Nach den vergangenen beiden Wochen muss die neue Folge Lakritz (WDR-Redaktion: Nina Klamroth) des Tatort aus
Münster als Wohltat erscheinen. Wenn man, wie in Wiesbaden
und Luzern,
gesehen hat, was passiert, wenn Unvermögen an den Turntables sitzt, fällt die
Dankbarkeit für einen in sich stimmigen Film gleich noch mal größer aus.
Auch wenn der, wie in Münster üblich, nicht viel will. Lakritz ist nach der letzten, erzählerisch etwas gewagteren und
darin nicht ganz glücklichen Folge Spieglein, Spieglein,
eine fast klassische Episode (Drehbuch: Thorsten Wettcke, der schon mehrfach
für den Schauplatz geschrieben hat).
Marktmeister Wagner (Pierre Siegenthaler) ist tot, eine
skurrile Figur des öffentlichen Lebens, die sich Status und Wohlstand durch
Erpressung von so ziemlich allen anderen gesichert hat – durch akribische
Dokumentation kompromittierenden Materials, eine Art Stasi auf zwei Beinen
zur Finanzierung des eigenen sonnigen Lebensstils.
Solch ein viel gehasstes Ekel hat den Vorteil, dass der Verdacht schon mal weit streut. Über die tödliche, weil vergiftete Lakritze führt die Geschichte außerdem noch zurück in die Kindheit Boernes (Jan Josef Liefers). Als der kleine Karl-Friedrich (Vincent Hahnen) verliebt war in Monika, die Tochter des Lakritz-Laden-Betreibers Maltritz, die ihr Glück aber lieber mit einem scheinbar aufregenden Halbstarken versuchte.
Wie die Erinnerung beim Öffnen der Lakritzdose comicbuchhaft über das Filmbild wirbelt, ist ein hübscher Einfall der klugen Regie von Randa Chahoud. Mitunter leidet das Komische im Tatort ja darunter, dass zu behäbig inszeniert wird. Lakritz leistet sich dagegen schöne Rhythmuswechsel wie das flinke: "Nein!" – "Nein?" – "Nein!" – "Nein?" – "Nein!" – "Gut" als Schuss-Gegenschuss-Auflösung (Kamera: Kristian Leschner), mit dem Thiel zum Ende einen Verdächtigen, den schlecht gealterten Halbstarken von einst (Patrick von Blume als mürrischer Hohlkopf), verhört.
Um dann, etwas langsamer, ausführlicher, genüsslicher, den eigentlichen Täter, Vater Maltritz (Walter Hess), in den Blick zu nehmen. Der wendet sich, nach ein wenig Erklärung Thiels, an Boerne mit der Frage: "Was redet der da?", die Boerne an Thiel weitergibt ("Wirklich, Thiel, was reden Sie da?"), damit aber auch noch mal ein kurzes Echo der "Nein!"-"Nein?"-Nummer bewirkt.
Die Rückschau auf die unglückliche Boerne-Kindheit dient
nicht nur dem Sentiment und der Illustration. Sie macht die Verbindung zum
aktuellen Fall erst möglich, indem sie zugleich die Boerne-Figur um eine
Facette erweitert: Der kleine Karl-Friedrich hatte kein Glück bei den Mädchen,
war aber damals schon der Klugscheißer (der Thiel mit Genitivsetzungen korrigiert),
weshalb er den scheinbaren Selbstmord der Maltritz-Mutter seinerzeit für
unwahrscheinlicher hielt als der damalige Kommissar.
Kommentare
Sherlock Börne im „Tatort“ - das ist doch mal eine interessante Variante. Flott inszeniert und geschnitten, zumindest über weite Strecken - mit dieser deutlich erkannbaren Verjüngungskur kann der humoristische Publikumsliebling trotz partiell inhaltlicher Rückwärtsgewandtheit ruhig noch zwei weitere Dekaden im ansonsten eher düster-trocken-gesellschaftsrelevanten „Tatort“-Umfeld wildern gehen ;-)
Genauuuu ... Totgesagte kleben länger.
Also mir hat Boerne als Kind bzw. Jugendlicher leid getan. Klein, pummelig und dann gekleidet wie Tom Sawyer auf dem Weg zur Sonntagsschule. Das war in den späten 70-ern bzw. frühen 80-ern doch tödlich für das Auge des anderen Geschlechts.
Eine ordentliche Jeans, gescheites T-Shirt, Cowboy-Stiefel, Bonanza-Fahrrad, etwas weniger Lakritz (das macht ja bekanntlich spitz) und der peinliche Tausch, "Titten gucken gegen Mathe helfen" wäre ihm erspart geblieben.
Aber vielleicht wäre er dann nicht geworden wie er ist. Was natürlich auch schade wäre.
Also alles gut. Weiter so!
Naja, es ging ja um Titten gucken wür nicht im Mathe helfen, das lässt die Situation doch ganz anders darstehen.
Aber im Großen und ganzen fans ich den Tatort recht unterhaltsam, auch wenn mir manche Punkte, etwa "Medizinman" Thiel Sr. oder der Bitcoin-Erpresserbrief meiner Meinung nach nicht wirklich ins Gesamtbild gepasst haben.
Wir haben uns auch gut unterhalten gefühlt.
Ich würde eher sagen, andersrum wird ein Schuh draus. Wäre er mal nicht so geworden, wie er ist ;) Aber, mei, die Geschmäcker san's verschienden
Was ich nur nicht zusammenkriege, sind drei Teenager Anfang 70er, die 2019 aber erst Mittvierziger sind. Da fehlen irgendwo 15-20 Jahre.
Das bunte Kleid in der Brüste-Gucken-Szene war spätestens ab '75 ein Fall für die Altkleidersammlung.
Die hatten damals wohl nicht soviel Geld und die Tochter musste das Kleid der Mutter auftragen. :-)
Die Mutter hat sich 1979 umgebracht, das wurde erwähnt. Jan Josef Liefers ist Jahrgang 1964. War also 1979 15 Jahre alt, das würde vom Alter passen.
"Die hatten damals wohl nicht soviel Geld und die Tochter musste das Kleid der Mutter auftragen. :-)"
Sagen wir die ARD hat einen beschränkten Etat und muss sparsam mit dem Geld der Gebührenzahler umgehen. Da musste halt ein Kleid aus dem Kostümfundus herhalten, welches der jungen Damen passte...
Es gab schon deutlich bessere Folgen aus Münster.
Mag sein, aber diese war wirklich gut.
Ich weigere mich, Tatorte aus Münster zu kommentieren.
Highlight war "Nights In White Satin" von den Moody Blues.
Fertig.
Sie wurden wortbrüchig
Dann war das doch wieder ein typischer Tatort aus Münster. Herrlich lustig und albern, wie ein guter Krimi sein sollte.
"Dann war das doch wieder ein typischer Tatort aus Münster. Herrlich lustig und albern, wie ein guter Krimi sein sollte."
Naja, zu einem echten Schenkelklopfer wie "Kommissarin Lund" oder Stieg Larsson fehlte noch einiges.