Trotzig und knapp fällt das Schlussplädoyer des Angeklagten aus. "Ich bin unschuldig", gibt Jens Söring am 4. September 1990 zu Protokoll, bevor der Richter das Urteil der Geschworenen verkündet: zweimal lebenslänglich wegen Doppelmordes an den Eltern der Freundin. Seit mehr als 30 Jahren sitzt Söring nun in einem US-Gefängnis, womöglich bleibt er dort für den Rest seines Lebens. Viele sind überzeugt: Es sitzt der Falsche.
"Jens Söring hat sich schuldig gemacht", sagt Karin Steinberger im Gespräch mit ZEIT ONLINE, "aber nicht im Sinne der Anklage." Die Journalistin der Süddeutschen Zeitung traf Söring vor zehn Jahren zum ersten Mal, seitdem hat sie mehrere Artikel über ihn geschrieben. Nun hat Steinberger das filmreife Lebensdrama um eine große Liebe, Verrat und einen höchst fragwürdigen Gerichtsprozess fürs Kino erzählt, gemeinsam mit dem Grimme-Preisträger Marcus Vetter (Das Herz von Jenin). Ihr packender Dokumentarfilm trägt den Titel Das Versprechen.
Glaubt man Söring, war es bloß ein liebestrunkenes Ehrenwort, das ihn hinter Gitter brachte. Die Morde seiner damaligen Freundin wollte er auf sich nehmen, um sie zu schützen. Elizabeth Haysom, eine kühle Schönheit, androgyn, klug und geheimnisvoll, Stipendiatin wie er, aus ebenso gutem Hause, doch zwei Jahre älter und unendlich viel reifer.
Im August 1984 lernen sich die beiden kennen, in einem Orientierungskurs der University of Virginia. Söring kann sein Glück kaum fassen, als sich die von vielen Umworbene ausgerechnet für ihn entscheidet, den blassen Deutschen mit der Tropfenbrille. Ein halbes Jahr währt das Glück, dann werden Haysoms Eltern in ihrem Haus in Lynchburg brutal ermordet.
Schnell gerät das junge Paar in den Fokus der Polizei. Söring und Haysom
fliehen nach Thailand, dann nach Europa, am Ende werden sie in London
wegen Scheckbetrugs verhaftet. Nach viertägigem Verhör gesteht Jens Söring die Tat – nachdem er sich versichert hat, als Diplomatensohn der Todesstrafe zu entgehen. Die Annahme ist falsch, doch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kommt ihm zu Hilfe: In seinem als epochal geltenden Soering-Urteil von 1989 legt er fest, dass Auslieferungen an die USA nur erlaubt sind, wenn man sicher sein kann, dass der Ausgelieferte dort nicht in der Todeszelle landet.
Später widerruft Söring sein Geständnis, doch auch Elizabeth Haysom weist die Schuld von sich. Die vermeintliche Lüge des jungen Mannes erweist sich tatsächlich als die von ihm erhoffte Heldentat – durch sein Schuldbekenntnis bewahrt er die Geliebte vor dem elektrischen Stuhl.
Der sexuelle Missbrauch der Mutter an der Tochter wird vertuscht
Wer all das schon abenteuerlich findet, dem sei gesagt: Die Tragödie setzt sich fort, vor Gericht und bis hinein in die Gegenwart. Zahllose Ungereimtheiten treten auf. So verschwinden Fotos, die einen sexuellen Missbrauch der Mutter an ihrer Tochter nahelegen – ein Mordmotiv. Zeugenaussagen, die Söring entlasten, werden übergangen. Ein vom FBI erstelltes Täterprofil, das eine den Opfern nahestehende Frau als Mörderin vermutet, findet vor Gericht kein Gehör.
Zudem ist Sörings Anwalt mit den Prozessregeln Virginias kaum vertraut, mehrfach wird ihm das Wort abgeschnitten, durch einen Richter, der mit der Haysom-Familie befreundet war. Als zentrales Beweisstück, das die Geschworenen letztlich zu ihrem Schuldurteil veranlasst, gilt ein blutiger Sockenabdruck, der von Söring stammen soll. Der Gutachter: ein Experte für Reifenabdrücke.
Kommentare
Alle Jahre wieder dieser Fall. Ich habe mich mal etwas näher damit beschäftigt, als es um eine Petition ging. Da fand ich genug Indizien, die ihn belasten, dass ich die Petition nicht unterschrieben habe. Ich bin nicht der Meinung, dass er unschuldig ist, wer Lust hat, kann sehr viel über den Fall im Internet nachlesen, weit weniger einseitig als der Film offenbar informiert. Ich habe jetzt weder Zeit noch Lust, das noch mal nachzulesen, will nur darauf hinweisen, dass es auch objektive Informationen gibt.
