ZEIT ONLINE: Official Secrets spielt im Jahr 2003, als die US-Regierung George W. Bushs und der britische Premier Tony Blair ein UN-Mandat für den Einmarsch im Irak erwirken wollen. Während sich weltweit Proteste gegen die Invasion formieren, hatten Sie mit der Komödie Kick It Like Beckham gerade Ihren internationalen Durchbruch gefeiert und drehten in den USA Pirates of the Caribbean. Wie erinnern Sie sich an das politische Geschehen jener Zeit?
Keira Knightley: Ich war 18, als britische und amerikanische Truppen in den Irak einmarschierten. Ich erinnere mich noch genau, wie sich dieser Konflikt aufgebaut hatte. In London war ich auch auf den ersten Antikriegsdemonstrationen gewesen. Leider nicht auf der ganz großen, die am 15. Februar weltweit stattfand, – da drehte ich gerade in den USA. Ich stand in meinem Piratenkostüm auf dem Set und telefonierte mit meinen Freunden, die in London auf der Großdemonstration waren, und dachte: "Was mache ich hier eigentlich? Warum bist du nicht auf der Demo?" Später war ich dann noch auf einer Demonstration in Los Angeles. Dort waren wirklich viele Menschen, aber in den amerikanischen Zeitungen las man nichts davon. Die US-Medien hatten sich voll auf Bushs Kriegskurs eingeschworen.
ZEIT ONLINE: Was bedeutet Ihrer Generation diese Auseinandersetzung um den Irakkrieg?
Knightley: Für mich war es der erste Krieg, den ich bewusst wahrnahm. Ich habe den politischen Diskurs damals genau verfolgt. Die Tatsache, dass weltweit Abermillionen Menschen gegen diesen Krieg auf die Straße gingen und dieser Protest die Entscheidungen unserer politischen Führung nicht beeinflusste – das hatte große Auswirkungen auf meine Generation. Viele Leute haben sich durch die Ignoranz der Regierung entrechtet gefühlt. Das verstärkte sich noch einmal, als herauskam, dass die vermeintlichen Massenvernichtungswaffen im Irak gar nicht existierten und die Geheimdienstinformationen schlichtweg falsch waren. Dass diese Lüge, mit der die Invasion in den Irak gerechtfertigt wurde, keinerlei Konsequenzen für die Verantwortlichen hatte, hat in meiner Generation das Vertrauen in die Politik nachhaltig erschüttert.
Die Folgen davon sind übrigens heute noch zu spüren.
ZEIT ONLINE: Wie meinen Sie das?
Knightley: Was können wir als Bürgerinnen von Politikern erwarten, wenn sie uns nicht die Wahrheit erzählen und bei einer solch gezielten, weitreichenden Falschinformation die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen werden? Wie wohl fühlt man sich in einem Land, in dem Politiker ihr Volk belügen? Diese Fragen nach dem Vertrauen sind sehr relevant für die Welt, in der wir heute leben. Sie prägen die politischen Diskurse, den Umgang mit den Medien und die Politik unserer Zeit.
ZEIT ONLINE: In Official Secrets spielen Sie jetzt die Whistleblowerin Katharine Gun, die als Angestellte des britischen Nachrichtendienstes mit einem Geheimnisverrat die Manipulation der damaligen UN-Abstimmung über den Einmarsch im Irak öffentlich gemacht hat. Woher bezog Katharine Gun ihre Zivilcourage?
Knightley: Ich habe mich mit Katharine Gun vor den Dreharbeiten getroffen und sie war auch oft am Set mit dabei. Sie konnte mir nicht alle Fragen beantworten, weil sie immer noch an Verschwiegenheitsvorschriften des Official Secrets Act gebunden ist. Was mich an ihr beeindruckt hat, ist die Klarheit, mit der sie ihrem moralischen Gewissen gefolgt ist. Manche bezeichnen das als naiv, aber vielleicht sollten wir alle ein wenig naiver sein. Katharine Gun hat ihre Entscheidung getroffen, weil sie versuchen wollte, Menschenleben zu retten. Sie wusste, welches Risiko sie einging, und hat es trotzdem gemacht.
ZEIT ONLINE: Sehen Sie sie als Heldin?
Knightley: Sie ist eine Heldin, aber keine Superheldin. Es war mir wichtig, zu zeigen, dass sie in schwachen Momenten auch den eigenen Mut bereut, aber trotzdem zu ihrer Entscheidung steht.
ZEIT ONLINE: Warum bringen nicht mehr Menschen eine solche Klarheit und Zivilcourage auf?
Kommentare
Schön, dass sie sich nicht einfach in die Promi-Ecke zurückzieht, sondern als politisch denkender Mensch klar Stellung bezieht, die Dinge also ausspricht, die benannt werden müssen. Ein echtes Vorbild.
Julian Assange hat Informationen veröffentlicht, die zu keinen mir bekannten Reaktionen geführt haben, Edward Snowden ebenfalls. Wenn das so ist, wie es ist, dann können die genauso gut alles "ungeheim" und ohne Lügen durchführen - sie, die Massenmörder, bleiben straffrei.
