Wenn am 1. Dezember die Netflix-Abonnenten das Türchen zur ersten deutschen Eigenproduktion der Plattform öffnen, hat das schon ein bisschen was von Wundertüte. Wenig ist vorab von der Handlung bekannt geworden. Nur so viel: Dark spielt in einer deutschen Kleinstadt. Es gibt raunende Wälder, unheimliche Höhlen und Kinder, die verschwinden. In 190 Ländern wird die zehnteilige Serie nun zu sehen sein.
Der erste Eindruck beim Vorab-Öffnen dieses Türchens: Oh, sie haben Stranger Things noch mal auf Deutsch gedreht! Die Parallelen sind fast schon absurd: Ein kleiner
Junge verschwindet, Geschwister und Freunde suchen nach ihm.
Übernatürliche Kräfte sind ebenfalls im Spiel, nur dass es kein gesichtsloses
Monster ist, sondern eine Zeitmaschine, die ausgerechnet in die Achtzigerjahre
führt. Die popkulturellen Referenzen sind natürlich auf deutsche Zuschauer
zugeschnitten. Nena singt Irgendwie, irgendwo, irgendwann, im Röhrenfernseher läuft Werbung für "Raider, den Pausensnack", die Schülerinnen tragen schlimme Frisuren und unförmige Pullis.
Der Störfall als Sündenfall
Baran bo Odar, der die Serie gemeinsam mit der Drehbuchautorin Jantje Friese konzipiert hat, sieht die Ähnlichkeit mit der Erfolgsserie der Duffer-Brüder gelassen. "Ich glaube, es wird uns total in die Hände spielen, wenn wir mit einer Show verglichen werden, die gut ist und die ein großes Publikum hat", sagt er. "Wenn allein die Hälfte dieses Publikums Dark guckt, wird es ein richtiger Hit." Friese merkt trocken an, man sehe eben, dass viele Serienmacher dieselben popkulturellen Referenzen hätten. "Sowohl die Duffer-Brüder als auch wir haben Stephen King gelesen und Twin Peaks geguckt."
Tatsächlich fügt Dark noch eine weitere, ebenfalls sehr deutsche Komponente hinzu: die Angst vor der Atomkraft. Die Zeitreise führt nicht zufällig zurück in den Herbst 1986, kurz nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Der Störfall als Sündenfall, das ist ein ungewöhnliches Serien-Setting und eines, das den Regisseur Odar auch ganz persönlich betrifft: Sein Vater arbeitete in den Achtzigerjahren in einem Atomkraftwerk. Ein schwerer Stand als Jugendlicher zwischen den Altersgenossen mit ihren Antiatomkraftbuttons.
Das zerstörerisch
strahlende Erbe, das die Eltern ihren Kinder hinterlassen haben, führt als Leitmotiv durch die Geschichte. Und die Idee, diese Bedrohung mit den Mitteln
des Mystery darzustellen, ist bestechend: Die größte Angst scheint der Mensch
vor unsichtbaren Bedrohungen zu haben, und Radioaktivität kann man zwar messen,
aber nicht sehen. Stattdessen: eine Wiese voll toter Schafe, Vögel, die scharenweise vom Himmel fallen, gelbe Fässer voll
Atommüll. Solche Bilder können sich dem Betrachter einbrennen.
Kurz: Dark hat ein überzeugendes pitching hingelegt und es wundert nicht, dass der Streamingdienst den beiden Filmemachern den Zuschlag gegeben hat, obwohl er von ihnen ursprünglich eine Serienversion des Hacker-Thrillers Who am I haben wollte. Dark, so erzählt Friese, sei letztlich als Kombination aus zwei unterschiedlichen Projekten entstanden, die sie noch in der Schublade hatten: eine klassische Crime-Drama-Serie und eine Zeitreisen-Trilogie fürs Kino.
Wahrscheinlich war dieses Aus-zwei-mach-eins der Geburtsfehler der Serie, denn eine der beiden Handlungskomponenten ist definitiv zu viel: der Zeitreisen-Strang oder der Cop-sucht-Kindermörder-Plot. Auch auf der Bildebene leidet Dark an Überfrachtung. Die Serie will auf Teufel komm raus gut aussehen und erschlägt den Zuschauer mit Totalen, Luftaufnahmen und detailversessenem Referenzwahn, alles ist fast schon unnatürlich gestochen scharf. Die einsame Kreuzung mit der schwankenden Ampel, das highschoolartige örtliche Gymnasium, das düstere Waldhotel: Zusammengenommen ist das einfach ein bisschen viel german Twin Peaks.
Kommentare
Vielleicht liegt es ja auch daran, dass es bei uns so viele Denk-, Sprech-, und Schreibhemmnisse gibt, die den Drehbuchschreiberinnen und Regisseurinnen durch die Schreibschulen und die Genderkultur aufgegeben wird. Vielleicht wäre das einmal eine interessante Aufgabe für die vergleichende Literaturwissenschaft.
Die ausländischen, insbesondere die skandinavischen Serien im Ö.R. Fernsehen sind auch nicht viel besser. Ein Glück, dass es noch Bücher gibt. Die machen sowieso die besseren Filme.
Was für ein Blödsinn. Zumal es in Amerika diese "Hemmnisse", wie sie sie nennen, auch gibt.
Es gibt auch sehr gute deutsche Serienproduktionen. Ich denke da an den Tatortreiniger, oder (überraschenderweise) Stromberg. Ich hab das Gefühl, die Serienproduktionen werden besser je weniger man versucht sich an den amerikanischen Serien zu orientieren.
Also da die Serie auch an Internationales Publikum gerichtet ist, könnte sie tatsächlich gut sein , solange sie nicht zu amerikanisch tut, das Problem mit deutschen Produktionen ist meiner Meinung nach dass wir den Film nicht als Kunst warnehmen sondern eher als Konsumgut, die Ergebnisse kennen wir ja alle.
Ich denke genau das tun die Amerikaner aber auch nicht. Denk mal an Transformers. Wie viel Kunst ist denn daran?
Ich finde die deutschen, französischen oder skandinavischen Filme oftmals richtig gut, was das künstlerische angeht. Aber es ist eben nicht massentauglich. Warum? Weil die Zuschauer anders stimuliert werden wollen.
Ich versuche gerade, in der Beschreibung die German Angst zu entdecken?
Äh - nein!?
Was ich in den ersten drei Folgen gesehen habe, hat mich komplett überzeugt.
Lasst euch von Frau Ströbele nichts erzählen, schaut am Freitag selbst. Gerade weil es eine deutsche Produktion ist, war ich sehr skeptisch, aber bin überrascht worden.
Dark ist mehr als ein simpler Stranger Things Abklatsch. Das Jahr 1986 hat auch schon seinen Sinn in der Geschichte und ist nicht nur dabei um Vorlage für lustige 80er-Jahre-Referenzen zu bieten.
Ich mag der Autorin nicht alles vorwerfen, was mir durch den Kopf geht, aber zumindest, dass sie Dark nicht verstanden hat.
Na hoffen wir mal dass sie recht haben.