Man sollte sich auch vor Augen halten, dass Zweifel an einzelnen Indizien nicht dazu führen, dass die ganze Kette zusammenbricht - wie Spuren der beiden am Tatort nach der Tat, die Flucht, das Geständnis u.v.a. , die ja zunächst mal stark Söding und seine frühere Partnerin belasten.
Es mag Indizien für seine Schuld geben, aber das spielt keine Rolle. Es geht in dem Fall auch nicht darum, ob er wirklich unschuldig ist. Ich bin keine Expertin für amerikanisches Strafrecht, aber soviel ich weiß, gilt auch dort der Grundsatz: "Im Zweifel für den Angeklagten". Nicht der Angeklagte muß seine Unschuld die Staatsanwalt muß vielmehr seine Schuld beweisen. Wenn es auch nur Zweifel an der Schuld gibt, muß der Angeklagte freigesprochen werden. Im Prozeß kam es tatsächlich zu vielen Widersprüchen, offenbar sind entlastende Beweise verschwunden, ein Experte für Reifenabdrücke! erstellte das Gutachten vom Fußabdruck, das Gutachten des Profilers wurde nicht vorgebracht, oder berücksichtigt, der Richter war mit den Opfern befreundet, hätte also eigentlich als befangen abgelehnt werden müssen usw.. Der Anwalt war vermutlich völlig unfähig oder überfordert. Dann war Söhring natürlich das "German Beast". Wenn man bedenkt, daß O.J. Simpson, für dessen Schuld es nicht weniger und überzeugendere Indizien gegeben hat freigesprochen wurde, überrascht das Urteil gegen Söhring schon. Die Amerikaner wollen natürlich nicht, daß man Ihnen in ihr Rechtssystem hereinredet, aber wenn es amerikanische Staatsbürger im Ausland betrifft ist das natürlich etwas anderes, z.B. beim Fall Amanda Knox.
Wenn ich das richtig verstanden habe, besagt doch das Alternativszenario, dass die Frau alles alleine getan hat. Von daher müssen dadurch auch Spuren hinterlassen worden sein, und auch die Flucht ist logisch.
Der Film wie auch die vorigen Texte legen nur nahe, dass Söring gar nicht an der Tat beteiligt war, und nur etwas gestanden hat, um seine damalige Freundin zu schützen.
sollte das eine Antwort an mich sein: Denkbar wäre auch diese Variante, dann ist es aber egal, dass auch ungeklärte DNA gefunden wurde.
Die Hinweise auf "Missbrauch" sind Nacktfotos der Tochter, ob das schon Missbrauch ist?
So kann man der Reihe nach weitergehen, sollen also "beide unschuldig sein"? Wenn sie auch unschuldig ist, wieso geben beide die Tat zu?
Hat Sie es mit einem Dritten gemacht (und flieht dann mit Söring? und der Dritte hat keine Angst, dass sie diesen wahren Täter statt ihres Freundes Söring belastet, mit dem sie flieht?).
Denkbar ist auch, dass sie allein handelte, aber auch dagegen gab es Indizien, insbesondere Drohungen vor der Tat.
Ich finde es einfach ein bißchen seltsam, dass man von außen nach einem Film oder Zeitungsartikeln glaubt besser zu wissen als ein Gericht nach wochenlanger Verhandlung, was wie zu bewerten ist.
@ #2.1:
Welche Infortmationen hatte denn das Gericht?
Das Gericht hatte die Informationen, die die lokale Polizei und die Staatsanwaltschaft ihm gegeben hat.
Wenn da eine einflussreiche Familie ermordet wird, glauben sie ernsthaft, dass jemand im beschaulichen Virginia Interesse daran hat, das da groß "schmutzige Wäsche" gewaschen wird?
Da ist doch der naive "Schlaubi" aus Germany die einfachere Lösung.
Den und und die Tochter steckt man in den Knast und das war es dann, Fall erledigt Wiederwahl gesichert.
ja klar, die Tochter hat man ja immerhin trotzdem weggesperrt und das ganz schön lange. Wenn Ihre Theorie stimmen würde oder die des damals jungen Mannes, hätte man doch eigentlich allein ihn einsperren müssen.
Ihre Logik erschließt sich mir nicht, Sie unterstellen etwas, das mir lebensfremd erscheint.
Ist aber auch egal. Ich behaupte auch nicht, dass er schuldig ist, keiner von uns weiß das. Ich habe aber Vertrauen, dass ein langer Prozess sich mehr zur Wahrheitsfindung eignet, als ein paar jährlich wiederkehrende Zeitungsartikel oder ein extrem einseitiger Film.
@ #4:
Kennen sie die Vorgeschichte der "Tochter"?
Ich habe keine Theorie ich sag nur was im Artikel steht.
Auch denke ich, dass sie das US-Gerichtssystem überbewerten.
So ein "County Court" ist nicht mit einem Landgericht in Deutschland vergleichbar, vor allem wenn es in einer Gegend liegt wo eher wenige Morde vorkommen und wenn dann schon nicht der Doppelmord an Eltern durch ein Kind.