regulären Betrieb nie auf.
In der malischen Region Manantali finanzierte Entwicklungsgeld einen Staudamm, der dem Land und seinen Nachbarstaaten Elektrizität bringen sollte. "Strom ist Entwicklung", sagt ein erfahrener Entwicklungshelfer im Film, und das stimmt ja auch. Aber die Bauern, die für den Damm umgesiedelt wurden, bereiten ihre Mahlzeiten bis heute über Feuerholz zu, und ihre Ernten sind magerer als zuvor. Die westlichen Unternehmen hingegen, die am Bau beteiligt waren, machten hohe Gewinne. Dem Land blieben die Schulden aus den Entwicklungskrediten, die den Bau finanzierten.
Dem tansanischen Dorf Muhenda wiederum sollte eine Baumwollfabrik Wohlstand bringen: mechanisierte Landwirtschaft, die Pflanzen durch Dünger und Pestizide auf hohe Erträge getrimmt. Maschinen und Chemikalien wurden importiert – bis der Weltmarktpreis für Baumwolle so weit fiel, dass die Kosten nicht mehr zu finanzieren waren, und die Regierung ihre Subventionen einstellte. Heute überleben die Kinder der damaligen Baumwollbauern mit ein paar Cents am Tag. "Wir erwarten gar nichts", sagt eine Bäuerin aus Muhenda. "Aber ohne Hilfe schaffen wir es nicht."
Kommentare
Entwicklungshilfe, wie sie heute praktiziert wird,
ist ein Synonym für Ausbeutung. Durch Entwicklungshilfe werden Strukturen für Investoren geschaffen, die billig Fischereirechte aufkaufen und Bodenschätze abtransportieren dürfen und der Bevölkerung die Zerstörung ihrer Umwelt hinterlassen.
Selbst Kinderarbeit durch verschleppte Kinder auf den Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste nehmen ausländische Geschäftspartner in Kauf.
Als ich Kind war, und es an unserer Tür klingelte, eine Frau für "Brot für die Welt" sammelte, sagte mein Vater, für solch einen Blödsinn geben wir nichts.
Ich fand meinen Vater grausam und habe mein Taschengeld gespendet.
Heute verstehe ich meinen Papa posthum.
Es wird Wanderungen geben, die gesellschaftlich und menschlich auf beiden Seiten Probleme machen werden, sagte er, und das sagt auch der kleine afrikanische Junge:
"Wenn Gott nicht alle Tiere tötet, werde ich hier heiraten. Wenn er sie umbringt, komme ich zu Euch."
Wanderungen.
Das sehe ich auch so. Ich habe mehrere Jahre in Kenia und Uganda gelebt und habe oft Einheimische gefragt, ob sie nach Europa gehen wuerden, wenn unbeschraenkte Einwanderung erlaubt waere. Sie wollten alle. Die europaeischen Regierungen sollten sich darauf einstellen. Da kommt noch was auf sie zu.
Agrarsubventionen
Es wäre schon einiges erreicht, wenn die Franzosen auf ihre völlig unzeitgemäßen und unwirtschaftlichen EU-Agrarsubventionen verzichten würde. Die Folge dieser Subventionen ist nämlich, dass europäische Agrarprodukte zu Dumpingpreisen in Entwicklungsländern verkauft werden, anstatt heimischer Produkte -die sind nämlich zu teuer. Damit macht man einen ganzen Markt kaputt.
Ungleiche Chancen
Gleichzeitig würden viele Staaten in Afrika gerne ihren Markt für eine gewisse Zeit mit Importzöllen abschotten um eine eigene Industrie aufzubauen. Genau das haben viele europäische Staaten vor vielen Jahren gemacht oder ein neueres Beispiel: die Tigerstaaten sind so nach oben gekommen.
Allerdings wird den Afrikaner dieses Instrument nicht gestattet. Sollten sie es trotzdem machen gibt es keine neuen Kredite mehr.
Wäre ja auch noch schöner wenn wir unsere Überproduktion nicht in Afrika verscherbeln könnten...
Alexandra Endres,
auch dieser Artikel aus Ihrer Feder, über die Wirkung von Entwicklungshilfe und über die Dokumentation von Peter Heller, ist abseits der Mainstream-Berichterstattung angesiedelt.
Beim Pulitzer-Preis Journalismus gibt es eine Kategorie „Dienst an der Öffentlichkeit“
Dies wäre zumindest schon mal die richtige Umschreibung Ihrer Schreib- und Informationsarbeit.
entschuldigung ob des offtopics...
... aber da schreit der blogger in mir zeter und mordio. warum ist kein link auf die offizielle seite vorhanden?
--> http://www.suessesgift.wf...
eine winzig kleine dienstleistung, die ich sehr wichtig finde. das signalisiert: hey leser, ich find' dich wichtig und hab' drüber nachgedacht, was dir wichtig sein könnte.
so. und nun: danke für den artikel. :)