Weißes Kleid, ernster Blick: So posiert die Schauspielerin Gillian Anderson vor dem Pistolenlauf, den wir von James-Bond-Filmpostern kennen. Wenige Tage ist es her, dass Anderson das Bild getwittert hat; es ist zwar nur ein Fake, stammt wohl von einem Fan, dennoch traf es einen Nerv. Bislang wurde der Tweet mehr als 13.000-mal geteilt und doppelt so oft gelikt. Unter Bond-Fans, und davon gibt es eine ganze Menge, ist nun eine Debatte entbrannt; sie dreht sich nicht um Gillian Anderson, sondern darum, ob die Zeit reif ist für Jane Bond.
Eine weibliche 007? Warum nicht.
James Bond war lange nur: charmant, chauvinistisch, eiskalt. All die Frauen, die starben, weil sie ihm zu nahe gekommen waren, ohne dass es ihn wirklich berührte. Ein Schnitt, und die Schöne, mit der er eben noch das Wasserbett geteilt hatte, war vergessen. Zu seiner Entschuldigung ist zu sagen, dass ihm die Drehbuchschreiber nur selten Zeit für Trauerarbeit gönnten. Dafür war Bond viel zu sehr mit Weltretten beschäftigt, hetzten ihm Scaramanga, Le Chiffre und die anderen Bösewichte einfach zu viele Fußsoldaten hinterher. Außerdem explodierte es ständig um ihn herum, was nach Hechtsprüngen verlangte und selbst einen hartgesottenen Spezialagenten beim Räsonieren stört.
It's Bond. Jane Bond.
— Gillian Anderson (@GillianA) 21. Mai 2016
Thanks for all the votes! (And sorry, don't know who made poster but I love it!) #NextBond pic.twitter.com/f8GC4ZuFgL
Zugegeben, seit Daniel Craig hat sich Bond zuletzt ein wenig gewandelt; weich wäre zu viel gesagt, aber etwas nahbarer ist er doch geworden. Der Mann hat geweint, also fast, in Casino Royale nämlich, nachdem er dabei zusehen musste, wie seine geliebte Vesper Lynd (Eva Green) im Meer ertrinkt. Im Nachfolger Skyfall schon wieder, dieses Mal wirklich, als seine Quasimutter M in seinen Armen ihren letzten Atemzug tut. Und doch, all den psychologischen Verfeinerungen der Figur zum Trotz ist James Bond noch immer eine Schablone. Es kommt nicht so wirklich darauf an, wer sie letztlich ausfüllt.
Die Marke Bond
Bond ist kein Mann, sondern eine Marke, der Fixpunkt eines Universums aus ikonischen Zutaten: raketenwerfenden Autos, geschüttelten Martinis, gebrochenen Herzen und Hälsen. Dieses Universum funktioniert nach eigenen Regeln, dazu gehört, dass es seine Überdrehtheit immer schon reflektiert hat, die Figuren immer auch Karikatur ihrer selbst waren. In gewisser Weise ist James Bond keine Rolle, sondern ein Amt.
Würde nun eine Jane Bond die fast 55 Jahre alte Filmserie fortführen, müssten sich die Macher auch mit dem Sexismus und den versteinerten Rollenbildern ihrer Vorgänger auseinandersetzen. Das Ergebnis wäre sicher lustig anzuschauen, solange eine echte Modernisierung dabei herauskommt und nicht nur ein Remake von Octopussy oder Goldfinger unter umgekehrten Geschlechtervorzeichen.
Erst unlängst lernte das Kinopublikum, dass James Bond ein Waise ist. Küchenpsychologisch logisch hat ihn seine armselige Kindheit zu einem asozialen Einzelgänger gemacht, dem nicht nur die meisten Frauen egal sind, sondern die meisten Menschen. Die Zuschauer haben in ihm immer nur den Macho gesehen; dabei war und ist Bond vor allem ein Misanthrop – und das kann eine Frau genauso gut.
Und wer jetzt damit kommt, dass man die erfundene Vita eines erfundenen
Agenten nicht mal eben auf das andere Geschlecht übertragen könne, den muss man
daran erinnern, wie inkonsistent die Erzählung, wie fluid das
Bond-Universum ist. Nur so viel: Der Mann sieht alle paar Jahre anders aus und wird
gerne auch mal jünger. Brüche waren schon immer erwünscht, was auch heißt, dass
es Anschlussfehler gar nicht geben kann.