Es ist an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten, mit welchen Lügengebäuden, manche nennen sie Curveballs, wir abgefrühstückt werden.
Ich denke auch, dass das der eigentliche Kernpunkt ist: skandalöse oder verbrecherische Fakten ans Licht zu bringen ist ja nur die halbe Miete. Wenn diese Fakten für die Verantwortlichen dann aber keine, oder in keinem angemessenen Verhältnis zu ihren Taten stehende Konsequenzen haben, dann bekommt die ganze Thematik eine zunehmende Schieflage.
Aus heutiger Perspektive betrachtet war der grösste Politik-Skandal der 70er Jahre, die Watergate Affaire, quasi eine Lapalie - ein Donald Trump würde darüber nur lachen, und hätte heute alle Mittel und den Zeitgeist auf seiner Seite, der ihm erlauben würde, so ein Thema an sich ablaufen zu lassen, wie an Teflon. Von diesen Möglichkeiten, permanent Nebelkerzen zu werfen und sich aus jeglicher Verantwortung herauszuwinden, die ein Trump heute hat, konnte Nixon damals nur träumen. Und diese Entwicklung findet quasi 1:1 ihre Parallele im Wirtschaftsbereich. Ein Top-Manager kann heute ein x-faches des Geldes verdienen, das er Anfang der 70er verdient hat - ohne auch nur ansatzweise so x-fach zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn er ähnlichen Mist baut. Und weder hat der Arbeitstag heute mehr Stunden, als damals, noch kann heute sachlicher nachgewiesen werden, dass ein Manager mit seinen persönlichen Entscheidungen deutlicher, oder direkter zum Wohl des Unternehmens beigetragen hat. Wer mal 'oben' ist, der bleibt immer souveräner 'oben' - und kann sich immer mehr Verfehlungen leisten, ohne dafür grade stehen zu müssen.
Wir wußten alle, dass die Bush, Bolton, Blair, etc. logen bis sich die Balken bogen. Ich weiß auch noch ganz genau wie Herr Joffe in der Talkshow "Hart aber Fair" für den Krieg warb und wie Herr Wolfsohn wollte, dass auch deutsche Truppen an dem Feldzug teilnahmen. Ich weiß auch noch wie Merkel die "Bergpredigt" auch dabei sein wollte und einen Diener vor Bush Junior machte. Als Herr Jung sie zehn Jahre später fragte, wollte sie von nichts gewußt haben.
Jede Regierung belügt ihr Volk und andere Völker und deshalb ist es so wichtig, dass es Leute mit Gewissen gibt, die die Menschen darüber informieren und intakte Medien, die darüber berichten. Medien bzw. Journalisten, die sich unkritisch gegenüber der eigenen Regierung verhalten, sind nichts weiter als Pressesprecher und Propagandisten. Es braucht keine Schönschreiber, sondern knallharte faktenorientierte Journalisten. Da haben wir enorme Defizite.
Keira Knightley gehört zwar nicht zu meinen Lieblingsschauspielern, aber dennoch finde ich es gut, dass sie diese Rolle spielt. Auch solch eine Rolle zu spielen verlangt sehr viel Mut und die Schauspieler riskieren dabei auch was. Meine Lieblingsschauspielerin wurde wegen ihres Engagement in Israel zur Unperson erklärt. Wenn die Medien versagen, dann bleiben nur noch Filmschaffende, Literaten und Künstler den Menschen die Wahrheit zu sagen.
Es braucht keine Schönschreiber, sondern knallharte faktenorientierte Journalisten. Da haben wir enorme Defizite.
So groß können die Defizite ja wohl nicht sein, wenn jemand wie Trump und der Rechtspopulismus insgesamt einfach alles tun, um den Journalismus zu diffamieren. Klar, die empfinden das auch alles als "Schönschreiben" - was aber daran liegen dürfte, dass sie selbst eben so gar nicht schöngeschrieben werden (wie denn auch?) und dass viele Fakten ihnen nicht alternativ genug sind. Vielleicht entsteht der Eindruck des Schönschreibens bei vielen aber auch nur deshalb, weil in Foren und dergleichen derart viel schlechtgeschrieben wird - es wäre dann also einfach eine Frage des Kontrasts.
Aber Defizite gibt es natürlich auch, zugegeben. Zum einen steckt der Journalismus durch den Niedergang der Printmedien nach wie vor in einer "Finanzkrise". Und dann gibt es ja noch gesteuertes Zeug wie die Murdoch-Presse in GB, die den Brexit maßgeblich mit zu verantworten hat. Von so was wie Russia Today mal ganz zu schweigen.
" Wenn die Medien versagen, dann bleiben nur noch Filmschaffende, Literaten und Künstler den Menschen die Wahrheit zu sagen."
Haben Sie den Eindruck, dass die Medien versagen?
"Auch solch eine Rolle zu spielen verlangt sehr viel Mut..."
Warum sollte es?
Ja, sie versagen. Nicht zu 100%,aber oft genug.
Sehen Sie sich doch einfach allein hier auf ZON diverse Jubelartikel an. Und hier gibt es wenigstens ab und zu noch wirklich gute Artikel. Bei anderen Medien sieht es wesentlich düsterer aus.