Frage: Herr von Stuckrad-Barre, die neuen Folgen Ihrer Polittalk-Late-Night-Show starten am 22. August, einen Monat später ist Bundestagswahl. Wen werden Sie wählen?
Benjamin von Stuckrad-Barre: Ich weiß es diesmal weniger denn je. Dafür ist ja auch diese Sendung da, damit ich endlich rausfinde, wen ich wählen soll.
Frage: Warum so unentschlossen?
Stuckrad-Barre: Keine Ahnung. Das ist ja nicht nur mein Problem. Die meisten, mit denen ich mich so unterhalte, finden momentan alle Parteien etwa gleich scheußlich.
Christian Ulmen: Ich schwanke noch zwischen zwei Parteien. Das ist nicht schlecht. Sonst schwanke ich so kurz vor der Wahl immer zwischen vier Parteien.
Frage: Immerhin gehen Sie wählen.
Stuckrad-Barre: Klar. Ich finde es immer einen schönen Moment, wenn man in diesem grauen Klappding sitzt, der Wahlkabine. Diese kurze Begegnung mit sich selbst. Wenn man darüber nachdenkt: Was meine ich eigentlich mit meiner Stimme? Was ist besser für das Land? Was ist besser für mich: 38 Jahre alt, eine Frau, ein Kind? Und kann, was schlecht für mich ist, gut fürs Land sein – und umgekehrt?
Frage: Hat sich Ihre politische Präferenz durch die Begegnungen mit den Politikern in der Show verändert?
Stuckrad-Barre: Nein, aber mein Verständnis für das Drama dieses Berufsstandes hat sich vergrößert. Mir tun Politiker leid, ehrlich.
Frage: Sehr empathisch.
Stuckrad-Barre: Angeblich geht jetzt der Wahlkampf los. Jetzt sehe ich überall diese Plakate, wenn ich auf dem Fahrrad herumfahre. In meinem Stadtteil, Wilmersdorf, kenne ich die auf den Plakaten Abgebildeten gar nicht. Und gerade die ausgestellte zupackende Fröhlichkeit, dieser vollkommen sinnlose Optimismus, den diese mir unbekannten Menschen da verströmen auf ihren Plakaten, der macht mich melancholisch.
Kommentare
Schöne Zusammenfassung
"Angeblich geht jetzt der Wahlkampf los. Jetzt sehe ich überall diese Plakate, wenn ich auf dem Fahrrad herumfahre. In meinem Stadtteil, Wilmersdorf, kenne ich die auf den Plakaten Abgebildeten gar nicht. Und gerade die ausgestellte zupackende Fröhlichkeit, dieser vollkommen sinnlose Optimismus, den diese mir unbekannten Menschen da verströmen auf ihren Plakaten, der macht mich melancholisch."
Eine wunderbare Diagnose der bundesdeutschen Politikmisere.
Ich finde ja die Plakate der Grünen ...
... unabhängig davon, daß ich die Grünen nicht mag, aus Blickwinkel der Ästhetik und der Aussage reichlich mißlungen.
Bei mir im Stadtviertel bin ich richtig zurückgeprallt, als ich ein auf den ersten Blick reichlich übergewichtiges kleines Mädchen auf einem Plakat mit der Überschrift "Hallo Kita" gesehen habe. Auf den zweiten Blick war das arme Kind, das hier seinen Kopf für die Grünen hinhalten muß, aber nur ziemlich unvorteilhaft mit aufgeblasenen Backen fotografiert worden.
Ich wage auch die Behauptung, das neckische Wortspiel erschließt sich nur Eltern von kleinen Mädchen spontan. Alle anderen fragen sich: Was soll der Sch...?
Mindestens genauso dämlich ist aber das Plakat mit dem ebenfalls unvorteilhaft getroffenen kleinen Jungen und der Überschrift "Meine Mudda wird Chef".
Was mir auch zu denken gab, war die Forderung: "Faire Löhne. Mindestens." Dazu machte die abgebildete Dame freilich ein Gesicht, als nähme sie auch unfaire Löhne, vorausgesetzt, sie sind unfair nicht für sie selbst, sondern für andere.
Die Piratenpartei scheint wie einst in Berlin mal wieder "Textmengensieger" bei den Plakaten zu sein, was auch längst schon wieder von Werbeprofis bekrittelt wird, ebenfalls wie in Berlin. Ob ich sie wählen werde, weiß ich immer noch nicht so recht, aber jedenfalls sind sie offenbar die einzigen, die ihren Wählern zutrauen, mehr als zwei Wörter am Stück in ihr Hirn reinzukriegen, und das ist ja irgendwie doch schon wieder charmant.
Wozu laden die dann Politiker ein?
Da die doch nur ihre Phrasen runterleiern - oder eben witzig tun. Ein erhebliches Uebel an unserer "politischen Kultur" sind ja grad diese Talkshow-Flachheiten.
Re Wozu laden die dann Politiker ein?
Es geht darum, Geld zu verdienen.
Nicht mehr, nicht weniger.
Dass es nichts bringt, eine Talkshow mit Politikern zu machen oder zu sehen, ist mittlerweile eine Binsenweisheit.
Das sehe ich genau so
Der Meinung über die Herrn Deppendorf und Becker kann ich mich voll anschliessen. Wurde Zeit, dass das mal gesagt wurde.
Überschriften
Zwei demokratieverwöhnte Berliner Großstadtdandies erklären die Welt im vermeintlich lustigem Duktus...wer es mag, warum nicht, sollen ja auch zu Wort kommen.
ebenso
dem kommentar nr. 4 möchte ich mich anschließen.