Jane got a gun
Man könnte also einfach eine Agentin auf den weichen Ledersitz des Aston Martin setzen und ihr die Walther PPK in die Hand drücken, ohne dass es gewollt wirkte. Ja, selbst jene Bond-Fans, die jeden der inzwischen 24 Filme am Bart des Oberschurken oder am Dekolleté des Bond-Girls erkennen, würden das aushalten. Sie wissen es nur noch nicht.
Auf der Newsplattform Quartz argumentiert der Autor Adam Epstein, dass Hollywood lieber eine neue starke Frauenfigur erfinden sollte, als James Bond einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen. Man könne beispielsweise einen Spin-off produzieren, schlägt er vor, der sich um eine bereits existierende 00-Agentin aus einem der Bond-Filme dreht. Aber das wäre langweilig, denn es würde nur irgendein Actionthriller sein, dessen Protagonistin vom übergroßen Schatten Bonds verschluckt würde, auf dessen Kurzauftritt alle warten.
Nein, es müsste schon Jane Bond sein, die der wertvollen 007-Marke einen
neuen Dreh verpasst. Wir sollten ihr zutrauen, dieses Podest zu besteigen, das aus Klischees und Machismus besteht. Sie wird
schon damit umzugehen wissen.
Kommentare
Ja und dann warte ich noch mit Hochspannung auf Jamnes Bond. Das ist das Bond, das nicht weiß, ob es grad männlich oder weiblich ist. Als Titel wäre "Genderfinger" oder "You better live twice" geil.
p.s. also so viel unterirdischer als Böhmermanns Witzchen ist das jetzt auch nicht.
Bei Genderfingern denk ich eher an Love twice...
Bond ist kein Mann, sondern eine Marke,
Genau. In Form eines Mannes.
Frauen machen auch keine Werbung für Rasierwasser.
der Fixpunkt eines Universums aus ikonischen Zutaten: raketenwerfenden Autos, gerührten Martinis, gebrochenen Herzen und Hälsen.
Und Frauen. Weil Bond ein Mann ist. Und Brusthaartoupet. Weil er immer noch ein Mann ist.
Mögen sich die Damen eine eigene Agentin erschaffen. Die kann dann ja Smoothies trinken und ihre Lover ins vegane Restaurant einladen, bevor sie dann ökologisch korrekt mit dem Zyanid-Lippenstift entsorgt werden. Wenn sie James okkupieren möchten, wird per Twitter-Empöria zum Boykott aufgerufen.
Werden dann eigentlich auch die Bösewichte weiblich?
Oder wie soll man sich das vorstellen, ich meine Gillian Anderson kann ich mir gerade nicht vorstellen, wie sie haufenweise muskulöse Riesenarschlöcher mit bloßen Händen vermöbelt.
Aber das wäre langweilig, denn es würde nur irgendein Actionthriller sein,
sorry, aber genau das ist "Bond", zumindest aus meiner Sicht, doch ohnehin seit einer Weile doch nur noch. Eine Institution, die unbedingt mal durch Frauen erobert werden muss, ist es jedenfalls nicht mehr, da kommt man etwas spät.
"Eine weibliche 007? Warum nicht."
Weil es dann nicht mehr Bond ist. Deshalb.
Ich kann es kaum erwarten dass so ein Film produziert wird, mit ganz viel Feministinnen-Hype á la "Nur Frauen am Set! Lauter starke Frauen! Endlich Frauenpower!" wie bei der Ghostbuster-Neuverfilmung, wo man auch keine Lust hatte etwas Neuartiges zu schaffen sondern die Marke Ghostbuster feministisch kapern musste.
Und wenn der erste Trailer rauskommt und genauso unterirdisch bewertet wird wie der Ghostbusterinnenfilm (wie noch KEIN Trailer zuvor in der Geschichte) dann macht man sich nicht darüber Gedanken dass man vielleicht etwas falsch gemacht hat - sondern man beschimpft einfach die Leute die den Trailer nicht gut finden als gemeine Sexisten und Frauenhasser.
Perfekt, wenn der tatsächliche Film dann ebenfalls an der Kinokasse absäuft, dann lag es nicht daran dass man einen Schrottfilm produziert hat (für knackige 150 Millionen Dollar), sondern daran dass die Gesellschaft einfach misogyn ist.